Bericht Gleichstellung von Frauen und Männern Archiv
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Rathaus Umschau 191 / 2020, veröffentlicht am 06.10.2020
Am Mittwoch, 14. Oktober, wird dem Stadtrat im Verwaltungs- und Personalausschuss der erste Bericht zur Gleichstellung von Frauen und Männern in München vorgelegt. Damit stellt die Stadt München erstmals ein umfangreiches Gleichstellungsmonitoring vor. Ziel des Berichtes ist es, Lücken bei der Gleichstellung von Männern und Frauen aufzudecken um so deutlich zu machen, wo Handlungsbedarf besteht.
Bürgermeisterin Katrin Habenschaden: „Die Münchner Bevölkerung ist vielfältig: Frauen, Männer und Menschen weiterer Geschlechter, Menschen mit und ohne Behinderungen, Menschen mit unterschiedlicher kultureller und sozialer Herkunft, sexueller und geschlechtlicher Identität, Hautfarbe, Alter, Religion und Weltanschauung. Je nach Gruppenzugehörigkeit unterscheiden sich unsere Chancen auf soziale und politische Teilhabe. Um Unterschiede überhaupt sichtbar zu machen und dann zu analysieren, brauchen wir Daten. Im Bereich der Gleichstellungspolitik gibt es diese Daten aber oft nicht, weil Daten zum Migrationshintergrund, über Behinderungen, sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität nicht ohne weiteres erhoben werden dürfen. Die Gleichstellungsstelle hat für diesen Bericht zahlreiche Daten aus den unterschiedlichsten Quellen zusammengetragen. Für die Politik ist das sehr hilfreich, denn nur so können wir auf einer soliden Faktengrundlage gute Entscheidungen tref
fen.“
Nicole Lassal, Leiterin der Gleichstellungsstelle für Frauen: „Bei allen Erfolgen, die die Stadt München zur Umsetzung der Gleichstellung von Frauen und Männern vorzuweisen hat, fehlt bisher ein umfassender Gleichstellungsbericht zur Schaffung von Transparenz der Gleichstellung von Frauen und Männern in München. Dieser Bericht stellt eine wichtige Ergänzung des Berichtes des Personal- und Organisationsreferates zur betrieblichen Gleichstellung von Frauen und Männern bei der Landeshauptstadt München dar.“
Zentrale Ergebnisse des Berichts „Gleichstellung von Frauen und Männern. Daten – Analysen – Handlungsbedarfe“: Bildungsbeteiligung und Berufswahl
Mädchen und Frauen haben bei den allgemeinbildenden schulischen Abschlüssen aufgeholt und sogar die Jungen und Männer leicht überholt. Jedoch wählen sie bei der Berufswahl oftmals personenbezogene Dienstleistungsberufe. Diese geschlechtsspezifische Entscheidung ist mit geringerem Einkommen und schlechteren Aufstiegschancen verbunden.
Sorge- und Erwerbsarbeit
Die Chancen und Risiken der beruflichen Entwicklung von Frauen, Männern und Menschen weiterer Geschlechter ergeben sich aus ihrer Beteiligung an bezahlter Erwerbsarbeit und unbezahlter Sorgearbeit. Die Übergangsphasen prägen die Art, den Umfang und die Dauer von Erwerbsarbeit. Frauen sind meist diejenigen, die ihre Erwerbsarbeit unterbrechen und danach weniger arbeiten. Auch bei den Alleinerziehenden sind die Frauen sehr stark in der Überzahl.
Frauen konnten ihre steigende Erwerbstätigenquote bisher nicht in Einkommen umsetzen: Frauen verdienten 2017 in Deutschland 20,8 Prozent weniger als Männer, in Bayern waren es sogar 25,0Prozent und in München 25,8 Prozent. Beim Gender Pay Gap gehört Deutschland im europäischen Vergleich zu den Schlusslichtern.
