Daten zu Leerstand und Zweckentfremdung in München
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Marie Burneleit, Stefan Jagel, Thomas Lechner und Brigitte Wolf (DIE LINKE./Die PARTEI Stadtratsfraktion) vom 30.7.2020
Antwort Sozialreferat:
In Ihrer Anfrage vom 30.7.2020 führen Sie Folgendes aus:
„Während es zum Leerstand bei den städtischen Wohnungsbauunternehmen jährlich sehr detaillierte Berichte und Daten gibt, sind diese Infor- mationen für den Rest des Wohnraums in München kaum vorhanden. In einer Vorlage des Planungsreferates wird eine Leerstandsquote von 5,22 Prozent aus einer Hochrechnung der Zusatzerhebung ‚Wohnen‘ des Mikrozensus aus dem Jahr 2014 verwendet, während das Sozialreferat eine Quote von weniger als zwei Prozent schätzt. In beiden Fällen ist die Leerstandsquote der kommunalen Wohnungen mit 0,5 Prozent viel geringer. Dies macht deutlich, dass in dieser Frage gehandelt werden muss. Um gegen Leerstand und Zweckentfremdung zukünftig besser vorgehen zu können, braucht es eine genauere Datengrundlage.“
Auf Grund der Komplexität der Anfrage waren Stellungnahmen mehrerer Referate erforderlich. Zudem bedingte die Ferienzeit Verzögerungen. Eine fristgemäße Bearbeitung war daher nicht möglich. Für die Fristverlängerung bedanken wir uns.
Zu Ihrer Anfrage vom 30.7.2020 nimmt das Sozialreferat im Auftrag des Herrn Oberbürgermeisters wie folgt Stellung:
Vor der Beantwortung der einzelnen Fragen zur Verdeutlichung der Zahlen eine generelle Erklärung:
Im regelmäßigen Leerstandsbericht über den städtischen Wohnungsbestand werden alle leerstehenden Wohnungen erfasst, die länger als sechs Monate leerstehen.
Im Mikrozensus ist auch die Umzugsfluktuation (also vermietete, aber kurzzeitig nicht bewohnte Wohnungen) berücksichtigt. Hier wird deshalb vom Anteil unbewohnter Wohnungen gesprochen. Als Fluktuationsreserve bezeichnet man kurzfristigen Leerstand, der insbesondere bei Wohnobjekten wesentlich durch normalen Mieterwechsel entsteht. In der allgemeinen Diskussion wird ein Wert von drei Prozent als Maßstab für einen ausreichend flexiblen Mieterwechsel genannt.
Frage 1:
Welche Leerstandsquote ergab sich aus dem Mikrozensus, der im Jahr 2018 durchgeführt wurde? Wie verhält sich diese Quote in den einzelnen Stadtbezirken?
Antwort des Referates für Stadtplanung und Bauordnung:
Die Ergebnisse des Mikrozensus werden nur für die gesamte Landeshauptstadt München ausgegeben, nicht auf Ebene der Stadtbezirke.
Der Mikrozensus ermittelte für die Landeshauptstadt München für das Jahr 2018 rund 755.000 Wohnungen. Davon waren rund 47.000 Wohnungen unbewohnt. Daraus ergibt sich für die Landeshauptstadt München eine Leerstandsquote von 6,2 Prozent gemäß der Ergebnisse des Mikrozensus. Diese Quote ist im Leerstandsbericht an den Stadtrat vom 29.4.2020, der über Leerstände zum 31.12.2019 berichtet, wiedergegeben (Sitzungsvorlage-Nr. 14-20/V 18455).
Die in der Stadtratsanfrage zitierte Leerstandquote von 5,22 Prozent stammt aus dem Leerstandsbericht vom 26.6.2019, in dem über Leerstände zum 31.12.2018 berichtet wurde. Da zum Zeitpunkt des Berichtes an den Stadtrat (am 26.6.2019) die Ergebnisse des Mikrozensus für 2018 noch nicht vorlagen, musste auf die Hochrechnungsergebnisse der Zu- satzerhebung „ Wohnen“ des Mikrozensus aus dem Jahr 2014 zurückgegriffen werden. Diese Ergebnisse wiesen für die Landeshauptstadt München rund 39.000 leerstehende Wohnungen bei einem Gesamtwohnungsbestand von rund 747.000 Wohnungen aus, was einer Leerstandsquote von 5,22 Prozent in der Landeshauptstadt München entsprach.
Frage 2:
Welche weiteren Quellen nutzt die Stadt München aktuell, um eine Leerstandsquote für die Stadt und für die Stadtbezirke zu ermitteln und wie fällt diese jeweils aus?
Antwort des Referates für Stadtplanung und Bauordnung:
Der in den Leerstandsberichten jeweils angegebene Gesamtwohnungsbestand der Landeshauptstadt München – zum 31.12.2018 insgesamt 801.816 Wohnungen, zum 31.12.2019 insgesamt 807.637 Wohnungen – wird vom Statistischen Amt erhoben.
Zur Erhebung der Leerstandsquote bezogen auf den Gesamtwohnungsbestand der Landeshauptstadt München siehe Antwort zu Frage 1.Die Leerstandsquote für den städtischen Wohnungsbestand wird in den regelmäßigen Leerstandsberichten an den Stadtrat dargestellt. Eine Quote bezogen auf Stadtbezirke wird nicht ermittelt.
