Die Landeshauptstadt München vergibt jährlich Stipendien für herausragende künstlerische Vorhaben von Kunstschaffenden am Beginn der Professionalität. Mit den diesjährigen Stipendien für Bildende Kunst und Musik werden im Bereich Bildende Kunst Samuel Fischer-Glaser und Angela Stiegler, Laura Leppert, Anna M Pascó Boltà und Viola Relle und Raphael Weilguni ausgezeichnet. Jeweils ein Musikstipendium erhalten Carlos Cipa, Ludwig Himpsl, June Young Will Kim und Adrian Pereyra und Ruben Mattia Santorsa. Desweiteren wird jeweils ein Leonhard und Ida Wolf-Gedächtnispreis zur Auszeichnung von Nachwuchskünstlerinnen und Nachwuchskünstlern in Höhe von 3.000 Euro im Bereich Bildende Kunst Lena Grossmann und im Bereich Musik Fiona Grond verliehen.
Aus den Jurybegründungen (Auszug)
Stipendien für Bildende Kunst
Das Projekt „Schmarotzerbrücke“ von Samuel Fischer-Glaser und Angela Stiegler stellt ein transformatives künstlerisches Experiment dar, mit dem Anliegen, Sichtbarkeit für soziale und kulturelle Vielfalt zu schaffen und gleichzeitig die kritische Auseinandersetzung mit dem Namensgeber der Hilblestraße und den Diskurs deren Umbenennung voran zu treiben.
Die Umbenennung der Hilblestraße in München/Neuhausen und der Umgang mit belasteten Straßennamen im Allgemeinen wird derzeit stark diskutiert. Der Name „Schmarotzerbrücke“ ist eine Anspielung auf den Namensgeber der Straße Friedrich Hilble. Während des NS-Regimes war er als städtischer Verwaltungsbeamter und berufsmäßiger Stadtrat, der Ideologie des Dritten Reiches folgend, wesentlich daran beteiligt sogenannte „Asoziale und Schmarotzer“ deportieren und zu Zwangsarbeit verpflichten zu lassen.
Mit ihrem Projekt „Possession. An underground Panorama“ widmet sich Laura Leppert der „Vielstimmigkeit“ des Bodens. Die Medieninstallation setzt sich mit der in der Erde abgelagerten Geschichte auseinander sowie mit dem Abbau der dort enthaltenen Rohstoffe durch den Menschen. Indem Laura Leppert Fragen nach einem neuen Verhältnis des Menschen zum Boden jenseits von Unterwerfung und Ausbeutung aufwirft, berührt sie eine der wesentlichen unsere Zeit bestimmenden Diskussionen und bietet zugleich einen positiven Ausblick auf eine postapokalyptische Zeit.
Im vorliegenden Projekt „ZENZ(A)I“ von Anna M. Pascó Boltà soll eine künstliche Intelligenz (KI) anhand von eingespeisten Wetterdaten und bekannten Bauernregeln neue Bauernregeln schaffen. Diese neuen, durch KI entwickelten Regeln sollen das aktuelle Wetter interpretieren, aber auch zukünftige Wetterlagen vorhersagen können. Bewusst soll dabei der Faktor „Kreativität“ in die Programmierung integriert werden. Eine Fähigkeit, die bislang Mensch und Maschine unterscheidet. Anna M. Pascó Boltà überzeugt durch ihre visuell zurückhaltende und gleichermaßen prägnante künstlerische Sprache.
Das Künstlerpaar Viola Relle und Raphael Weilguni hat in den letzten Jahren seine skulpturale Praxis mit den Materialen Keramik und Porzellan konsequent verfolgt und die Szene mit abstrakten, organisch und gleichzeitig widerständig wirkenden Skulpturen bereichert. Mit dem Stipendium soll der Bau eines holzbefeuerten Keramikofens (inklusive Soundelement) ermöglicht werden. Von der Realisierung sollen auch andere Künstlerinnen und Künstler profitieren. Die Auseinandersetzung mit dem jahrtausende alten Wissen und Handwerk stellt sowohl eine Recherche zur Tradition der Keramik als auch ein künstlerisches und soziales Erlebnis dar und bereichert zudem die lokalen Strukturen des Münchner Stadtraums.
Stipendien für Musik
Der junge Komponist und Pianist Carlos Cipa erhält ein Musikstipendium für ein neues Projekt, das er im Trio mit Martin Brugger (E-Bass) und Simon Popp (Schlagzeug) entwickelt. Cipa verweigert sich durch seine musikalische Vielseitigkeit konsequent einer Zuordnung in gängige Schubladen und lässt eine ganze Bandbreite von Genres – von Neuer Musik über Jazz, Pop, Filmmusik, Ambient und Minimal Musik – in seine Arbeiten einfließen. Ein fein ausbalanciertes Verhältnis zwischen Improvisation und Komposition und eine große Vielfalt an Klangfarben sind seine Spezialität, die sich auch in der neuen Triobesetzung als ganz eigene, faszinierende Klangsprache voll entfalten wird.
