Freiflächen Kindertagesstätten
Antrag Stadtrats-Mitglieder Kathrin Abele, Verena Dietl, Haimo Liebich, Christian Müller, Cumali Naz, Alexander Reissl, Heide Rieke, Julia Schönfeld-Knor und Birgit Volk (SPD-Fraktion) vom 15.5.2018
Antwort Stadtschulrätin Beatrix Zurek:
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Bei den von Ihnen mittels Antrag vom 15.5.2018 vorgebrachten Anregungen handelt es sich jedoch um eine laufende Angelegenheit, die für die Stadt München keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch keine erhebliche Verpflichtung erwarten lässt. Daher obliegt deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister, weshalb eine Beantwortung auf diesem Wege erfolgt.
Für die gewährten Fristverlängerungen bedanke ich mich, für die verzögerte Beantwortung bitte ich um Entschuldigung.
In Ihrem Antrag baten Sie darum, für die Freiflächen von Kindertagesstätten einen neuen Schlüssel anzuwenden. Die Freiflächen sollen mit der Zahl der Kinder/Gruppen nur noch degressiv ansteigen. Weiterhin soll der Schlüssel flexibel angewendet werden.
Hierzu kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
1. Rechtliche Grundlagen für eine kindgerechte Kindertageseinrichtungs-Freifläche
Bei der Feststellung der Rechtslage ist die historische Entwicklung der gesetzgeberischen Deregulierung bei diesem Thema zu berücksichtigen.
-Die bayerischen Richtlinien für Heime und andere Einrichtungen nach § 78 des Gesetzes für Jugendwohlfahrt (§ 45 SGB VIII – Kinder- und Jugendhilfegesetz), welche bis 31.7.2009 gültig waren und den Bereich au-ßerhalb der unter das Bayerische Kindergartengesetz (BayKiG) fallenden Kindergärten betrafen, legten etwa in Ziffer 3.2.4.3 für Kinderkrippen fest, dass genügend Freifläche und Spielmöglichkeiten, den Altersgruppen entsprechend gestaltet und halbschattig, vorhanden sein müssen. -§ 3 „Außenanlagen“ der Verordnung über Bau, Beschaffenheit und Ausstattung anerkannter und sonstiger Kindergärten (6. DVBayKiG) vom 5. Juli 1993 (gültig bis 31.7.2005) legte in Abs. 1 fest, dass jeder Kindergarten über eine ausreichend große Außenspielfläche verfügen soll,welche den Bedürfnissen der Kinder entsprechend gestaltet sein soll. § 4 „Raumbedarf“ der Verordnung über die an die sonstigen Kindergärten zu stellenden Mindestanforderungen (5. DVBayKiG) vom 19. März 1985 (gültig bis 30.6.1993) legte in Abs. 2 fest, dass eine Außenspielfläche mit mindestens 10qm je Kind zur Verfügung stehen soll.
-Die Gesetzesbegründung im Gesetzentwurf der Staatsregierung zum BayKiBiG u. ÄndG (2005) gibt zu § 3 nur an, dass Absatz 2 die mit Wirkung zum 31. Mai 2005 außer Kraft tretenden Normen abschließend und vorbehaltlich der Übergangsregelungen des Absatzes 3 aufzähle (Drucksache 15/2479, S. 25, rechte Spalte). Das BayKiBiG enthält im Vergleich zur vorherigen Normfassung (Art. 15, 20 BayKiG, ergänzt durch Durchführungsvorschriften), keine ausdrückliche Regelung mehr, da nun Kindertageseinrichtungen landesrechtlich nicht zwingend gebäudebezogen sind (vergleiche insbesondere Art. 2 Abs. 1 S. 3 BayKiBiG und die dementsprechende, § 45 SGB VIII ergänzende Betriebserlaubnispflicht in Art. 9 BayKiBiG). Somit fehlen konkrete Raumvorgaben im jetzigen Landesrecht nur deshalb, weil sich die Vielgestaltigkeit der Kindertageseinrichtungen nur schwer verallgemeinernd erfassen lässt.
