Allach-Untermenzing stärken VI: Nahversorgungskonzept
Antrag Stadtrats-Mitglieder Sonja Haider, Tobias Ruff und Johann Sauerer (ÖDP) vom 20.1.2020
Antwort Clemens Baumgärtner, Referent für Arbeit und Wirtschaft:
Ihr Antrag konnte innerhalb der von der Geschäftsordnung gesetzten Frist leider nicht abschließend behandelt werden, da die erforderliche Einbindung weiterer Dienststellen den Vorgang unerwartet verzögerte. Für die gewährte Fristverlängerung möchte ich mich bedanken.
Ihr Einverständnis vorausgesetzt, erlaube ich mir den Antrag mittels Brief zu beantworten.
Lebendige und attraktive Stadtteile brauchen starke Zentren, in denen wirtschaftliche, soziale und kulturelle Aktivitäten stattfinden. Der Handel hat dabei immer eine besondere Rolle gespielt und trägt als Impulsgeber entscheidend zur Lebendigkeit und Vielfalt der Innenstädte und zentraler Orte bei.
Wesentliches Element der Stadtentwicklungsplanung für die Stadt München ist dabei das Zentrenkonzept. Es basiert auf der Leitvorstellung einer polyzentralen Versorgungsstruktur für Waren und Dienstleistungen sowie für soziale und kulturelle Versorgungseinrichtungen. Integriert in das Siedlungsgefüge sollen zusätzlich zu der Innenstadt in einer Vielzahl weiterer zentraler Orte wohnortnah Versorgungseinrichtungen für die örtliche Bevölkerung angeboten werden. In der letztmaligen Fortschreibung 2019, Sitzungsvorlage Nr. 16302 wurde das grundlegende Ziel einer quartiersbezogenen und wohnortnahen Grundversorgung bestätigt.
Seit geraumer Zeit findet ein laufender grundlegender Strukturwandel im Lebensmitteleinzelhandel zu Lasten kleiner Geschäfte und mittelständischer Betriebe statt. Mit der fortschreitenden Digitalisierung aller Lebensbereiche und dabei insbesondere der weit verbreiteten Nutzung von Smartphones und dem damit verbundenen mobilen Zugang zum Internet, wird das Handelsgeschehen tiefgreifend verändert. Seit Jahren nimmt der Verkauf von Waren über das Internet kontinuierlich zu. Die städtebauliche Bedeutung traditioneller Zentren nimmt im Gegenzug ab, die Angebotsvielfalt und fußläufige Erreichbarkeit von Nahversorgern geht zurück. Die betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen einerseits und das Konsumentenverhalten andererseits führen zu einer schleichenden Ausdünnung des Versorgungsnetzwerkes und einer zunehmenden Konzentration auf wenige Standorte. Der mobile, autoorientierte Kunde ist dabei in den letztenJahren immer mehr in den Focus von großen, filialisierten Einzelhandelsbetrieben gerückt. Zwischenzeitlich werden von den großen Lebensmittel- anbietern auch weitergehende Mobilitätsangebote wie z.B. Fahrradabstellanlagen und Ladesäulen für Pedelecs gemacht. Auch Leihsysteme für Lastenfahrräder werden untersucht. Allein aus den räumlichen Gegebenheiten heraus sind aber auch hier größere Filialen von Vorteil.
Die Versorgungssituation im 23. Stadtbezirk Allach-Untermenzing wurde im Beschluss des Ausschusses für Arbeit und Wirtschaft vom 22.7.2014 (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 00011) untersucht. Dabei konnte eine überwiegend flächendeckende, quantitativ angemessene Nahversorgung festgestellt werden. Eine deutliche Angebotskonzentration zeigte sich im Quartierszentrum am Bahnhof Allach und der Versaliusstraße, ergänzt durch einzelne Streulagen an der Eversbuschstraße. Das neue Einkaufszentrum EVER.S am Oertelplatz 13 bildet hier einen Kundenmagnet mit breiter Vielfalt für ein überregionales Einzugsgebiet. Defizite bestehen in den dünner besiedelten Bereichen im Westen von Allach und Untermenzing.
Die Gerberau, die noch vor ein paar Jahren – nicht zuletzt aufgrund ihrer städtebaulich isolierten Lage an der Stadtgrenze zu Karlsfeld – Versorgungsdefizite aufwies, verfügt seit etwa 3 Jahren über einen großflächigen Edeka Supermarkt in der Rhoda-Erdmann-Straße 11. Damit ist das Viertel mit Artikeln des täglichen Bedarfs gut versorgt. Kleine inhabergeführte Lebensmittelläden in Ergänzung dieses Angebotes bestehen nicht. Lediglich für speziellen Fahrradbedarf können die Bewohner der Gerberau das Fahrradgeschäft Köhl in der Bergetstraße 35 nutzen. Im benachbarten Karlsfeld sind Geschäfte verschiedener Discounter- und Supermarktketten ansässig wie Lidl, Aldi Süd, Penny, Edeka und Rewe. Daneben bieten mehrere Bäckereien und Metzgereien sowie der dm Drogeriemarkt eine interessante Angebotsvielfalt. Kunden aus München und dem Umland finden auf engem Raum und leicht erreichbar alles für den täglichen Bedarf. Damit besteht hier sicherlich eine Konkurrenzsituation.
