Wie können die neuen Regelungen des Freistaats in den Münchner KiTas umgesetzt werden?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Anja Berger, Mona Fuchs, Dr. Hannah Gerstenkorn, Nimet Gökmenoglu, Sofie Langmeier, Marion Lüttig, Clara Nitsche und Sebastian Weisenburger (Fraktion Die Grünen – Rosa Liste) vom 16.6.2020
Antwort Stadtschulrätin Beatrix Zurek:
Auf Ihre Anfrage vom 16.6.2020 nehme ich Bezug.
Sie haben Ihrer Anfrage folgenden Text vorausgeschickt:
„Ab dem 15. Juni 2020 dürfen wieder deutlich mehr Kinder die Krippen, Kindergärten und Häuser für Kinder in München besuchen. Ab dem 1. Juli sollen alle Einrichtungen in einen de facto Vollbetrieb zurückkehren. Worauf die einen seit langer Zeit sehnsüchtig gewartet haben, stellt die anderen jedoch vor große Probleme: Wie in der Süddeutschen Zeitung zu lesen ist, berichten viele Einrichtungen von räumlichen und personellen Engpässen, aufgrund derer sie die neuen Regelungen des Freistaats nicht vollumfänglich umsetzen können. Das Ergebnis sind Modelle, bei denen die Kinder nur stundenweise oder nur an einzelnen Wochentagen die Einrichtungen besuchen dürfen. Zudem kann ein Früh- oder Spätdienst oftmals nicht oder nur teilweise gewährleistet werden. Die Leidtragenden sind vor allem die Kinder und Familien, die sich wieder auf eine geregelte Bildungs- und Betreuungssituation eingestellt haben. Aber die Lage ist auch für die Einrichtungen selbst problematisch, die ihr Bestmögliches tun, um alle Kinder wieder aufzunehmen, die Rahmenbedingungen jedoch nicht erfüllen können und vom Freistaat in diesem Dilemma allein gelassen werden. Für viele Familien, die sich darauf eingestellt haben, ab dem 1. Juli ihre Kinder wieder in einer Einrichtung betreut zu wissen, kann dies unangenehme Folgen haben. Wenn die Einrichtung nur eine eingeschränkte Betreuung ermöglicht, können Arbeitnehmerinnen und Arbeiter auch nicht voll zurück in den Job. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wäre somit weiterhin nicht gewährleistet. Viele Arbeitgeberinnen und Arbeiter jedoch gehen fest davon aus, dass sie ihre Angestellten ab dem 1. Juli wieder wie gewohnt einsetzen können.“
Zunächst möchte ich Ihnen zur aktuellen Situation Folgendes mitteilen:
Für den Bereich der Kindertageseinrichtungen trat mit Beginn des neuen Betreuungsjahres 2020/2021 ab dem 1.9.2020 der aktualisierte Rahmenhy-gieneplan Corona für die Kindertagesbetreuung des Freistaats Bayern in Kraft.
Hierin ist grundsätzlich vorgesehen, dass die zu treffenden Maßnahmen jeweils am lokalen bzw. regionalen Infektionsgeschehen auszurichten sind und von der örtlich zuständigen unterer Gesundheitsbehörde, in München dem Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU), veranlasst werden. Ein maßgeblicher Wert zur Beurteilung des Infektionsgeschehens ist die Sieben-Tages-Inzidenz. Diese sagt aus, wie viele Menschen pro 100.000 Einwohner sich in den letzten sieben Tagen neu angesteckt haben. Das RGU meldet die tagesaktuellen Fallzahlen an das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), wo die Inzidenz täglich neu berechnet und veröffentlicht wird.
Sofern die Zahl der Neuinfektionen auf einem niedrigen Niveau sind, kann der Regelbetrieb wieder aufgenommen werden. Der Kita-Betrieb soll so weit wie möglich in gewohnter Art und Weise laufen unter Berücksichtigung der Vorgaben des Rahmen-Hygieneplans. Ein erneuter Anstieg des Infektionsgeschehens oder andere Coronabedingte Veränderungen der Rahmenbedingungen, wie z.B. neue wissenschaftliche Erkenntnisse, können dazu führen, dass erneut Einschränkungen erforderlich werden.
Bei steigenden Infektionszahlen kann ein erneutes Herunterfahren der Kindertagesbetreuung erforderlich werden. Der Maßnahmenplan hierfür wird analog der Vorgaben des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege (StMGP) in eine grüne Phase 1, eine gelbe Phase 2 und eine rote Phase 3 eingeteilt.
