Auswirkungen der Änderung bei den Ampelschaltungen ehrlich darstellen
Antrag Stadtrats-Mitglieder Sabine Bär, Fabian Ewald, Ulrike Grimm, Hans Hammer, Jens Luther, Manuel Pretzl, Sebastian Schall und Professor Dr. Hans Theiss (CSU-Fraktion) vom 5.6.2020
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Thomas Böhle:
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist.
Sie haben am 5.6.2020 Folgendes beantragt:
„Das Kreisverwaltungsreferat stellt die Auswirkungen der Änderungen in den Ampelschaltungen auf der Prinzregentenstraße mit den Zubringerstraßen ehrlich dar. Sollten sich massive Stauungen ergeben, ist durch das KVR sofort gegen zu steuern und die Rot-Grün Phasenschaltungen zugunsten des besseren Verkehrsflusses unverzüglich zu ändern.“ Als Begründung dafür haben Sie aufgeführt:
„Begründung:
Der Start der Änderungen der Ampelphasen, mit dem Ziel von längeren Rot-Phasen auf der Hauptverkehrsstraße Prinzregentenstraße im Abschnitt zwischen Grillparzer- und Ismaninger Straße ist in den Pfingstferien mit weniger durchschnittlichen Autobelastungen nicht repräsentativ. Massiver werden die Auswirkungen in der normalen Zeit. Das zuständige Kreisverwaltungsreferat hat daher die Auswirkungen genauestens und tagesaktuell zu beobachten, um bei großen Stauungen sofort entgegen zu wirken. Denn mehr Staus bedeuten auch höhere Schadstoffausstoße in diesem Bereich und damit wieder eine Verschlechterung der Luftqualität. Der Verkehr soll fließen und nicht stehen.“
Ihr Einverständnis vorausgesetzt, erlaube ich mir, Ihren Antrag als Brief zu beantworten.
In Abstimmung mit dem Oberbürgermeister kann ich Ihnen zu Ihrem Antrag inhaltlich Folgendes mitteilen:
Bei der am 8.6.2020 umgesetzten Ampelschaltung handelt es sich um eine in der 7. Fortschreibung des Luftreinhalteplans der Regierung von Oberbayern (http://www.regierung.oberbayern.bayern.de/service/planfeststellung/oeffentlichkeit/umwelt_gesundheit_verbraucherschutz/luftreinhalteplan_muenchen/index.html) für das Stadtgebiet München festgelegte Maßnahme(Maßnahme LRP7-112 „Intelligente Verkehrssteuerung: Verbesserung des Verkehrsflusses in der Prinzregentenstraße durch Anpassung der Lichtsignalanlagen“). Der Stadtrat hat der Maßnahme LRP7-112 bereits am 15.5.2019 zugestimmt. Die 7. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für das Stadtgebiet München wurde von der Regierung von Oberbayern am 31.10.2019 bindend in Kraft gesetzt.
Zum Schutz der Bürger*innen der Landeshauptstadt München wird das Verkehrsaufkommen gemäß der Maßnahme LRP7-112 auf der Prinzregentenstraße zwischen Grillparzerstraße und Ismaninger Straße durch verkürzte Ampelgrünphasen der auf die Prinzregentenstraße stadteinwärts zuführenden Lichtsignalanlagen um 15% reduziert. Durch die unmittelbar an der Ausfahrt der Töginger Straße (A 94) in die Prinzregentenstraße erfolgende Dosierung wird nur eine Verkehrsmenge in die Prinzregentenstraße eingelassen, die im weiteren Verlauf bis zur Ismaninger Straße keine Stauungen mehr verursacht. Im Stadtgebiet wird stadteinwärts im Verlauf der Prinzregentenstraße eine Verflüssigung des Verkehrs erreicht.
Die zu erreichende Verkehrsmenge in der Prinzregentenstraße wurde vom Landesamt für Umwelt (LfU) vorgegeben. Der Ausgangswert einer „durchschnittlichen täglichen Verkehrsstärke“ (DTV) von 34.500 Kfz pro Tag, muss nach den Berechnungen des LfU um 15% verringert werden, um an den Messstellen zumindest 50 µg/m³ NO2, als den vom Bundesgesetzgeber festgelegten Richtwert bzgl. der Verhältnismäßigkeit von Fahrverboten, zu unterschreiten.
