Artenvielfalt auch in München V Ein Jahr Volksbegehren Rettet die Bienen! – Mulchverbot auf städtischen Flächen Artenvielfalt auch in München IX Ein Jahr Volksbegehren Rettet die Bienen! – Mähkonzepte auf alle städtischen Grünflächen ausdehnen
Anträge Stadtrats-Mitglieder Sonja Haider, Tobias Ruff und Johann Sauerer (ÖDP) vom 11.2.2020
Biologische Vielfalt stärken!
Antrag Stadtrats-Mitglieder Anja Berger, Paul Bickelbacher und Sabine Krieger (Fraktion Die Grünen – Rosa Liste) vom 12.2.2020
Antwort Baureferat:
Da Ihre o.g. Stadtratsanträge thematische Überschneidungen aufweisen, erlauben wir uns diese mit einem gemeinsamen Antwortschreiben zu beantworten.
Die aufgrund erforderlicher Abstimmungen entstandene Fristüberschreitung bitten wir zu entschuldigen.
Die ÖDP hat am 11.2.2020 Folgendes beantragt:
„Auf sämtlichen Rasen- und Wiesenflächen im Verantwortungsbereich der LH München kommen keine Mulchgeräte mehr zum Einsatz.“ und „Für sämtliche Rasen- und Wiesenflächen im Verantwortungsbereich der LH München, insbesondere auch für vom Baureferat bewirtschaftetes Straßenbegleitgrün, werden Mähkonzepte erstellt und zur Anwendung gebracht.“
Die Fraktion Die Grünen – Rosa Liste beantragte am 12.2.2020 Folgendes: „Die Verwaltung wird aufgefordert, auf offenen Baumbereichen wie z.B. in der Tengstraße Wildblumen anzusäen und die Fläche mit einem Parkschutz zu versehen.“
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihres Antrages betrifft jedoch eine laufende Angelegenheit i.S. von Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO und § 22 GeschO, deren Erledigung dem Oberbürgermeister obliegt. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.Zu Ihren Anträgen vom 11.2.2020 und 12.2.2020 teilen wir Ihnen aber Folgendes mit:
Öffentlichen Grünanlagen kommt in einer hochverdichteten Großstadt neben ihrer ökologischen und klimatischen Funktion eine vorrangige Erholungs- und Freizeitfunktion für unterschiedliche Nutzungsgruppen zu. Trotz ihrer zentralen Funktion als Erholungsflächen für die Stadtgesellschaft beherbergen öffentliche Grünanlagen aber auch wichtige Lebensräume für zahlreiche wildlebende Tiere und stellen einen großen Teil an naturschutzfachlich bedeutenden Flächen dar. In München dienen etwa 35% der Grünflächen in öffentlichen Grünanlagen der intensiven Freizeit- und Erholungsnutzung, 45% der Flächen bestehen aus Gehölzflächen (30% Bäume und Sträucher) und artenreichen Wiesen (15%). Mit der praktizierten Flächenaufteilung kann ein Strukturreichtum zur Förderung der Artenvielfalt und zugleich die erforderliche Erholungs- und Freizeitnutzung gewährleistet werden.
Entsprechend dem Leitbild der von der Vollversammlung des Stadtrates am 19.12.2018 beschlossenen „Biodiversitätsstrategie München“ (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 13218) werden die Grünflächen in den städtischen Grünanlagen und Parks vom Baureferat unter Berücksichtigung der Nutzungsintensität so naturnah wie möglich angelegt und gepflegt. Die „Biodiversitätsstrategie München“ stellt im Handlungsfeld 10 („Biodiversität im öffentlichen Grün“) insbesondere darauf ab, dass auf Flächen mit geringer Nutzungsintensität innerhalb öffentlicher Grünflächen alle Potenziale genutzt werden sollten, um den Anteil an naturnahen Wiesen weiter zu erhöhen. Dort wird vom Baureferat in enger Abstimmung mit den Bezirksausschüssen kontinuierlich überprüft, ob eine Reduktion der Mahdhäufigkeit möglich ist. Auf diese Weise stehen heute in den öffentlichen Grünanlagen und Ausgleichsflächen rund 700 ha arten- und blütenreiche Langgraswiesen als Habitate für Insekten und andere Lebewesen zur Verfügung.
