Schutz des Stadtklimas – Freiham in Stadtklimaanalyse aufnehmen
Antrag Stadtrats-Mitglieder Sonja Haider, Tobias Ruff und Johann Sauerer (ÖDP) vom 23.1.2020
Klimatische Auswirkungen Freihams auf die Gesamtstadt darlegen
Antrag Stadtrats-Mitglieder Sonja Haider, Dirk Höpner und Hans-Peter Mehling (Fraktion ÖDP/FW) vom 25.6.2020
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr. (Univ. Florenz) Elisabeth Merk:
In Ihren Anträgen fordern Sie die Landeshauptstadt München (LHM) auf, für die Bebauung Freihams, insbesondere für einen möglichen 2. Realisierungsabschnitt, ein Gutachten zu erstellen, in dem die Auswirkungen auf das gesamte Stadtklima mit ihren Kaltluftleitbahnen aus dem Westen in die Innenstadt untersucht werden. In dem Gutachten sind Maßnahmen aufzulisten, die sicherstellen, dass auch nach einem möglichen Ausbau der A99 und einer möglichen Fertigstellung des 2. Realisierungsabschnitts in Freiham diese Kaltluftleitbahnen der Stadt erhalten bleiben. Vor allem sind die Auswirkungen der im Wettbewerb beschlossenen, massiven Blockrandbebauung darzustellen.
Die Stadtverwaltung wird beauftragt, die Bezirksausschüsse der Landeshauptstadt München zu bitten, eine Klimabeauftragte und einen Klimabeauftragten je Stadtbezirk zu benennen.
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihrer Anträge betrifft jedoch eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt, da das genannte stadtklimatische Gutachten, welches insbesondere die Durchlüftung und den Kaltluftvolumenstrom untersucht, im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens zum 2. Realisierungsabschnitt in Freiham Nord erarbeitet wird und die Berufung von Klimabeauftragten in den Bezirksausschüssen in der Entscheidungshoheit der einzelnen Bezirksausschüsse liegt.
Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.
Zu Ihren Anträgen vom 23.1.2020 und 25.6.2020 teilt Ihnen das Referat für Stadtplanung und Bauordnung Folgendes mit:
Sachstand – Berücksichtigung stadtklimatischer Belange in der bisherigen Planung
Die Planung und Umsetzung von Freiham ist bereits weit fortgeschritten. Der Bebauungsplan für den 1. Realisierungsabschnitt ist 2016 in Kraft getreten und befindet sich nun in der Umsetzung.
Von Anfang an wurden bei der Planung des neuen Stadtteils Freiham verschiedene stadtklimatische Aspekte berücksichtigt, um eine hohe Aufenthaltsqualität zu schaffen. Im Detail ist dies nachzulesen in der Broschüre „Nachhaltiges Freiham“1.
Im Hinblick auf das Thema Durchlüftung wurden in Freiham frühzeitig städtebauliche Maßnahmen ergriffen, die einen hohen Luftaustausch mit der Umgebung begünstigen, den Stadtteil abkühlen und mit Frischluft versorgen. Diese Maßnahmen beziehen auch den benachbarten Stadtteil Neuaubing mit ein, da das Areal vor Freiham eine gewisse Bedeutung für die Frischluftversorgung Neuaubings aufweist. In sogenannten Luftaustauschbahnen (Frischluftschneisen), die in den Hauptwindrichtungen von West nach Ost verlaufen, findet ein Austausch zwischen warmer städtischer Luft mit kühlerer und sauberer Luft aus dem Umland statt. Insbesondere die „Grünfinger“ sind ein wichtiger Teil dieses Systems, aber auch die aufgelockerte und durchlässige Bebauungsstruktur von Freiham leistet ihren Beitrag zu einer guten Luftzirkulation. Die Position hoher Gebäude, die den Luftfluss behindern, sowie von Verkehrswegen und anderen Emissionsquellen wurden im Bebauungskonzept des 1. Realisierungsabschnitts gezielt auf die Frischluftschneisen abgestimmt.
Frische Luft kann so vom Landschaftspark im Westen durch Freiham hindurch bis nach Neuaubing im Osten von Freiham gelangen.