Frage 3:
In wie vielen Fällen galt jeweils in den letzten drei Jahren (2017, 2018, 2019) ein bestehender Leerstand nicht als Zweckentfremdung? Nach welchen Begründungen (gemäß § 4 Abs. 2 ZeS) lag jeweils keine Zweckentfremdung vor? (Antworten jeweils auch in Anzahl Wohneinheiten und Gesamt- wohnfläche in m² gesamt)
Antwort:
Zweckentfremdungsrechtlich statistisch erfasst werden nur Wohneinheiten, deren Leerstand durch Einwirken des Sozialreferats beendet wurde. Darauf wird in der Bekanntgabe der Jahresstatistik jeweils eingegangen (Sitzungsvorlagen Nr. 14-20/V 11151 für das Jahr 2017, Nr. 14-20/V 14616 für das Jahr 2018, Nr. 20-26/V 00374 für das Jahr 2019)
Frage 4:
Wie lange besteht ein Leerstand in Folge von Umbau, Instandsetzung, Modernisierung, Veräußerung oder Abriss und Neubau im Durchschnitt jeweils?
Antwort:
Dazu kann keine aussagekräftige Auskunft erteilt werden. Die Dauer des Leerstandes ist immer abhängig von der Größe des Objektes, dem Umfang der geplanten Arbeiten und den Mieter*innen. Hier einige Beispiele zur Verdeutlichung:
- Ein Anwesen mit fünf Wohneinheiten soll umfassend modernisiert und instandgesetzt werden, die Mieter*innen ziehen zu den Kündigungsterminen aus, die Baufirmen arbeiten zügig, es gibt keine baulichen Komplikationen, der Wiederbezug kann innerhalb eines Jahres erfolgen.
- Ein Anwesen mit 30 Wohneinheiten soll umfassend modernisiert und instandgesetzt werden, 25 Mietparteien ziehen zum Kündigungstermin aus, fünf Mietparteien klagen gegen die Kündigung. Hier stehen die 20 geräumten Wohneinheiten solange leer, bis über die Klagen gerichtlich entschieden ist und die Mieter*innen dann tatsächlich ausgezogen sind. Dazu können dann noch Verzögerungen durch nicht mehr bereitstehende Baufirmen und bauliche Komplikationen kommen. Dies kann einen Leerstand von mehreren Jahren nach sich ziehen.- Ein Anwesen mit 20 Wohneinheiten soll abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. Auch hier ist die Dauer des Leerstandes mit von der Bereitschaft der Mieter*innen zum Auszug abhängig. Wenn das Haus leer ist und alle Baugenehmigungsverfahren durchlaufen sind, ist erfahrungsgemäß mit einem baldigen Abriss und dem Baubeginn zu rechnen.
Frage 5:
Wie viele Wohneinheiten und wie viel Wohnfläche (m²) gingen durch Abriss in den letzten Jahren (2017, 2018, 2019) verloren und wie viel entsprechen- der Ersatzwohnraum wurde dabei jeweils geschaffen? (Aufgeschlüsselt nach Stadtbezirken)
Antwort:
Diese Zahlen werden nur für das gesamte Stadtgebiet ermittelt:
Frage 6:
Welche Maßnahmen werden ergriffen, um die Effektivität der verschärften Zweckentfremdungssatzung zu messen?
Antwort:
Mit der Einführung des gemeinsam vom Sozialreferat und dem IT-Referat entwickelten Fachverfahrens „BeZweck“ zur digitalen Abbildung und Bearbeitung von Fällen Anfang 2020 (E-Akte) wird künftig eine deutlich bessere Auswertung möglich sein. Derzeit wird in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Amt eine neue Statistik entwickelt. Diese Auswertungsmöglichkeit steht aktuell noch nicht zur Verfügung.
Frage 7:
Gibt es einen messbaren Rückgang der Leerstände/Zweckentfremdungen seit Verschärfung der Zweckentfremdungssatzung?
Antwort:
Durch die Verschärfung der Zweckentfremdungssatzung (Erweiterung des Bußgeldrahmens auf 500.000 Euro, gesetzliche Anordnung des Sofortvoll-zugs, Erweiterung der Auskunftspflichten, neue Ordnungswidrigkeitentatbestände) ist in vielen Fällen ein effektiverer Vollzug möglich. Der höhere Bußgeldrahmen macht deutlich, dass es sich nicht um ein Kavaliersdelikt handelt.
Durch die seit Januar 2018 laufende Kampagne gegen Zweckentfremdung (eigene Meldeplattform, Neuaufbau der Homepage, breit angelegte Information der Öffentlichkeit durch Plakate und Radioberichte) konnte das Thema mehr in das Bewusstsein der Bürger*innen gerückt werden. Das Sozialreferat, Amt für Wohnen und Migration erhält sehr viele Hinweise auf Zweckentfremdungen.
Frage 8:
Wie entwickelt sich die Beantragung von Abriss und Neubau in den letzten Jahren? Gibt es Anzeichen, dass nach Inkrafttreten der Reform der Modernisierungsumlage zum 1. Januar 2019 mehr Eigentümer Wohnraum abreißen wollen, anstatt diesen zu sanieren bzw. zu modernisieren, da sie sich dadurch mehr Rendite versprechen? (So wie beispielsweise die Pläne der Dawonia bezüglich der Schönfeldstaße 14)
Antwort:
Hierzu kann weder vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung noch vom Sozialreferat eine belastbare Aussage getroffen werden. Auch die Mieterberatung des Sozialreferats kann einen Anstieg der Abrisstätigkeit nicht bestätigen.
Ich versichere Ihnen, dass die Landeshauptstadt München und ich unser Möglichstes tun, um bezahlbaren Wohnraum in München zu gewährleisten und zu ermöglichen.