Für ein neues Duo-Projekt wird der Perkussionist, Schlagzeuger und Hornist Ludwig Himpsl ausgezeichnet. Als Mitglied der „Unterbiberger Hofmusik“ hat er die Weltmusik seit frühester Jugend erlebt, praktiziert und gelernt, die traditionelle bayerische Volksmusik respektvoll und originell mit anderen regionalen Stilen und Genres zu verbinden. An der Seite von hochkarätigen Musikgrößen entstehen dabei spannende musikalische Begegnungen, die auch sein neues Duo-Projekt mit sechs verschiedenen Partnern, unter anderem dem bayerischen Multi-Instrumentalisten Stefan Straubinger, der Leiterin der Fusionband „Embryo“ Marja Burchard, dem „Bavaschôro“-Gitarristen Henrique Rebouças, oder dem afrikanischen Sänger und Perkussionisten Njamy Sitson, prägen.
Der junge koreanische Komponist June Young Kim setzt sich in seiner neuen interdisziplinären Arbeit mit der Beziehung von Malerei und Musik und deren gegenseitiger Beeinflussung in Echtzeit auseinander. Er komponiert im wahrsten Sinne des Wortes ein Werk für verstärkte Leinwand, Bewegungssensor, die interaktive Software Max/MSP und 6-köpfiges Kammerensemble (Flöte, Klarinette, Violine, Violoncello, Piano und Schlagzeug). Dabei experimentiert er mit einem Bewegungssensor am Handgelenk eines Performers, einer verstärkten Leinwand mit verankerten Fußpedalen und der Verwandlung der Geräusche, die aus dem Malen auf Leinwand stammen. Aus dieser hoch komplexen Konfiguration entsteht so eine staunenswert neue Arbeit.
Ein Musikstipendium erhält außerdem das Gitarren-Duo Adrian Pereyra und Ruben Mattia Santorsa, die in ihrem Projektansatz die drängende Suche nach Neuem im Zusammenspiel mit neuen Medien und die enge künstlerische Auseinandersetzung mit neuen Stücken anhand eines mehrstufigen Arbeitsprozesses formulieren. Um klang- und spieltechnische Weiterentwicklungen zu ermöglichen, vergeben sie Kompositionsaufträge an Samir Amarouch, Mauro Hertig, Mark Barden und Achim Bornhöft und erarbeiten im engen Dialog mit ihnen und im Zusammenspiel von Nähe und Distanz auf der Basis eines experimentellen, improvisatorischen Ansatzes neue Werke für E-Gitarren und Live-Elektronik, die das Repertoire für dieses Instrument nachhaltig beeinflussen werden.
Leonhard und Ida Wolf-Gedächtnispreis für Bildende Kunst
Lena Grossmann verbindet in ihrer künstlerischen Arbeit beide Professionen: die der Bildenden Künstlerin und der Choreographin.
In ihren Projekten, in denen sie sich ebenso analytisch wie praktisch mit Bewegungsabläufen im Tanz auseinandersetzt, untersucht sie das Verhältnis von Körper und Raum, und schafft dafür neue Körper- Form- und Bildsprachen. In unterschiedlichen Formaten und mit dem Einsatz verschiedener Medien schafft Grossman jeweils präzise künstlerische Werke und Räume, die die Prinzipien des unmittelbaren Erlebens und der situative Erfahrung ins Zentrum stellen und Verhaltensmuster und Bewegungsabläufe neu wahrnehmen lassen.
Leonhard und Ida Wolf-Gedächtnispreis für Musik
Einen Leonhard und Ida Wolf-Gedächtnispreis für Musik erhält in diesem Jahr die an der Münchner Hochschule für Musik und Theater ausgebildete Sängerin Fiona Grond, die mit ihrer wandelbaren, immer präzisen Stimme in ihren Eigenkompositionen alle möglichen Genres verbindet und mit ihrer Vielseitigkeit bereits in unterschiedlichen Ensembles, unter anderem der Jazzrausch Big Band reüssiert. Mit „Interspaces“, ihrem Trio mit dem Saxofonisten Moritz Stahl und dem Gitarristen Philipp Schiepek, die zu den größten Talenten der deutschen Jazz-Szene gehören, wagt sie sich von klassischem Modern Jazz bis in elektronische Experimente. Das junge Trio hat bereits einen eigenen Ton gefunden und überzeugt durch eine bemerkenswerte Reife.
Informationen zum Preis und ausführliche Jurybegründungen unter www.muenchen.de/kulturfoerderung.
(Siehe auch unter Terminhinweise)