Die möglichen mikroklimatischen Auswirkungen der geplanten Bauvorhaben wurden im Rahmen der Bebauungsplanung für den 1. Realisierungsabschnitt mithilfe von Simulationen untersucht. Veränderungen der kleinräumigen Windverhältnisse sowie der Verschattung und die Auswirkungen von Neubauten wurden vorab simuliert und visualisiert. Die Erkenntnisse einer solchen Simulation wurden bei der Planung genutzt, um in Freiham einen hohen thermischen Komfort zu erreichen.
Auf Grundlage des Klimagutachtens für den 1. Realisierungsabschnitt wurden zahlreiche Maßnahmen im Bebauungsplan aufgenommen, die ein behagliches Klima in Freiham begünstigen.
Zahlreiche Grün- und Freiflächen verteilen sich gleichmäßig über das Siedlungsgebiet von Freiham und auch die Baumreihen an den Verkehrsflächen wirken sich positiv auf das Stadtklima aus. Die durchgehende, dichteVegetation verringert sowohl Kälte- und Hitze- als auch Windbelastungen. Dies geschieht einerseits, indem Pflanzen Verdunstungskälte abgeben und mit ihren Blättern Schatten spenden. Andererseits reduzieren Bäume und Büsche die Windgeschwindigkeit und schützen ihr Umfeld so vor einer zu starken Auskühlung. In der Nacht bilden Grün- und Freiflächen bodennahe Kalt- und Frischluft im direkten Wohnumfeld.
Die im Bebauungsplan vorgesehenen, großflächig begrünten Dach- und Fassadenflächen verringern darüber hinaus den „Wärmeinseleffekt“ der Bebauung. Da die Vegetation schon frühzeitig gepflanzt wird, ist ein spürbarer klimatischer Effekt bereits beim Bezug von Freiham zu erwarten.
Auch die Windgeschwindigkeiten spielen für den Wind-Komfort im Stadtteil eine große Rolle. Vor allem dort, wo zwischen Gebäuden die Luft kanalisiert wird, können starke Winde auftreten. Aber auch Strömungen an Gebäudekanten oder Turbulenzen zwischen Gebäuden können die Aufenthaltsqualität einschränken. Für die Neubauten in Freiham wurde deshalb in entsprechenden Vorstudien unter anderem untersucht, wie sich die Ausrichtung und Höhe geplanter Gebäude auf den Komfort auswirken.
Ausblick – Berücksichtigung stadtklimatischer Belange in der Planung des 2. Realisierungsabschnitts
Zur Berücksichtigung stadtklimatischer Belange in der Planung wurde 2014 die Stadtklimaanalyse/Klimafunktionskarte erstellt und vom Stadtrat beschlossen (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 01810). Laut diesem Fachplan wird das Stadtentwicklungsgebiet Freiham als Grün- und Freifläche mit hoher bis sehr hoher klimatischer Bedeutung eingestuft. Durch ihren sehr hohen Kaltluftvolumenstrom ist die Fläche bedeutsam für die lokale Kaltluftlieferung von Westen bzw. Südwesten in die östlich angrenzenden Bestandsgebiete.
Diese Durchlüftungsfunktion auf die angrenzenden Bestandgebiete sollte auch bei Überplanungen möglichst erhalten werden, da ihre Wertigkeit vor dem Hintergrund des fortschreitenden Klimawandels mit einer Zunahme von Hitzeperioden weiter steigt.
Eine Bedeutung Freihams für die Kaltluftlieferung der Innenstadt wurde hingegen nicht analysiert.
Eine Reduzierung der Versiegelung, soweit irgend möglich, ist grundsätzliches Ziel der Bauleitplanung. Dabei gilt es, das Ziel der Flächenersparnis mit einer verträglichen Dichte für das gesamte Baugebiet abzugleichen. Eine hohe Dichte bedeutet auch eine effiziente Auslastung der Infrastruktur und führt auch damit zu einem reduzierten Eingriff in den Boden.Der für den 1. Realisierungsabschnitt oben beschriebene Weg soll im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens für den 2. Realisierungsabschnitt konsequent weitergeführt werden.