Nimmt man die sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten in den Blick, befinden sich Frauen überproportional häufiger als Männer im Niedriglohnbereich. Umgekehrt: Je höher das Einkommen, desto weniger Frauen sind vertreten.
Katrin Habenschaden: „Sorgearbeit ist immer noch ungleich verteilt, auch wenn die Er
werbstätigenquote der Frauen in den letzten Jahren stark gestiegen ist. Der Gleichstellungsbericht zeigt uns aber deutlich, dass viel mehr Frauen als Männer in Teilzeit- oder Minijobs arbeiten. Hier müssen wir ansetzen und zum Beispiel als Stadt die Kinderbetreuung weiter ausbauen – sowohl was die schiere Zahl der Plätze betrifft, aber auch mit Blick auf Betreuungszeiten und die Qualität der pädagogischen Arbeit. Außerdem ist es dringend erforderlich, dass bestimmte Rahmenbedingungen auf Bundesebene geändert werden, etwa die Minijob-Regeln oder das Ehegattensplitting.“
Hundert Jahre Frauenwahlrecht und noch immer keine Parité
Trotz 100 Jahre Frauenwahlrecht sind Frauen in der Politik noch immer unterrepräsentiert. Im Deutschen Bundestag lag der Frauenanteil nach der Wahl im Jahr 2017 bei 30,9 Prozent und im bayerischen Landtag nach der Wahl 2018 bei 26,8 Prozent. Der Anteil der in den Münchner Stadtrat gewählten Frauen ist seit 1945 von 2,8 auf 46,3 Prozent in 2020 kontinuierlich gestiegen. Der Frauenanteil hängt stark von der gleichstellungspolitischen Ausrichtung einer Partei ab.
Katrin Habenschaden: „Bei Parteien mit einer Quotenregelung, wie Bündnis 90/Die Grünen und SPD, ist der Frauenanteil hoch und entspricht in München dem Frauenanteil in der Bevölkerung. Obwohl München mit einem Anteil von 46,3 Prozent in den Stadtrat gewählten Frauen und von 47,1 Prozent bei den Bezirksausschüssen im Verhältnis gut aufgestellt ist, gibt es trotz mehr als 100 Jahre Frauenwahlrecht noch immer viel zu tun, bis das Gleichberechtigungspostulat des Grundgesetzes eingelöst ist.“
Landeshauptstadt München als Arbeitgeberin
Dieser Bericht stellt eine wichtige Ergänzung des Berichtes des Personal- und Organisationsreferates zur betrieblichen Gleichstellung von Frauen und Männern bei der Landeshauptstadt München dar. Im vorliegenden Bericht wurden zum Beispiel Teilzeitquote, familiäre Beurlaubung und Führungskräfte unter die Lupe genommen.
Katrin Habenschaden: „Auch im Einflussbereich der Stadt sind wir beim Thema Frauen in Führungspositionen längst noch nicht da, wo wir hinwollen. Insgesamt ist der Anteil von Frauen in Führungspositionen in den letzten zehn Jahren zwar gestiegen, er hat aber bei weitem noch nicht den Frauenanteil an den Beschäftigten erreicht – weder in der Privatwirtschaft noch im öffentlichen Dienst. Hier wartet noch viel Arbeit auf uns, und ich wünsche mir, dass die Stadt München als Arbeitgeberin mit gutem Beispiel vorausgeht. Im Koalitionsvertrag haben wir deshalb vereinbart, alle Führungspositionen bei der Stadt und bei städtischen Tochtergesellschaften zu 50 Prozent mit Frauen zu besetzen.“
Starke Unterrepräsentanz von Frauen in Führungsgremien
Der Frauenanteil in Aufsichtsratsgremien der öffentlichen Unternehmen in München lag 2018 bei 11 von 15 Unternehmen zumeist deutlich unter 50 Prozent. Bei den zur Zielquote verpflichteten öffentlichen Unternehmen waren auch die Zielgrößen bei vier von fünf Unternehmen mit deutlich unter 50 Prozent wenig ambitioniert. Die nicht gesetzlich zur Zielquote verpflichteten Unternehmen haben sich unisono keine Quote gegeben.
