Oberbürgermeister Dieter Reiter antwortet dem Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA Bayern auf deren offenen Brief vom 13. Oktober: „Mir ist bewusst, dass die kürzlich beschlossenen Maßnahmen insbesondere auch für die Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe unserer Stadt eine erneute erhebliche Belastung darstellen. Ich darf Ihnen versichern, dass der Erlass dieser Regelungen keine leichtfertige Entscheidung darstellt. Ganz im Gegenteil ist dies ein schwieriger, aber immer zwischen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Überlegungen ausgewogener Abwägungsprozess, dem umfangreiche Beratungen im städtischen Krisenstab ‚SAE Corona‘ vorausgehen und der auf dem jeweils aktuellen epidemiologischen Lagebild unseres Gesundheitsamtes fußt. Wie viele Großstädte in Deutschland hat München ebenfalls seit einigen Tagen mit steigenden Infektionszahlen zu kämpfen. Der von der Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern festgelegte Schwellenwert von 50 Fällen pro 100.000 Einwohner in 7 Tagen ist nunmehr mehrfach deutlich überschritten worden. Damit liegt es in der Verantwortung der Stadt München, dieser Entwicklung entgegenzutreten, sie im besten Fall rückgängig zu machen oder sie wenigstens zu verzögern. Die Gesundheit der Menschen, der Erhalt der Leistungsfähigkeit unseres Gesundheitssystems und nicht zuletzt der Fortbestand des Wirtschafts- und Arbeitslebens haben jetzt oberste Priorität. Die Begrenzung des Alkoholausschanks auf 22 Uhr und die Reduzierung der Gruppengröße auf fünf Personen an den Tischen muss ich unter dieser Prämisse als zwar einschneidend und belastend, aber in der aktuellen Situation auch als notwendig und angemessen einordnen. Gegenüber einer Ausweitung der Sperrstunde wie schon in anderen Städten angewandt, ist dies meines Erachtens auch das wesentlich mildere Mittel.
Da ich aber Ihr Schreiben so verstehe, dass Sie einer Ausweitung der Sperrstunde gegenüber einem Alkoholausschankverbot den Vorzug geben, wird mit der voraussichtlichen Umsetzung des Bund-Länder-Beschlusses vom 14.10. auf dem Gebiet der Landeshauptstadt München in Kürze Ihrer Forderung entsprochen. Nach diesen einleitenden, die Ausgangssituation erläuternden Worten möchte ich gern näher auf Ihre Fragen und Anmerkungen eingehen.
Zunächst stellen Sie darauf ab, dass die Infektionsschutzmaßnahmen vornehmlich auf Ihre Branche zielen, obwohl diese laut RKI nur 0,5 % zum Infektionsgeschehen beitrage. Ich gehe davon aus, dass Sie sich bei dieser Aussage auf das 38. Epidemiologische Bulletin des RKI vom 17.09.2020 stützen. In diesem wird das Ausbruchsgeschehen ausschließlich von der 9.Kw bis zur 29.Kw und dabei auch nur 25 Prozent aller Infektionsfälle betrachtet. Richtigerweise wird auch in diesem festgestellt, dass die ‚weitaus meisten Ausbrüche im privaten Haushalt detektiert wurden, gefolgt von Ausbrüchen in Alten- und Pflegeheimen‘.
Das RKI schreibt aber auch im gleichen Bulletin: ‚Übertragungen im öffentlichen Bereich (Verkehrsmitteln, Gaststätten, Hotels) kamen, sicher auch bedingt durch die massiven Gegenmaßnahmen, vergleichsweise deutlich seltener vor.‘
Dies bedeutet, dass durch den Lockdown bis Mitte Mai das Gastro- und Hotelgewerbe schlicht und ergreifend nichts zum Infektionsgeschehen beitragen konnte. Für den darauf folgenden Zeitraum, von der langsamen Öffnung Mitte Mai bis Mitte Juli, befanden sich die Infektionszahlen unabhängig vom Infektionsumfeld auf relativ niedrigem Niveau.
Mittlerweile ist seitdem einige Zeit ins Land gegangen und die Situation hat sich leider fundamental geändert. Das zunehmende Feier- und Partygeschehen, die vermehrte Reisetätigkeit und ein oftmals sorgloserer Umgang haben den hoffnungsvollen Trend der Sommermonate zu einer kurzen Atempause degradiert. Dort wo Menschen länger, vor allem in größeren Gruppen zusammenkommen, ist die Wahrscheinlichkeit einer schnellen Virusverbreitung besonders hoch. Vermehrter Alkoholkonsum konterkariert dann schlussendlich jegliche Vorsicht. Ich denke, die daraus folgende Kausalität des am Montag im Krisenstab beschlossenen Alkoholausschankverbots ab 22 Uhr tritt hier nur allzu deutlich zutage.