Die als Durchlüftungsachsen von West nach Ost im 1 Realisierungsabschnitt angelegten Grünkorridore werden weitergeführt und schaffen über ihre klimatische Funktion hinaus eine Grünverbindung zwischen dem Landschaftspark und den Wohngebieten.
Für den 2. Realisierungsabschnitt ist eine Blockrandbebauung mit relativ großen Innenhöfen vorgesehen, die immer wieder Öffnungen aufweisen. Diese Öffnungen dienen auch der Belüftung der Innenhöfe. Die Mehrzahl der Wohnungen hat als durchgesteckte Wohnungen zudem die Möglichkeit der Durchlüftung von Blockaußen- zur Blockinnenseite.
Wie für den 1. Realisierungsabschnitt auch sind für den 2. Realisierungsabschnitt, welcher eine höhere bauliche Dichte aufweist, stark durchgrünte Freiflächen und Innenhöfe im Bereich der Wohnbebauung geplant, die positiv zur kleinräumigen Klimaregulation beitragen werden.
Zudem wird es im 2. Realisierungsabschnitt Freiham Nord ähnlich wie im 1. Realisierungsabschnitt im öffentlichen Raum, sowohl in den Straßen, wie auch in den öffentlichen Grünflächen und Plätzen eine sehr gute Ausstattung mit Großbäumen geben. In den einzelnen Baugebieten werden weiterhin Maßnahmen wie Dachbegrünung, eine intensive Begrünung der Innenhöfe auch mit Großbäumen vorgesehen werden. Auch im 2. Realisierungsabschnitt sollen für diese Standorte gesichert werden, die nicht unterbaut werden und damit langfristig bestmögliche Wuchsstandorte bieten. Die Stellplätze sollen in Tiefgaragen/Quartiersgaragen untergebracht werden und soweit möglich im Sinne eines Mobilitätskonzeptes reduziert werden.
Gutachten im Rahmen der Bebauungsplanung 2. RA
Eine Analyse der Wirkungen der im 2. Realisierungsabschnitt geplanten Maßnahmen auf die Durchlüftung und die thermische Aufenthaltsqualität im Freien liefern die stadtklimatischen Gutachten, die im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens erstellt werden.
Es ist vorgesehen, die Auswirkungen der Planung sowohl zum Mikroklima und dem Windkomfort in Freiham als auch hinsichtlich der Durchlüftungsfunktion in die angrenzenden Nachbarstadtteile gutachterlich untersuchen zu lassen.
Insbesondere soll in einem vertiefenden Klimagutachten mit dem Fokus Durchlüftung untersucht werden, ob auch mit der Neubebauung des 2. Realisierungsabschnitts weiterhin ausreichend Kaltluft in die östlich angren-zende Bestandsbebauung einströmen kann. Die Ausschreibung dieses Gutachtens wird derzeit in enger, fachlicher Abstimmung zwischen dem Referat für Gesundheit und Umwelt und dem Referat für Stadtplanung und Bauordnung vorbereitet. Dabei sollen die Auswirkungen sowohl auf das Stadtentwicklungsgebiet Freiham sowie auf die östlich angrenzende Bestandsbebauung des Stadtbezirks 22, die durch die Planungen beeinträchtigt sein könnte, untersucht werden.
Aufgrund der Aussagen der Klimafunktionskarte und der großen Entfernung von Freiham zur Innenstadt kann angenommen werden, dass stadtklimatische Beeinträchtigungen auf die Innenstadt nicht zu erwarten sind. Im Rahmen der vertiefenden stadtklimatischen Untersuchung wird aber hierzu zusätzlich eine gutachterliche Aussage erwartet.
Klimabeauftragte/Klimabeauftragter
Das Direktorium teilte bezüglich der oder des Klimabeauftragten Folgendes mit:
Die Bezirksausschüsse können für bestimmte Aufgabenbereiche aus ihrer Mitte ständige Beauftragte bestimmen (§ 5 BAGeschäftsordnung). Die Berufung von Klimabeauftragten in den Bezirksausschüssen ist somit möglich und zulässig. Sie liegt in der Entscheidungshoheit der einzelnen Bezirksausschüsse.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.
1 Im Internet zu finden unter dem Link: https://www.muenchen.de/rathaus/Freiham/download.html (Fachpublikationen, 2014 bis 2018)