Stadtbäche schützen trotz notwendigen Fernkälteausbaus
Anfrage Stadtrat Manuel Pretzl (CSU-Fraktion) vom 21.7.2020
Antwort Clemens Baumgärtner, Referent für Arbeit und Wirtschaft:
In Ihrer Anfrage vom 21.7.2020 führten Sie als Begründung aus: „München verfügt über eine Vielzahl unter- und oberirdischer Stadtbäche. Besonderes Augenmerk richtet diese Anfrage auf die oberirdisch verlaufenden Stadtbäche und deren Funktion. Oberirdische Stadtbäche können durch ihre kühlende Wirkung an heißen Sommertagen das Umgebungsklima positiv beeinflussen. Um diese Wirkung zu erhalten, sollten die Bäche nicht künstlich beeinflusst oder erwärmt werden.“
Zu den im Einzelnen gestellten Fragen kann ich Ihnen nach Rückmeldung durch die SWM Folgendes mitteilen:
Frage 1:
Werden überhaupt oberirdische verlaufende Stadtbäche zur Kälteerzeugung genutzt?
Antwort:
Die SWM nutzen bislang nur den fast ausschließlich unterirdisch verlaufenden Westlichen Stadtgrabenbach (Stadtbach links der Isar) zur Erzeugung von Kälte für ihr Fernkältenetz in der Münchner Innenstadt. Dabei nutzen folgende drei Anlagen den Westlichen Stadtgrabenbach zur stromsparenden Kältegewinnung:
-Kälteerzeugungsanlage „Herzogspitalstraße“ -Kälteerzeugungsanlage „Stachus“
-Kälteerzeugungsanlage „Odeonsplatz“
Frage 2:
Wenn ja, welche durchschnittliche Temperatur weisen die oberirdisch verlaufenden Münchner Stadtbäche auf?
Antwort:
Die Wassertemperatur der Münchner Stadtbäche aus der Isar liegt im Jahresdurchschnitt bei etwa 11 – 12 °C. Im Jahresminimum (Winter) liegen die Temperaturen bei etwa 2°C, im Maximum können auf natürlichem Wege (Sommer, Sonneneinstrahlung) bis zu 23°C erreicht werden.
Frage 3:
Werden durch die Realisierung der Fernkälte durch die Stadtwerke München GmbH sowie die Verwendung von Wärmetauschern Stadtbäche erwärmt?
Antwort:
Ja, durch die Fernkälteerzeugung wird Abwärme aus dem Kälteprozess in den Westlichen Stadtgrabenbach überführt. Dabei findet eine geringfügige Erwärmung des Gewässers statt.
Frage 4:
Wenn ja, um wieviel Grad?
Antwort:
Die thermische Nutzung des Westlichen Stadtgrabenbachs ist je Kälteerzeugungsanlage über eine eigene wasserrechtliche Erlaubnis geregelt. In Summe würde ein Spitzenlastbetrieb aller drei Kälteerzeugungsanlagen mit einer Rückkühlleistung von ca. 13 MW zu einer genehmigten Aufwärmung des Westlichen Stadtgrabenbachs (Abfluss ca. 2,5 m³/s) von ca. 1,2 Kelvin führen.
Dieser gleichzeitige Spitzenlastbetrieb aller Kälteerzeugungsanlagen würde allerdings nur an wenigen Stunden im Jahr bei maximaler Kälteabfrage vorkommen. Im Fernkältenetz Innenstadt wurde aufgrund des bisherigen Kälteabnahmeverhalten noch kein Spitzenlastbetrieb aller Erzeugungsanlagen erreicht.
Frage 5:
Ergibt sich aus einer möglichen Temperatursteigerung ein Einfluss auf Flora und Fauna?
Antwort:
Grundsätzlich spielt die Gewässertemperatur eine zentrale Rolle bei Lebensbedingungen eines aquatischen Ökosystems. Je nach Lebewesen gibt es eine bestimmte Temperaturbandbreite, die optimale Lebensbedingungen ermöglicht. Verlässt die tatsächliche Wassertemperatur den optimalen Temperaturbereich, kann dies je nach Entwicklungsstadium und Ausmaß negative Folgen für die Lebewesen haben.