In Folge des durch die Corona-Pandemie ab Mitte März stark verminderten Verkehrsaufkommens und in Abstimmung zwischen der Landeshauptstadt München mit dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz sowie dem Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie wurde eine zweistufige Anpassung der Zuflussdosierung vereinbart. Die erste Stufe dosiert nun seit dem 8.6.2020 den Verkehr mit einem Zielwert von 7% des Tagesverkehrs. In Abhängigkeit von der Entwicklung der Luftwerte in der Prinzregentenstraße zum Ende des 3. Quartals 2020 wird zum Ende des Jahres in Abstimmung zwischen den zuständigen staatlichen Behörden des Freistaats Bayern und der Landeshauptstadt entschieden, ob die 2. Stufe mit einer Verkehrsreduzierung von dann insgesamt 15% notwendig ist.
Die Ampelanlagen im Umfeld der Prinzregentenstraße wurden so angepasst, dass die Rückstauungen insbesondere auf der A 94, also in einem Bereich ohne direkte Anwohner*innen, entstehen. Die stärkste Reduzie-rung erfolgt an der Stadtgrenze, um diesen Effekt zu erreichen. Die Verkehrsmenge auf der Prinzregentenstraße wird so verringert, dass Stop & Go-Verkehr nicht mehr auftritt und die (bei Auslastungen über 85% nicht mehr funktionierende) Grüne Welle (GW) möglich ist. Ab dem Prinzregentenplatz wird die Grüne Welle durch Fahrzeuge des ÖPNV gestört, die ihre Freigabephasen anfordern können. Deshalb kommt es im weiteren Verlauf bis über die Ismaninger Straße immer wieder zu Unterbrechungen der Grünen Welle, jedoch zu keinen Stauungen im verkehrstechnischen Sinne. Lichtsignalanlagen im Umfeld der Prinzregentenstraße wie z.B. an der Eggenfeldener-/Weltenburger Straße wurden in ihrer Grünzeit so angepasst, dass die bisher auftretenden Verkehrsmengen bedient werden können, jedoch kein zusätzlicher Verkehr. Auf diese Art wird Schleichverkehr zu Überlastungszeiten verhindert. Insofern ist nicht von einer signifikanten Schadstoffmehrbelastung in einem Bereich mit Gesundheitsauswirkungen auf die Münchner Bürger*innen auszugehen. Da sich die Rückstauungen auf der Autobahn bilden, ist auch dort mit keiner Belastung der Bevölkerung zu rechnen, da sich dort die Emissionen ohne direkt betroffene Anwohnerschaft verflüchtigen können.
Das Kreisverwaltungsreferat beobachtet kontinuierlich die Auswirkungen der neuen Ampelschaltung und wird ggf. notwendige Anpassungen der Maßnahme durchführen, wenn Grundlagen und Anlass dazu gegeben sind. Zum jetzigen Zeitpunkt liegen diese jedoch nicht vor. Im Auftrag des RGU werden weiterhin die NO2-Werte an den Standorten Prinzregentenstraße 74 und 115 gemessen. Die Messwerte können eingesehen werden unter www.muenchen.de/messergebnisse.
Die engmaschige Begleitung durch die Fachdienststelle führte bereits zu kleineren Feinjustierungen an der Grünen Welle in der Prinzregentenstraße. Einzig die Grüne Welle der Prinzregentenstraße könnte nach derzeitigem Stand weiter verbessert werden, indem die Beschleunigung der Busse und Trambahn am Prinzregentenplatz und der Ismaninger Straße deaktiviert wird. Eine derartige Bevorzugung des motorisierten Individualverkehrs auf Kosten des ÖPNV steht jedoch dem Stadtratsziel der Förderung des ÖPNV und nicht zuletzt der beabsichtigten Verkehrswende entgegen.
Mit weiterer Beobachtung der Verkehrszahlen und einer statistisch verwendbaren Datenbasis kann daran gedacht werden, die täglichen Einsatzzeiten der Zuflussdosierung je nach Bedarf zu variieren. Wochentags findet die Zuflussdosierung jeweils in der Zeit von 6 bis 19 Uhr statt. Hierbei könnte auch an eine Automatisierung mit dem Tool der Lastabhängigen Programmwahl (LAPW) gedacht werden. Dieses Tool ist ebenfalls Be-standteil einer weiteren aktuell in Umsetzung befindlichen Maßnahme des Luftreinhalteplans.