-Das BayKiBiG und ÄndG verfolgen mangels gegenteiliger Anhaltspunkte das Ziel der Deregulierung, also den Abbau oder die Vereinfachung von staatlichen Normen und Vorschriften, so dass nur noch der unumgänglich notwendige rechtliche Rahmen gesetzt wird. Der Streichung von Detailvorschriften in diesem Zusammenhang ist somit nicht der gesetzgeberische Wille zu entnehmen, die in der Norm festgelegten Voraussetzungen sollten zukünftig nicht mehr eingehalten werden und es solle damit zu einer Standardsenkung kommen.
Es ist gängige Verwaltungspraxis der Erlaubnisbehörden in Bayern, die Erteilung von Betriebserlaubnissen von Freiflächen abhängig zu machen. Die Landeshauptstadt München wendet für die Planung eigener Bauten wie auch im Rahmen ihrer Aufgaben als Aufsichtsbehörde insbesondere die durch den Stadtrat beschlossenen Münchner Qualitätsmerkmale als Voraussetzung für die Beantragung bzw. Erteilung einer Betriebserlaubnis an.
Der Landesgesetzgeber in Bayern sichert die pädagogischen Bildungs- und Erziehungsziele gemäß Art. 1, 2 BayKiBiG ausdrücklich in -Art. 10 BayKiBiG (Auftrag zur Bildung, Erziehung und Betreuung in Kindertageseinrichtungen),
-§ 1 AVBayKiBiG (Allgemeine Grundsätze für die individuelle Förderung), -§ 8 AVBayKiBiG (Umweltbildung und -erziehung) sowie
-§ 12 AVBayKiBiG (Bewegungserziehung und -förderung, Sport) – der Begriff „ausreichend“ nimmt nicht auf ein Minimalmaß Bezug.Außenspielflächen in Kindertageseinrichtungen dienen somit der -Gesundheitserziehung (Aufenthalt in Licht, Luft und Sonne verbunden mit der dazugehörigen Abhärtung in der jeweiligen Witterung mit angemessener Kleidung),
-Bewegungsförderung und -entwicklung (dementsprechende Spielgeräte sind regelmäßig nur schwer in Innenräumen aufzustellen; ein Laufen über längere Distanz ist in Innenräumen kaum möglich; Gleichgewichts- und Klettergeräte sind typischerweise Außenspielgeräte), -Förderung motorischer und sensorischer Fähigkeiten (hier macht sich die Einschränkung des entsprechenden Spielzeugs bemerkbar; klassische Außenspielgeräte können gar nicht in Innenräumen benutzt werden),
-Erziehung zu Umwelt- und Naturverständnis (auch und insbesondere am eigenen Leib sowie an den der Witterung ausgesetzten Flächen und Geräten sowie durch Miterleben der Wetterphänomene) sowie der -Wahrnehmungsförderung und Transparenz der Technik (die gerade bei robusten und grobteiligen Außenspielgeräten erkennbar wird).
Eine Zusammenschau der Raumvorgaben in den einzelnen Bundesländern enthält der Beitrag „16 Länder – 16 Raumvorgaben: Föderalismus als Chance oder Risiko?“.1 Es wird insbesondere auf S. 35 hingewiesen, wonach der Mittelwert der Quadratmeterangaben für die Außenfläche pro Kind bei 10,3 für Kindergärten und bei 12,8 für Kinderkrippen liegt. Sowohl an den genannten Mittelwerten als auch durch Einzelvergleich ist zu erkennen, dass auch Krippenkinder keinen geringeren Bewegungsradius haben als Kinder im Alter von drei Jahren bis zum Schuleintritt und deshalb auch nicht weniger Außenfläche benötigen. Zwei Bundesländer gestehen den Kinderkrippenkindern aus diesem Grund eine größere Außenfläche zu als den älteren Kindern. Der Beitrag enthält auch Ausführungen, welche Bedeutung den räumlichen Rahmenbedingungen für die Qualität von Kindertageseinrichtungen aus wissenschaftlicher Sicht zukommt.