Am westlichen Rand von Allach ist die Versorgungssituation auch schwierig. Hier leben zwar über 6.000 Menschen, die an sich ein ausreichendes Kundenpotential zur Ansiedlung eines Nahversorgers darstellen würden. Die Besiedlung ist aber weit auseinander gezogen. Damit könnte keine fußläufige Erreichbarkeit für alle betroffenen Bürger hergestellt werden. Mit dem öffentlichen Bus Linie 164 können aber insbesondere die Bewohner nördlich der Goteboldstraße gut zu den Angeboten am Quartierszentrum Bahnhof Allach gelangen. An kleinen inhabergeführten Geschäften steht hier nur die Metzgerei Gerhard Isele am Pasinger Heuweg 77 zur Verfügung. Mit dem integrierten Partyservice verfügt der Handwerksbe-trieb über ein zweites Standbein neben dem normalen Metzgereibetrieb und ist damit nicht nur auf Laufkundschaft angewiesen. Im benachbarten Stadtbezirk 22 Aubing-Lochhausen-Langwied, insbesondere im unmittelbar benachbarten Lochhausen stehen ein kleiner Rewe to go und das Fruchthaus Lochhausen für Besorgungen zur Verfügung. Hier ist die Attraktivität des Angebotes aus Sicht des Referates für Arbeit und Wirtschaft aber nicht ausreichend, um gegenüber den Angeboten im Quartierszentrum am Bahnhof Allach zu bestehen und Kundenströme aus Untermenzing anzuziehen.
Anders verhält es sich mit dem Handelsangebot in Gröbenzell, der unmittelbar angrenzenden Nachbargemeinde des Stadtbezirks. Mit Edeka, Rewe, Aldi, Lidl, denn´s Biomarkt und dem Kaufland Gröbenzell wird auf engem Raum, zentral und gut mit Pkw erreichbar eine breite Warenpalette angeboten, die sicher auch auf Kunden aus dem Münchner Stadtgebiet abzielt.
Um den dynamischen Veränderungsprozessen im Einzelhandel gerecht zu werden und die demografischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen richtig einschätzen zu können, wurde das Zentrenkonzept fortgeschrieben und 2019 vom Stadtrat beschlossen. Das Zentrenkonzept verfolgt weiterhin das zentrale Ziel, vielfältige Handelsangebote sowohl im Stadtzentrum selbst wie auch in den einzelnen Stadtteilen zu erhalten und weiter auszubauen. Einer quartiersbezogenen und wohnortnahen Grundversorgung kommt dabei zentrale Bedeutung zu. Es gibt Ziele der Stadtentwicklungsplanung vor und ist dem Verwaltungshandeln zugrundezulegen und in verschiedenen Handlungsfeldern umzusetzen.
Eine Evaluierung der Umsetzung von Aufträgen aus dem Zentrenkonzept hat ergeben, dass eine aktive und frühzeitige Planung zeitgemäßer und zentraler Standorte eine spürbare und räumlich sichtbare Wirksamkeit entfalten kann. Der Focus liegt dabei vor allem auf den kleineren, über die Jahrzehnte gewachsenen, zentralen Standorten, die über die Nahversorgung hinaus ein vielfältiges Angebot an Waren und Dienstleistungen anbieten und dem Quartier einen eigenen Charakter und eine Kommunikationszone bieten. Aufgrund der kleinteiligen Struktur und dem Nebeneinander unterschiedlicher Einzelhandelsbetriebe ohne gemeinsames Management wird oft nicht die erforderliche, kritische Größe erreicht, um als Handelsstandort attraktiv zu bleiben. Hier setzt die Verwaltung an und fördert zeitgemäße Ladenerweiterungen oder Umstrukturierungen von Handelsflächen durch zielgerichtete Stellungnahmen bei Baugenehmigungsverfahren und Bauleitplanverfahren. Aber auch die Neuentwicklungneuer Versorgungsstandorte, wie im Umgriff des sich in der Umsetzung befindlichen Bebauungsplans Nr. 2084 an der Federseestraße, sind auf das Zentrenkonzept zurückzuführen.
Ziel der o.g. Maßnahmen ist die Stärkung bestehender und die Ansiedlung neuer Einzelhandelseinrichtungen in der Nähe der Bevölkerung. Dadurch soll auch dem Ansiedlungsinteresse des Handels in Gewerbegebieten entgegengewirkt werden.
Das Zentrenkonzept ist aber kein geeignetes Steuerungsinstrument zur Verhinderung der Verdrängung kleinteiliger Ladengeschäfte.
Grundsätzlich wird mit dem Zentrenkonzept zwar das Ziel formuliert, in den zentralen Versorgungsbereichen eine Mischung aus Einzelhandelsbetrieben, Flächen für ergänzendes (Lebensmittel-) Handwerk und Dienstleistungsbetriebe zu erhalten, es besteht jedoch über ein solches Konzept kein Einfluss auf das Handeln der privaten Immobilieneigentümer/-innen und deren Mietpreisgestaltung. Auch den Strukturwandel, geprägt von den genannten Konzentrationsprozessen sowie der Zunahme des Online-Handels, und die damit zusammenhängende Verdrängung gerade kleinerer, inhabergeführter Fachgeschäfte kann das Zentrenkonzept nicht beeinflussen.
Ich hoffe, dass Ihr im Betreff genannter Antrag damit ausreichend beantwortet ist und als geschäftsordnungsgemäß erledigt gelten darf.