Die in städtischen Grünanlagen eingesetzte Mähtechnik ist im Wesentlichen durch die Nutzungsart und -intensität der jeweiligen Flächen bestimmt: Um die Bespielbarkeit zu gewährleisten, müssen Spiel- und Liegewiesen in den Parks und Grünanlagen mehrmals jährlich gemäht werden. Dabei wird das Schnittgut in der Regel mit Hilfe von Sichelmähern zerkleinert und verbleibt auf den Flächen als natürlicher Dünger. Nur auf diese Weise kann der auf diesen Flächen erforderliche strapazierfähige Rasen mit dichter Grasnarbe geschaffen bzw. erhalten und auf künstliche Düngung verzichtet werden. Demgegenüber erfolgt auf Langgras- oder Blumenwiesen in der Regel die Mahd mit einer Balkenmähmaschine; im Anschluss daran wird das Mähgut aufgenommen und abtransportiert. Dieshat gleichzeitig einen Nährstoffentzug zur Folge, der die Dominanz von Gräsern zu Gunsten von krautigen Blütenpflanzen zurückdrängt.
Die Grünlandflächen der Stadtgüter München werden zur Grünfuttergewinnung sowie zur Silage- und Heubereitung genutzt. Im Zuge dieser Bewirtschaftung werden von den Stadtgütern München keine Mulcharbeiten auf den Flächen durchgeführt. Das als Weide genutzte Grünland wird bei Bedarf und im Rahmen der guten fachlichen Praxis zur Pflege gemulcht. Hierbei sollen vor allem sogenannte Geilstellen, punktuell verteilte Stellen mit starkem Aufwuchs, der durch Kot und Harn der Weidetiere verursacht wird, aufgelöst werden. Desweiteren werden von den Tieren gemiedene giftige Pflanzen an ihrer Ausbreitung gehindert sowie eine Verbuschung durch heranwachsende Sträucher verhindert. Diese Maßnahmen dienen dem Erhalt der Weideflächen und dem Schutz der dort gehaltenen Tiere.
Vor dem Hintergrund der fortschreitenden Abnahme der Strukturvielfalt der Landschaft in Deutschland gewinnt die ökologischen Aufwertung des Straßenbegleitgrüns eine immer höhere Bedeutung. Mit dem Ziel, die Artenvielfalt zu fördern, wurde am 17.7.2019 infolge des Volksbegehrens „Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern – Rettet die Bienen!“ das Zweite Gesetz zugunsten der Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern (Gesamtgesellschaftliches Artenschutzgesetz – Versöhnungsgesetz) beschlossen. Der Berücksichtigung naturschutzfachlicher Ziele bei der Anlage und der Unterhaltung des Straßenbegleitgrüns wurde in diesem Zuge durch die Ergänzung des Artikels 30 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes um folgenden neuen Absatz 2 ein wesentlich stärkeres Gewicht als bisher eingeräumt:
„(2) Begrünte Teile der Trenn-, Seiten-, Rand- und Sicherheitsstreifen, Böschungen und sonstige straßenbegleitende Grundstücksteile (Straßenbegleitflächen) sind bei Staatsstraßen mit dem Ziel zu bewirtschaften, die Luftreinhaltung, die Artenvielfalt und den Biotopverbund zu fördern. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeit und vorbehaltlich der Verkehrssicherheit sollen bei Staatsstraßen die Straßenbegleitflächen als Magergrünland bewirtschaftet und Lärmschutzanlagen begrünt werden. Den Landkreisen und Gemeinden wird empfohlen, bei Kreis- und Gemeindestraßen entsprechend zu verfahren.“
Häufigkeit, Zeitpunkt und Arbeitsverfahren, also die Art der Pflege, beeinflussen die Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren des Straßenbegleitgrüns. Bereits in der Vergangenheit hat das Baureferat im Straßenbegleitgrün auf geeigneten, größeren zusammenhängenden Flächen wie z.B. an der Willy-Brandt-Allee, Magerstandorte mit artenreichen Wildblumen
wiesen entwickelt. Die Entwicklung von bestehenden Rasenflächen hin zu artenreichen Wildblumenwiesen erfolgte dabei durch eine Reduzierung der Mahd auf ein- bis dreimal jährlich mit Schnittgutaufnahme und ggf. durch eine zusätzliche sogenannte Impfung der Flächen mittels Aufreißens der Grasnarbe und Einbringung entsprechenden Saatgutes. Dabei hat sich gezeigt, dass eine artenreiche Wildblumenwiese nur auf gut besonnten Flächen entstehen kann. Das Aufreißen der Grasnarbe und die Impfung mit Saatgut ist in Baumwurzelbereichen nicht möglich.