2. Pädagogische Bedeutung der Freiflächen direkt an der Kindertageseinrichtung
Durch den bestehenden Rechtsanspruch auf einen Kindertageseinrichtungsplatz, eine veränderte Familiensituation (beide Elternteile berufstätig, Kleinfamilien ohne Kontakt zu den Großeltern) und eine veränderte finanzielle Förderung der Elternzeit ist eine kontinuierlich steigende Inanspruchnahme der Kindertagesbetreuung in München zu beobachten. Laut KITA-Jahresstatistik 2019 (Stadtratsvorlage vom 15.9.2020, Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 00616) wird derzeit in München für Kinder im Kindergartenal-ter bereits eine Besuchszeit von 7-8 Stunden am häufigsten (28,3%) und die Besuchszeit von 8-9 Stunden am zweithäufigsten (25,2%) gebucht, die Tendenz ist weiterhin steigend. Zusammen mit den Buchungen einer Besuchszeit über 9 Stunden (10,5%) bedeutet dies, dass sich nahezu zwei Drittel aller Kinder den ganzen Tag, vergleichbar mit einem Vollzeitarbeitstag, in der Kindertageseinrichtung aufhalten (64,0%). Dieses Verhältnis gilt auch für Kinder unter 3 Jahren (63,9%).
Die Münchner Kindertageseinrichtungsträger und Kindertageseinrichtungen haben deshalb neben ihrem pädagogischen Auftrag mittlerweile auch aufgrund der langen Verweildauer der Kinder eine hohe Verantwortung für die gesunde Entwicklung von Kindern. Dazu gehören die Bereitstellung von genügend Fachpersonal, pädagogische Angebote, partizipatorisches Handeln, eine geeignete Auswahl an Materialien und insbesondere eine geeignete räumliche Ausstattung, die genügend Bewegungsfläche inklusive ein an den Kindern und ihren Bedürfnissen angepasstes Außengelände beinhaltet.
Für eine gesunde Entwicklung brauchen Kinder täglich die Möglichkeit, sich im Freien aufzuhalten. Dies ist in Großstädten wie München mit mittlerweile häufig sehr beengten Wohnverhältnissen, einem veränderten Freizeitverhalten von Kindern und Familien (u.a. stundenlanges Sitzen vor dem Fernseher oder Computer) bei gleichzeitig wenigen, selbstbestimmten, freien Bewegungsmöglichkeiten in der Wohnumgebung nicht gegeben. Diesen Mangel auszugleichen gehört zu den Kernaufgaben jeder Kindertageseinrichtung. Bei den jährlichen Elternbefragungen in städtischen Kindertageseinrichtungen wird von den Eltern immer wieder darauf hingewiesen, wie wichtig es ihnen ist, dass ihre Kinder täglich und bei jedem Wetter den Garten aufsuchen können.
Der Garten einer Kindertageseinrichtung bietet mit vielfältigen Elementen wie Matsch-, Wasser- und Sandbereich, Kletter-, Schaukel-, Balancier- und Rutschangeboten Platz für die Nutzung von Fahrgeräten wie Roller, Laufrad etc., Hügeln und anderen Unebenheiten, unterschiedlichen Pflanzenarten, Möglichkeiten der Tierbeobachtungen und Wettererfahrungen einen vielfältigen Erfahrungsraum.
Auch wenn Ausflüge in den Wald, zum öffentlichen Spielplatz, an die Isar oder andere Naturräume bereits jetzt selbstverständlich zur Aufgabe und zum Angebot einer jeden Kindertageseinrichtung gehören, kann dies in keinem Fall den angrenzenden Garten an der Kindertageseinrichtung erset-zen. Der Tagesablauf lässt es nicht zu, den organisatorischen, personellen und zeitlichen Aufwand für tägliche Ausflüge für alle Kinder umzusetzen.
Bei Kindertageseinrichtungen mit Schulkindern schränken die Verweildauer der Kinder in der Schule sowie die Zeiten für Mittagessen und Hausaufgaben und die Gegebenheiten im Wohnumfeld die ohnehin wenigen Möglichkeiten, sich ausgiebig zu bewegen, besonders stark ein. Hier bietet meist nur der Einrichtungsgarten den Kindern die Gelegenheit, sich regelmäßig im Freien zu bewegen. Krippenkinder wiederum benötigen eine für sie bekannte und sichere Umgebung auch im Freien, um sich gut zu entwickeln und sichere neue Erfahrungen zu machen.
Gerade in dieser Zeit, in der zur Reduzierung der Ansteckungsgefahr mit Covid-19 auch viele Einschränkungen des täglichen Lebens einhergehen, bewähren sich die Freiflächen, die in standardmäßiger Größe und direkt an der Einrichtung vorhanden sind. Sie können auch bei festen Gruppen wesentlich besser in noch bespielbare Bereiche aufgeteilt werden. Zusätzlich haben personelle Einschränkungen hier nicht so gravierende Folgen, da eine personalintensive Begleitung zu außerhalb der Kindertageseinrichtungen liegenden Freiflächen dann nicht notwendig ist, um den Kindern die Bewegung im Freien zu ermöglichen.