Grüne Phase 1: Regelbetrieb
Der Kita-Betrieb läuft so weit wie möglich in gewohnter Art und Weise. Alle Kinder werden zu den gebuchten Zeiten betreut. Die Hygieneregeln sind zu beachten.
Gelbe Phase 2: Eingeschränkter Betrieb
Die gelbe Phase tritt in der Regel ein, wenn die Inzidenzrate den Wert von 35/100.000 Einw. überschreitet. Es ist vorgesehen, dass weiterhin möglichst alle Kinder im Regelbetrieb gleichzeitig betreut werden können, aber unter bestimmten Auflagen. Beispielsweise sind dann feste Gruppen zu bilden, offene Hauskonzeptionen werden somit eingeschränkt.
Rote Phase 3: Eingeschränkte NotbetreuungSollte sich das Infektionsgeschehen weiter verschlechtern und die Inzidenzrate auf größer 50/100.000 Einwohnerinnen und Einwohner ansteigen, gilt regelhaft die rote Phase 3. In dieser Phase ist eine Notbetreuung vorgesehen.
Es wird ausdrücklich darauf hinweisen, dass eine 7-Tagesinzidenz von 50 kein automatisches Ausrufen der Phase drei (rote Phase) auslöst, sondern dass die örtliche Gesundheitsbehörde immer im Hinblick auf das konkrete Infektionsgeschehen in München entscheidet.
Allen Beteiligten ist bewusst, dass coronabedingte Einschränkungen für die Kinder, Eltern und die Betreuungseinrichtungen in München erneut eine große Herausforderung darstellen. Bei all den Entscheidungen werden neben dem Infektionsgeschehen auch die Interessen und Rechte der Kinder, Eltern und Beschäftigten mit berücksichtigt.
Zu den von Ihnen gestellten Fragen kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Frage 1:
Wie viele Münchner Einrichtungen – aufgegliedert in die Trägerarten Städtisch/Freie Träger/EKIs/Privat – können ab dem 1. Juli 2020 nicht alle Kinder wieder im vollem Umfang betreuen?
Antwort:
Seit dem 1. Juli 2020 arbeiten alle Kindertageseinrichtungen im sog. eingeschränkten Regelbetrieb. Die Betretungsverbote betreffen nun nur noch Kinder und Personal mit Krankheitssymptomen, Personen, die in Kontakt zu einer infizierten Person stehen bzw. seit dem Kontakt noch nicht 14 Tage vergangen sind oder einer sonstigen Quarantänemaßnahme unterliegen.
Insgesamt ist der eingeschränkte Regelbetrieb bei Einhaltung von festen Gruppen und den Regelungen zu Hygiene und Abstand organisatorisch wie personell für die Träger, seine Einrichtungsleitungen und Teams eine große Herausforderung:
Die Bildung fester Gruppen ist personalintensiver als der Normalbetrieb. In vielen Situationen ist außerdem zusätzlich weitere Aufsicht erforderlich, z.B. beim Lüften, in der Bring- und Abholsituation, bei der zeitversetzten Nutzung von Mehrzweckräumen und Sanitärräumen, in der Essenssituation u.ä. Zudem ist die Zusammenlegung der Gruppen in den Randzeiten nur noch eingeschränkt möglich. Demgegenüber gibt es viele Beschäftigte, die einer Risikogruppe angehören, ärztliche Atteste vorlegen und deshalbnicht mehr im Kinderdienst, sondern vorrangig an anderen Dienststellen der Stadtverwaltung eingesetzt werden. Auch haben die Beschäftigten zusätzliche tägliche Dokumentationspflichten zur Nachverfolgung möglicher Infektionsketten. Darüber hinaus können pädagogische Aspekte, wie z.B. die Öffnung der Häuser für die Kinder, unter den aktuellen Rahmenvorgaben nicht umgesetzt werden. Dies schränkt die Kinder und Teams ein.
In den Einrichtungen ist derzeit die Anzahl der Kinder reduziert, da die Kinder bei akuten Krankheitssymptomen die Einrichtung nicht besuchen dürfen. Zudem gibt es Eltern, die ihre Kinder noch nicht wieder in die Kindertageseinrichtungen bringen.
Wie viele der ca. 1.000 Einrichtungen in freier Trägerschaft (darunter 240 Eltern-Kind-Initiativen) aktuell aufgrund von Personalmangel seit dem 1. Juli nicht alle Kinder wieder in vollem Umfang betreuen können, kann ohne Abfrage der Trägerlandschaft (539 Träger) nicht beurteilt werden.
Frage 2:
Welche Einschränkungen (z.B. nur eingeschränkte Buchungszeiten, kein Früh/Spät-Dienst etc.) liegen in den meisten Fällen vor?