Der Wärmehaushalt und damit die Temperatur eines Gewässers ist allerdings im Wesentlichen abhängig von atmosphärischen und topografischen Einflüssen sowie dem Durchfluss und der Gewässerhydraulik. Die größten Einflusskomponenten bilden dabei die Sonneneinstrahlung und die Lufttemperatur.Eine thermische Nutzung des Gewässers als zusätzlicher Faktor unterliegt dabei strengen Regelungen, die im Rahmen wasserrechtlicher Genehmigungen festgeschrieben sind, sodass ein negativer Einfluss dadurch auf Flora und Fauna vermieden wird.
Frage 6:
Gibt es wissenschaftliche Untersuchungen dazu?
Antwort:
Im Zuge der Beantragung einer wasserrechtlichen Erlaubnis für eine neue Kälteerzeugungsanlage mit Anbindung an ein Gewässer beauftragen die SWM Untersuchungen und Gutachten, die den Einfluss des Betriebs der Anlage auf das aquatische Ökosystem bewerten sollen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen und Gutachten fließen dann in das wasserrechtliche Genehmigungsverfahren mit ein.
Darüber hinaus betreiben die SWM ein umfangreiches Wassertemperatur-Monitoring sowohl in der Isar als auch in den betroffenen Stadtbächen. Im Rahmen einer Masterarbeit in Kooperation mit der TU München wurden hierzu umfangreiche Auswertungen des Einflusses der Fernkälteerzeugungsanlagen auf das Gewässersystem Westlicher Stadtgrabenbach – Schwabinger Bach durchgeführt.
Frage 7:
Welche Werte werden nach Abschluss des Ausbaus des Fernkältenetzes bzw. bei voller Nutzung in den Sommermonaten in den Stadtbächen erwartet?
Antwort:
Ein genereller Abschluss des Ausbaus des Fernkältenetzes in der Münchner Innenstadt ist aktuell nicht absehbar. Insbesondere aufgrund der klimatischen Entwicklungen und Klimatisierungsanforderungen wird der innerstädtische Kältebedarf in Zukunft weiter ansteigen.
M-Fernkälte der SWM bildet dabei die ideale Lösung, sowohl den Anforderungen an den Klimaschutz durch stromsparende Kälteerzeugung gerecht zu werden, als auch der hochsommerlichen Hitzeglocke über der Münchner Innenstadt entgegenzuwirken, da sie individuelle luftgekühlte Kälteerzeuger verdrängt.
In den potentiellen, weiteren Ausbauplänen des Fernkältenetzes ist keine weitere Nutzung des Westlichen Stadtgrabenbachs als die bestehende vorgesehen.
Um der steigenden Nachfrage und ihrem Klimaschutzauftrag gerecht zu werden, bauen die SWM ihr Fernkältenetz konsequent weiter aus undschließen in naher Zukunft eine neue, vierte Kälteerzeugungsanlage am Energiestandort Süd an das Netz an. Im Endausbau (voraussichtlich 2029) soll diese Kälteerzeugungsanlage bis zu 36 MW Kälte erzeugen. Dabei wird im Spitzenlastfall bis zu 50 MW Rückkühlungsleistung erforderlich. Die Abführung der Abwärme erfolgt dabei über den bereits vorhandenen Kühlwasserkreislauf des Heizkraftwerks Süd, der wiederum an den Isar Werkkanal angeschlossen ist. Der Rückkühlungsbetrieb der Fernkälteerzeugungsanlage soll im Rahmen der Grenzwerte der wasserrechtlichen Erlaubnis des Heizkraftwerks Süd betrieben werden. Deshalb ist im Spitzenlastfall mit keiner zusätzlichen Erwärmung des Großen Stadtbachs zu rechnen. Im Gegenteil bietet die Einbindung der Fernkälteerzeugung hier die Möglichkeit, bei zu hohen Gewässertemperaturen auf einen gewässerunabhängigen Kühlturmbetrieb auszuweichen. Diese redundante Rückkühlung wurde vorgesehen, um den Isar Werkkanal in Zeiten hoher Gewässertemperatur nicht zusätzlich durch den Fernkältebetrieb zu belasten.
Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen hiermit zufriedenstellend beantworten konnte.