Auf den öffentlichen Spiel- und Freizeitflächen, die den derzeit 1.449 Münchner Kindertageseinrichtungen, davon 453 städtisch und 996 in freigemeinnütziger und sonstiger Trägerschaft (Stand 1.7.2020), zur Verfügung stehen, besteht mittlerweile eine sehr hohe Besuchsfrequenz, auch bedingt durch den verdichteten Wohnraum. Viele Standorte sind einem hohen Andrang ausgesetzt, eine kontinuierliche Nutzung durch Kindertageseinrichtungen ist dadurch erschwert, zumal z.B. kindgerechte Toiletten oftmals fehlen.
Das pädagogische Denken und Handeln in Kindertageseinrichtungen ist grundlegend geprägt vom Recht auf Partizipation. Gesetzliche Grundlagen und Vorgaben sind dabei u.a.:
-Art. 12 UN-Kinderrechtskonvention
-Sozialgesetzbuch VIII, §§ 8, 8a: Regelung zur Beteiligung entsprechend dem Entwicklungsstand und zum Kinderschutz
-Sozialgesetzbuch VIII, § 45: Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung, Konzeption, Sicherung der Kinderrechte: Geeignete Verfahren der Beteiligung, Möglichkeiten der Beschwerde sind strukturell verankert -Art. 10 Abs. 2 BayKiBiG
-§ 1 Abs. 1 S. 1 AVBayKiBiGKindertageseinrichtungen stehen daher vor der Aufgabe, im Alltag gelebte Partizipation für alle Altersgruppen zu ermöglichen und den Kindern in der Einrichtung ein großes Maß an Selbstbestimmung und Mitwirkung zu ermöglichen. Dies schließt auch die Entscheidung mit ein, wann, wie oft und wie lange jedes einzelne Kind während der Betreuungszeit nach draußen gehen möchte. Um dies im Alltag der Kinder in der Kindertageseinrichtung gewährleisten zu können, ist eine ausreichende und gesicherte Freifläche am Haus unabdingbar. Natur- und Umweltbildung sowie Bildung für nachhaltige Entwicklung spielen im Zusammenhang mit naturnahen Einrichtungsgärten eine fundamentale Rolle. Hier können Kinder täglich und wie selbstverständlich Natur- und Umwelterfahrungen sammeln. Dies stellt einen wesentlichen Baustein und wichtigen Erfahrungsschatz dar, um nachhaltige Entwicklung erfahrbar und erlebbar zu machen. Freiflächen von städtisch geplanten Kindertageseinrichtungen werden daher grundsätzlich naturnah gestaltet und unterscheiden sich damit von der Ausstattung eines öffentlichen Spielplatzes.
Viele Freiflächen an den städtischen Kindertageseinrichtungen sind durch die hohe tägliche Beanspruchung verbesserungs- und sanierungsbedürftig geworden. In diesem Zusammenhang wurde durch den Stadtrat der Landeshauptstadt München in der Sitzung vom 29.11.2000 auch das Projekt „Naturerfahrungsräume für Münchner Kindergruppen“ beschlossen. Dem Beschluss liegt die elementare Bedeutung von Naturerfahrung und Naturerlebnisräumen für Kinder in der Großstadt zugrunde sowie die Überzeugung, dass der Aufenthalt von Kindern in der Natur nicht nur die physische und psychische Entwicklung fördert, sondern auch nachhaltig zum Verständnis für Natur und Umwelt beiträgt. Gerade in einer schnell wachsenden Großstadt wie München sind diese Erlebnisräume nicht mehr selbstverständlich, können von Vorschulkindern in der Regel nicht selbständig aufgesucht werden und müssen im Rahmen von pädagogischen Maßnahmen in den Bildungseinrichtungen familienergänzend umgesetzt werden. Der Stadtratsauftrag hat deshalb das Ziel, die vorhandenen und durch die starke Nutzung überbeanspruchten Außenanlagen vorrangig im Innenstadtbereich zu verbessern.