Antwort:
Es ist noch nicht absehbar, ob im eingeschränkten Regelbetrieb dauerhaft und auch im neuen Kindertageseinrichtungsjahr ab September die üblichen Buchungs- und Öffnungszeiten in gewohnter Form gewährleistet werden können. Wo möglich, werden mit den Eltern einvernehmlich Lösungen gesucht.
Da ein Großteil der Einrichtungen Personalmangel zu verzeichnen hat, führt dieser leider immer wieder dazu, dass der Betrieb nur mit eingeschränkten Buchungszeiten ausgeführt und somit nicht wie gewohnt der Früh-/Spätdienst angeboten werden kann. Sowohl aus förderrechtlichen, aber auch aus haftungsrechtlichen Gründen muss der Personal-Kind-Schlüssel eingehalten werden.
Frage 3:
Welche Probleme (Räume/Personal/Hygieneregeln etc.) sind ursächlich für die Einschränkungen?
Antwort:
Die Einrichtungen haben nicht genügend Räume und Personal, um alle Kinder in Kleingruppen zu betreuen. Die Pädagogik der Einrichtungen ist inder Regel auch nicht auf die Einhaltung fester Gruppen ausgerichtet. Dazu kommt, dass ein Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Coronazusammenhang aufgrund ärztlicher Atteste nicht mehr in der Kindertageseinrichtung eingesetzt werden kann.
Frage 4:
Welche Hilfen können Einrichtungen und Familien von Seiten des Frei- staats erwarten, wenn Einrichtungen nicht komplett öffnen können?
Antwort:
Seit dem 1. Juli 2020 arbeiten die Kindertageseinrichtungen im eingeschränkten Regelbetrieb. Betretungsverbote gelten nur noch für Kinder und Personal mit Krankheitssymptomen oder Auflagen zur Quarantäne. Die Förderung der Kindertageseinrichtungen erfolgt seither wieder gemäß Kinderzahl und Buchungszeiten laut KiBiG.web. Corona-bedingte (Teil-) Schließungen der Einrichtungen durch das Gesundheitsamt führen jedoch zu keinen förderrechtlichen Einbußen der Träger.
Die neue Vorschrift des § 56 Abs. 1a Infektionsschutzgesetz gewährt einer erwerbstätigen Person, die ihr Kind infolge der behördlichen Schließung oder eines Betretungsverbots von Betreuungseinrichtungen (Kindertageseinrichtung und Schule sowie Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen) selbst beaufsichtigen, betreuen oder pflegen muss und deshalb einen Verdienstausfall erleidet, einen Entschädigungsanspruch.
Um Familien mit kleinen Einkommen zu unterstützen, hat bspw. das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) den „Notfall-Kinderzuschlag“ eingeführt. Damit wird der Zugang zum Kinderzuschlag erleichtert. Mehr Informationen gibt es auf der Internetseite des BMFSFJ.
Die Einrichtungen und Träger wurden vom Referat für Bildung und Sport (RBS) unterstützt, indem frühzeitig informiert wurde, dass während der Coronakrise die Förderung fortgeführt wird. Zudem sind alle Informationen, die das RBS erlangen konnte, unverzüglich weitergeleitet und die Interessen der Träger gegenüber dem Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales (StMAS) vertreten worden. Schließlich stand und steht der Geschäftsbereich KITA immer für Fragen und zur Unterstützung bereit. Die städtischen Kindertageseinrichtungen wurden zusätzlich mit stetig aktualisierten FAQs unterstützt, die den Einrichtungsleitungen den notwendigen Rahmen und die Rückendeckung bieten.
Frage 5:
Könnten sich diese Einschränkungen für die Träger als förderschädlich erweisen?
Antwort:
Eine Förderschädlichkeit ist derzeit nicht erkennbar. Eine hohe Zahl an Erkrankungen und Ausfällen beim pädagogischen Personal könnte aber unter Umständen zu monatsweisen Kürzungen der Fördersumme führen, wenn der durchschnittliche Jahresanstellungsschlüssel bzw. die Fachkraftquote nicht eingehalten wird.
Frage 6:
Ist das Referat für Bildung und Sport schon auf das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales zugegangen und hat um Konkretisierungen der neuen Regelungen gebeten, um die Einrichtungen damit zu unterstützen?
Antwort:
Das Referat für Bildung und Sport steht im ständigen Austausch mit den Staatsministerien und weist regelmäßig auf die Herausforderungen in der Praxis hin. Darüber hinaus ist das RBS am sog. Expertentisch des StMAS beteiligt, der bisher drei Mal getagt hat.