Für die Evaluation der Wirkungen der Zuflussdosierung und deren Übertragbarkeit auf weitere Straßenabschnitte mit grenzwertüberschreitenden NOx-Belastungen (Maßnahme LRP7-113 „Intelligente Verkehrssteuerung: Untersuchung von Möglichkeiten zur Regulierung des Verkehrsaufkommens in der Prinzregentenstraße sowie Bewertung der Übertragbarkeit von Erkenntnissen auf weitere Straßenabschnitte mit grenzwertübersteigenden Stickoxidbelastungen“) soll eine Ausschreibung erfolgen. Diesbezüglich ist derzeit die erneute Mittelbereitstellung in Klärung. Im Rahmen der Evaluierung beabsichtigen wir auch, Erkenntnisse über die Reisezeiten der „normalen“ und der zuflussdosierten Situationen zu gewinnen, um die Eindrücke der Fahrzeugführenden zu ihren Reisezeitverlusten objektivieren zu können. Ein derartiger Vergleich ermöglicht dann eine Aussage, ob sich die auf der A 94 bis zur Ismaninger Straße im Stau verbrachte Zeit insgesamt verlängert hat oder sie mit der Zuflussdosierung an einem der Stadt vorgelagerten Ort, sprich der A 94, verbracht wird.
Als Zwischenfazit kann derzeit Folgendes festgehalten werden:
-Die Verflüssigung des in der Prinzregentenstraße stadteinwärts fließenden Verkehrs wurde nach den Erkenntnissen des Kreisverwaltungsreferats erreicht.
Dies wird auch durch Auswertung der Fahrzeiten städtischer Linienbusse unterstrichen. Eine Auswertung der Linie 100 zeigt, dass die Fahrplanabweichungen in der morgendlichen Hauptverkehrszeit zwi-
schen Prinzregentenplatz und Königinstraße von von ca. 4 bis 5 Minuten, auf Werte unter einer Minute zurückgegangen sind. Unter den Voraussetzungen flüssigen Verkehrs entfällt damit auch der Bedarf einer separaten Busspur, da die Busse nicht mehr von aufgestauten Fahrzeugen behindert werden.
-Der Stau in der Prinzregentenstraße wurde auf die A 94 in den Außenbereich vor der Stadtgrenze verlagert.
Auch dies unterstreicht eine Auswertung der MVG, die zwischen der BAB Einfahrt der Weltenburger Straße und der LSA Einstein-/Truderinger Straße auf der Linie 149 in eben diesem Stau nunmehr etwa 3-5 Minuten an Fahrzeitverlust erleidet. Der unvermeidliche Stau findet also im „geplanten“ Bereich statt. Hier könnte mit einer Busspur Abhilfe geschaffen werden, ohne den Kfz-Verkehr zusätzlich zu belasten. Hierzu wird der Stadtrat im Rahmen der Beschlussvorlage „Beschleunigung und Verbesserung der Zuverlässigkeit des Buslinienverkehrs DrittesMaßnahmenbündel“ baldmöglichst mit einem konkreten Vorschlag befasst werden.
-Offensichtliche Verbesserungsmöglichkeiten im Sinne der Wünsche von Autopendler*innen sind aktuell nicht erkennbar.
-Aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie sind die Verkehrszahlen mit der zugrunde gelegten Ausgangssituation nicht vergleichbar. Hier muss einige Zeit abgewartet werden, wie sich der Pandemieeinfluss weiter entwickeln wird.
Nach Abschluss der Evaluation wird der Stadtrat über die Ergebnisse unterrichtet.
Abschließend sei angemerkt, dass der Hauptverursacher für Stickstoffdioxidimmissionen der Verkehr ist. Der bei 40 µg/m³ liegende gesetzliche Jahresgrenzwert für Stickstoffdioxid wird nach wie vor an einzelnen, stark verkehrsbelasteten Straßenabschnitten im Stadtgebiet München überschritten. Die Maßnahmen LRP7-112 und LRP7-113 sowie alle weiteren im Luftreinhalteplan vorgesehenen Maßnahmen sind zum Gesundheitsschutz notwendig, um weitreichende Eingriffe wie Fahrverbote zu vermeiden. Der Gesundheitsschutz der Bevölkerung und die Luftreinhaltung haben für die Landeshauptstadt München höchste Priorität.
Ich bitte Sie, von den vorstehenden Ausführungen Kenntnis zu nehmen, und gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.