3. Überregionale Recherche zu Kindertageseinrichtungs-Freiflächenstandards
Wie in München gibt es auch in den anderen Großstädten die Herausforderung, in Stadtgebieten mit wenig bebaubaren Flächen noch ausreichende Freiflächen für die Kindertageseinrichtungsbauten zu gewährleisten. Daher wird die Freiflächenplanung von Kindertageseinrichtungen inInnenstadtlagen oftmals individuell betrachtet und nach entsprechenden Lösungen gesucht. Auf diese Weise entstehen Dachgärten, zusätzliche Ausgleichsflächen in fußläufig von Vorschulkindern erreichbarer Nähe oder zusätzliche Bewegungsflächen im Gebäudeinneren.
Eine Abfrage unter deutschen Großstädten hat ergeben, dass die in München bestehenden 10qm Freiflächenanteil pro Kind in den meisten anderen Kommunen überwiegend ebenso zugrunde gelegt werden (siehe Anlage 1). Berlin differenziert dabei nach der Größe der Einrichtung und einige Städte (z.B. Nürnberg) geben an, in Altstadt- bzw. Innenstadtbereichen eine individuelle Einzelfallprüfung vorzunehmen. Hamburg hat als einzige Großstadt den geforderten Mindestflächenanteil pauschal auf 6qm Freifläche festgelegt. Einen nach Kinderzahl gestaffelten Quadratmeter-Schlüssel gibt es in keiner der befragten Städte.
4. Bisheriger Umgang mit Standorten, für die weniger Freifläche zur Verfügung steht
Aufgrund der pädagogischen Bedeutung der Freifläche wird immer im Einzelfall entschieden, ob von der grundsätzlichen Empfehlung der 10qm pro Kind abgewichen werden muss.
4.1 Kindertageseinrichtungen in freigemeinnütziger und sonstiger Trägerschaft (ohne Betriebsträger)
In der Erstinformation zum Betrieb einer Kindertageseinrichtung für potentielle freie Träger wird durch den Geschäftsbereich KITA als Aufsichtsbehörde auf den Stadtratsbeschluss zu den Münchner Qualitätsmerkmalen vom 21.3.2006 generell (10qm/Kind) und im Hinblick auf dessen Auswirkungen auf die Raumanforderungen und die Standortauswahl beziehungsweise Immobiliensuche (Ziffern 3., 3.2) hingewiesen. Bei der Antragstellung werden auch Angaben zur Freifläche und etwaigen Besonderheiten des Standortes verlangt (Ziffer 1.2), die um einen Raum- und Freiflächenplan im Maßstab 1:100, einen Lageplan im Maßstab 1:1.000, die Raumgrößen in qm mit Funktionsbeschreibung sowie um einen Freiflächenplan mit Angabe der Quadratmeter der bespielbaren Fläche zu ergänzen sind (Ziffer 1.5). Sollte der Freiflächen-Richtwert aus zwingenden Gründen im jeweiligen Einzelfall nicht erfüllt werden können, müssen in jedem Fall 5qm pro Platz am Haus nachgewiesen sowie im Konzept beschrieben werden, welche geeigneten, kindgerechten Freiflächen in unmittelbarer Umgebung erreicht und für die Altersgruppen genutzt werden können (Ziffer 3.2) und wie die Nutzung im Tagesablauf konkret realisiert werden kann.Damit wird seit mehr als 10 Jahren bereits auch dann eine Betriebserlaubnis für einen durch freie Träger selbst gesuchten Standort erteilt, wenn weniger als die erforderlichen 10qm Freifläche am Haus zur Verfügung stehen. Dabei sind die geforderten 5qm als Mindeststandard am Gebäude verpflichtend und es muss nachweislich eine durch die Kinder in wenigen Minuten fußläufig erreichbare Ausgleichsfläche zur Verfügung stehen und tatsächlich auch genutzt werden.
4.2 Städtische Kindertageseinrichtungsbauten
Städtische Kindertageseinrichtungsbauten (für städtische Kindertageseinrichtungen und Einrichtungen in Betriebsträgerschaft) machen derzeit 44,3% der Münchner Kindertageseinrichtungen aus, in denen 56,2% der Betreuungsplätze vorgehalten werden.