Recht geben muss ich Ihnen bei dem Punkt, dass die mehrfache In- oder Außerkraftsetzung von Infektionsschutzmaßnahmen keine Planungssicherheit für die Gastronomen und Hoteliers schafft. Planungssicherheit ist zweifelsohne eine wesentliche Stütze wirtschaftlichen Handelns. Allerdings ist dies dem dynamischen Infektionsgeschehen und dem Gedanken geschuldet, dass bei besseren Inzidenzwerten auch wieder Lockerungen eintreten dürfen. Ihrem Anliegen wurde nun insofern Rechnung getragen, dass die Maßnahmen und Regelungen zukünftig nicht nur eine Woche sondern länger Bestand haben sollen. Danach erfolgt eine erneute Bewertung des Infektionsgeschehens. Die aktuelle Dynamik ließ leider längere Zeiträume bisher nicht zu. Außerdem ist es sicherlich nicht nur im Interesse der DEHOGA, dass bei wiederum sinkenden Inzidenzwerten daran angepasst zeitnah Lockerungen zugelassen werden.
Im Gegensatz dazu möchte ich dem Vorwurf entgegentreten, die Landeshauptstadt München informiere nicht in ausreichendem Maße die Münchnerinnen und Münchner sowie die ansässige Wirtschaft. Jeden Tag werden die aktuellen Infektionszahlen mittels Pressemitteilung bekanntgegeben und zeitgleich auf www.muenchen.de veröffentlicht. Verschärfungen der Maßnahmen oder etwaige beschlossene Lockerungen werden auf gleichem Wege, unmittelbar nach Beschlussfassung des Krisenstabs, bekannt gemacht und erläutert.
Regionale und überregionale Medien greifen dann diese Meldungen zuverlässig auf und tragen sie in die Bevölkerung hinein. Ich bitte Sie um Verständnis, dass eine Aufnahme der tausenden Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe in den Presseverteiler der Landeshauptstadt München organisatorisch nicht möglich ist.
In gleichem Maße erfolgt den besonderen Umständen Rechnung tragend eine Information des Stadtrates. In regelmäßigen Abständen werden die Fraktionsspitzen mittels Videokonferenzen über das aktuelle Lagebild informiert. Darüber hinaus sind die Corona-Pandemie und Ihre Auswirkungen immer wieder thematischer Bestandteil der Stadtratsausschüsse.
Der Krisenstab selbst bündelt als geeignetes Gremium die Expertise aller verantwortlichen städtischen Referate und externer Unterstützungselemente wie Polizei oder Bundeswehr. Hier kann die Lage tagesaktuell besprochen und Entscheidungen aus einem Guss getroffen werden Die zweite Bürgermeisterin Frau Habenschaden als auch die dritte Bürgermeisterin Frau Dietl sind ebenfalls Mitglieder des Krisenstabs.
Keiner hat sich diesen Zustand freiwillig ausgesucht und erträgt die Einschränkungen mit Leichtigkeit – Nicht die Landeshauptstadt München, nicht die Münchnerinnen und Münchner, nicht die Münchner Wirtschaft in ihrer Gesamtheit und sicherlich auch nicht die vielen Gastronomie- und Hotelbetriebe sowie deren Gäste. Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Auswirkungen gestalten sich zu einer seit langem nie dagewesenen Kraft- und Belastungsprobe für Jedermann. Insofern richte ich auch an Sie einen Appell:
Bitte haben Sie Vertrauen in die Wirk- und Arbeitsweise der städtischen Behörden sowie Institutionen und damit auch des Krisenstabs. Uns ist sehr wohl bewusst, dass München auf eine lebendige Wirtshauskultur und eine vielfältige Hotellandschaft angewiesen ist. Dieses Gewerbe hat das Bild von München in der Welt entscheidend mitgeprägt und soll es auch noch in Zukunft tun. Dies im Blick wird jede Maßnahme oder Regelung immer mit Augenmaß geprüft und gegenüber dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung sorgfältig abgewogen. München ist gut vorbereitet, doch bitte erwarten Sie von mir keine Untätigkeit im Angesicht der Wucht, die diese Pandemie gerade wieder zu entfalten beginnt.“