Nicole Lassal: „Die Gleichstellungsstelle für Frauen hat bereits 2018 die öffentlichen Unternehmen in München aufgefordert, sich für die Aufsichtsräte verbindliche Geschlechterquoten zu geben und für die betriebliche Gleichstellung dem Stadtrat strukturierte Konzepte vorzulegen, die von der Personalgewinnung über die Personalentwicklung bis zur obersten Führungsebene die Förderung von Frauen beinhalten“ Bei den Stadtratsgremien sieht es in München besser aus. Die Stadt München hat sich 2018 eine freiwillige Selbstverpflichtung auferlegt, Gremien nach Maßstab des Hamburger Gremienmodells geschlechtergerecht zu besetzen. In 83 von 130 Gremien wird dieser Maßstab hinsichtlich der vom Stadtrat zu besetzenden Sitze eingehalten. In den übrigen Gremien halten sich die Besetzungen mit zu vielen oder zu wenigen Frauen und Männern die Waage, so dass sich die geschlechtergerechte Besetzung der Gremien in Summe mit mittlerweile 49 Prozent Frauenanteil zu 51 Prozent Männeranteil beziffern lässt.
Nicole Lassal: „Mit der freiwilligen Selbstverpflichtung hat München bundesweit Maßstäbe gesetzt und das Anliegen umgesetzt, Frauen gleichberechtigt an politischen Entscheidungen zu beteiligen.“
Öffentliche Anerkennung
Gleichstellung bildet sich auch im Ausmaß ab, wie Frauen für ihre Leistungen in der Öffentlichkeit wahrgenommen und anerkannt werden. Der Bericht untersucht unter anderem exemplarisch den Frauenanteil bei den Ehrenbürgerinnen und Ehrenbürger sowie bei den nach Persönlichkeiten benannten Straßen. In beiden Bereichen sind Frauen mit 10 Prozent immer noch stark unterrepräsentiert.
Geschlechtsspezifische Gewalt
In München waren 2018 99,1 Prozent der Tatverdächtigen bei Vergewaltigung, sexueller Nötigung und sexuellem Übergriff im besonders schweren Fall Männer. 97,1 Prozent der Opfer bei Vergewaltigung, sexueller Nötigung und sexuellem Übergriff im besonders schweren Fall waren Frauen. Nicole Lassal: „Da geschlechtsspezifische Gewalt in unserer Gesellschaft nach wie vor ein Thema mit großem Handlungsbedarf darstellt, arbeitet die Gleichstellungsstelle für Frauen im Rahmen des Aktionsplanes der Europäischen Charta zur Gleichstellung von Frauen und Männern an einem Aktionsplan zum Abbau von geschlechtsspezifischer Gewalt.“
Geschlechtergerechtigkeit in der Corona-Krise
Durch die Corona-Krise treten die bestehenden strukturellen Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern deutlicher denn je zu Tage. Das betrifft unter anderem die Aspekte, dass die Beraterinnen und Berater sowie Entscheiderinnen und Entscheider überwiegend Männer sind, Frauen wesentlich seltener öffentlich zu Wort kommen als Männer, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von schlecht bezahlten systemrelevanten Berufen überwiegend Frauen sind und Homeoffice insbesondere für Mütter eine Herausforderung ist, da Kindergarten- und Schulschließungen überwiegend Mütter betreffen. Darüber hinaus nahmen durch die Beschränkungen der Sozialkontakte und der Mobilität Stress und Spannungen im Zusammenleben in den Familien zu und dadurch die Gewalt gegen Frauen und Kinder.
Den vollständigen Bericht „Gleichstellung von Frauen und Männern. Daten – Analysen – Handlungsbedarfe 2020“ gibt es ab Ende November auch als Druckversion im Internet unter www.muenchen.de/gst.