Im Rahmen der bisherigen kommunalen Standortplanungen wurden be-
reits in vielen Fällen auch städtische Kindertageseinrichtungsbauten mit einem unterschrittenen Freiflächenanteil sowohl bei integrierten Bauten wie auch freistehenden Kindertageseinrichtungen realisiert. Dabei wurde stets im Einzelfall geprüft, wie die Situierung des Gebäudes auf dem Grundstück mit einer hohen Auslastung an Wohnflächen und gleichzeitig einer eingeschränkten aber dennoch pädagogisch vertretbaren Freifläche möglich ist. Wichtiges Kriterium ist hierbei, dass die Freifläche dann in einer zusammenhängenden Form am Gebäude gewährleistet sein sollte, damit sie durch eine entsprechende architektonische Gartenbaugestaltung dennoch möglichst effektiv nutzbar wird. Dies ist insbesondere deshalb notwendig, da sich das Einrichtungspersonal sonst auf die verschiedenen Flächenanteile aufteilen muss, was gerade auch vor dem Hintergrund der Personalknappheit ein weiteres Hindernis der tatsächlichen Freiflächennutzung durch die Kinder im Alltag darstellt.
Dennoch muss in vielen Fällen, gerade in Innenstadtlagen, aber auch auf diese Anforderung verzichtet werden und der bereits verringerte Freiflächenanteil wird sogar noch auf mehrere kleine Flächen aufgeteilt (z.B. im Haus für Kinder (HfK) Dachauer Straße, im HfK Möhlstraße). In Einzelfällen wurde ganz darauf verzichtet (z.B. im HfK Schwanthalerstraße, im HfK Poccistraße, in der Kinderkrippe Dachauer Straße). Der Anlage 2 ist eine Übersicht über in Planung befindlichen städtischen Neubauplanungen in den Jahren 2019/2020 zu entnehmen, bei denen es auch aktuell wieder zu Unterschreitungen der verpflichtenden 10qm Freifläche kommt.5. Künftige Einrichtungsfreiflächenplanung und Freiflächenschlüssel
Dem Antrag eines mit aufsteigender Größe des Standorts degressiv wachsenden Freiflächenstandards kann aus folgenden Gründen nicht entsprochen werden: Zum einen wird darauf hingewiesen, dass diese Berechnungsmethodik in keiner anderen Kommune angewendet wird (vgl. oben).
Zum anderen wäre die heutige, standortbezogene Flexibilität nicht mehr gegeben. Würde für Freiflächen von Kindertageseinrichtungen anstelle der bisherigen Einzelfallprüfung künftig ein rechnerischer Schlüssel zugrunde gelegt werden, der mit aufsteigender Größe des Standortes degressiv mitwächst und flexibel angewendet wird, müsste Folgendes bedacht werden: Ein festgelegter Schlüssel würde für die Landeshauptstadt auch bei flexibler Anwendung eine einheitliche, verpflichtende Anwendung erfordern, welche Einzelfallentscheidungen im Vergleich zu heute deutlich erschweren würde. Hinzu kommt, dass die dadurch erforderlichen, ansteigenden Ausgleichsflächen in München bei steigendem Ausbau der Kindertagesbetreuung wie auch der verdichteten Wohnbebauung nicht in erforderlichem Umfang zur Verfügung stehen werden.
6. Fazit
Künftig Freiflächen von Kindertageseinrichtungen einen Schlüssel zugrunde zu legen, der mit aufsteigender Größe des Standortes degressiv mitwächst und flexibel angewendet wird, kann aus den genannten Gründen daher nicht umgesetzt werden.
Vielmehr wird an der grundsätzlichen Praxis der Einzelfallprüfungen festgehalten. So bleibt die Flexibilität erhalten und es wird differenziert zwischen Standorten, an denen den Kindern die wünschenswerte Freifläche ermöglicht werden kann und denen, an denen dies nicht möglich ist. Zudem kann die konkrete Umgebung mit in die Einzelfallentscheidung einbezogen werden. Dem Referat für Bildung und Sport ist bewusst, dass verstärkt an vielen Standorten Einzelfallprüfungen notwendig werden.
1 Joachim Bensel/Gabriele Haug-Schnabel: „Raum braucht das Kind. Anregende Lebenswelten für Krippe und Kindergarten“. Herausgegeben von Gabriele Haug-Schnabel und Ilse Wehrmann, Berlin 2012
Die Anlagen zur Antwort können abgerufen werden unter: https://www.ris-muenchen.de/RII/RII/ris_antrag_dokumente.jsp?risid=4960288