Der Großteil des innerstädtischen Straßenbegleitgrüns in München bietet wegen der Bepflanzung mit Bäumen, der dadurch resultierenden Durchwurzelung des Bodens sowie der Verschattung durch Bäume und durch anliegende Gebäude nicht die notwendigen Voraussetzungen für die Entwicklung von artenreichen Wildblumenwiesen. Allerdings könnten bei extensiver Mahd mit Mähgutaufnahme im Straßenbegleitgrün Langgraswiesen als Magergrünland entstehen, welche zwar nicht die gleiche ökologische Wirkung erzielen wie artenreiche Wildblumenwiesen, jedoch im Vergleich zu mehrfach gemähten, kurzen Rasenflächen unter ökologischen Gesichtspunkten eine wesentliche Verbesserung als Habitate für Insekten und Kleinlebewesen darstellen können.
Das Straßenbegleitgrün ist kraft Gesetzes ein Bestandteil der Straße. Die Art der Pflege des Straßenbegleitgrüns muss daher neben ökologischen Zielen immer auch weitere Aspekte zwingend berücksichtigen. Zu nennen sind hier insbesondere die Sicherstellung der Funktion des Straßenbegleitgrüns für die Straße, die Verkehrssicherheit, die Wirtschaftlichkeit sowie die Arbeitssicherheit für die Beschäftigten. Alle diese Aspekte sind bei der Entwicklung und Konzeptionierung von Pflege- und Unterhaltsmaßnahmen des Straßenbegleitgrüns in Einklang zu bringen. Aus Verkehrssicherungsgründen sind beispielsweise notwendige Sichtbeziehungen unter den Verkehrsteilnehmern sicherzustellen oder bei Starkregenereignissen ist zu verhindern, dass Langgras auf die Fahrbahnen kippt. Sowohl zur Reduzierung des Gefahrenpotenzials bei der Durchführung von Pflegearbeiten für Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer und Betriebspersonal als auch aus wirtschaftlichen Gründen sollten diese vorrangig maschinell und mit möglichst wenig Arbeitsschritten durchgeführt werden.
Das Baureferat beabsichtigt, die Entwicklung und Pflege von Langgraswiesen im innerstädtischen Straßenbegleitgrün im kommenden Jahr zu erproben. Da bestehende Verträge zur Pflege des Straßenbegleitgrüns im Stadtbezirk Schwabing-West kommendes Jahr auslaufen, sollen dortunterschiedliche Pflege- und Mähmethoden im Rahmen eines Pilotversuches erprobt werden, um die notwendigen Erkenntnisse betreffend Mähhäufigkeit, ökologischer Wirksamkeit und Kosten zu gewinnen. Die Erprobung erfolgt in enger Abstimmung mit dem örtlichen Bezirksausschuss. Abhängig vom Ergebnis beabsichtigt das Baureferat, ein entsprechendes Mähkonzept für das gesamte Straßenbegleitgrün dann stadtweit weiterzuentwickeln.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Anträge damit abschließend behandelt sind.