Friedliches Leben mit den Stadttauben 2 (Weiter-)Entwicklung im Umgang mit den Stadttauben
Anfrage Stadträtin Nicola Holtmann (Fraktion ÖDP/FW) vom 8.10.2020
Antwort Beatrix Zurek, Referentin für Gesundheit und Umwelt:
Ihrer Anfrage legen Sie folgenden Sachverhalt zu Grunde:
„Schon 2008 wurde dem Münchner Stadtrat das Augsburger Taubenmodell vorgestellt. Das Augsburger Modell sieht vor, dass Taubenhäuser und -schläge vor allem an Standorten mit hohem Taubenaufkommen errichtet werden. In diesen Einrichtungen werden die Tauben artgerecht gefüttert und im Krankheits- oder Verletzungsfall medizinisch versorgt und gepflegt. Eier, die sie dort legen, werden entnommen und zur Bestandskontrolle durch Attrappen ersetzt. Ziel des Stadtrats war es schon damals, im Innenstadtbereich Standorte für Taubenhäuser zu suchen. Vielleicht hätte der Stadtrat als Ziel ‚das Finden‘ von Standorten vorschreiben sollen, denn gebaut wurde seither so gut wie nicht, obwohl zwei neue Einrichtungen pro Jahr versprochen wurden.
Im Herbst des vergangenen Jahres wurde im Umweltausschuss im Rahmen des Eckdatenbeschlusses für den Haushalt 2020 eine Liste mit geprüften Standorten vorgestellt. Von 16 städtischen Objekten, die als Standort geprüft wurden, wurde nur einer realisiert (2012 Gmunder Straße als Anbau der Straßenreinigung). Auf den 24 geprüften privaten Objekten konnten nur fünf Taubenhäuser errichtet werden, von denen nicht alle artgerecht eingerichtet sind, wie erfahrene Tierschutz-Experten berichten. Dass Tauben in der Stadt ein trauriges Dasein fristen und es viele Menschen gibt, die sich von Tauben gestört fühlen, gibt auch das RGU zu. Dennoch scheitert die Landeshauptstadt München noch immer kläglich am angemessenen Umgang. Anstatt langfristige, tierschutzkonforme – und seit Jahrzehnten bekannte – Lösungen, wie das Augsburger Modell umzusetzen, wird noch immer die Erlaubnis zum Abschuss von Tauben erteilt.“
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage zur Beantwortung zugeleitet. Gestatten Sie mir zunächst eine Vorbemerkung, bevor ich auf Ihre Fragen eingehe.
Die Landeshauptstadt München verfolgt seit 2008 die Einrichtung von Taubenhäusern nach dem Augsburger Modell. Seither wurden insgesamt 17 Taubenhäuser eingerichtet. Zwei dieser Taubenhäuser wurden wieder geschlossen, darunter das Taubenhaus am Hauptbahnhof, zwei Taubenhäuser bestanden schon vorher. Ich gehe davon aus, dass noch heuer das Taubenhaus auf dem Gebäude des Referats für Gesundheit und Umwelt(RGU) eingerichtet werden kann. Ein zweites Taubenhaus auf städtischem Gelände gibt es übrigens auf dem Gelände der Großmarkthalle. Dies zeigt sehr deutlich, dass das Augsburger Modell in München erfolgreich umgesetzt wird.
Die hohe Zahl von letztlich nicht eingerichteten Taubenhäusern spiegelt aber auch die Probleme wider, die es im konkreten Fall gibt. Einige Beispiele:
-Der Beirat einer Wohnungseigentumsgemeinschaft hat Interesse an einem Taubenhaus, auf der Versammlung der Wohnungseigentümer*innen wird es aber abgelehnt.
-Die Konstruktion eines Hauses lässt die Einrichtung nicht zu, weil das Dach nicht begehbar ist, der Platz im Dachstuhl zu klein ist oder es keine Möglichkeit für die Betreuenden gibt, sich zu waschen. -Bei der Besichtigung zeigt sich, dass zwar Probleme vorhanden sind, der örtliche Taubenschwarm aber insgesamt zu klein ist, um ein Taubenhaus zu errichten.
-Die örtliche Verwaltung zeigt Interesse, die Zentrale möchte aber kein Taubenhaus.
-Benachbarte Hauseigentümer*innen drohen mit einer Klage.
Ihre aufgeworfenen Fragen beantworte ich wie folgt:
Frage 1:
(Seit wann) findet das Augsburger Modell konkrete Anwendung in München?
Antwort:
Das erste Taubenhaus nach dem Augsburger Modell wurde im November 2011 in der Studentenstadt Freimann eingerichtet. Derzeit gibt es in München 17 Taubenhäuser, die nach dem Augsburger Modell betrieben werden.
Frage 2:
Wurden die Herausforderungen und Chancen des Modells mit den Augsburger Experten diskutiert?
Antwort:
Am 2. Juli 2008 fand im Rathaus der Stadt Augsburg ein Treffen mit Vertreter*innen der Stadtverwaltung sowie dem Initiator des „Augsburger Modells“, der Bundesarbeitsgruppe Stadttauben, statt. Außerdem wurden einige der in städtischen Verwaltungsgebäuden – unter anderem auch imRathaus selbst – eingerichteten Taubenschläge besichtigt. Die Ergebnisse der Gespräche führten zu einer verstärkten Suche nach Standorten für Taubenhäuser in München.
Frage 3:
Wenn ja: In welchem Rahmen fanden die Gespräche statt und was waren die Ergebnisse?
Antwort:
Siehe Antwort auf Frage 2.
Frage 4:
Werden „Tauben-Hotspots“ regelmäßig auf neue geeignete Standorte für Taubenschläge untersucht?
Antwort:
Dies ist im Rahmen der derzeitigen Personalausstattung (0,35 VZÄ für alle Aufgaben rund um das Thema Stadttauben) nicht leistbar.
Frage 5:
Wie stabil sind die „Tauben-Hotspots“?
Antwort:
Wie bei allen Tieren richtet sich die Größe einer Population von Stadttauben an einem bestimmten Ort hauptsächlich nach der vorhandenen Menge an Futter sowie Aufenthalts- und Nistplätzen aus. Bleiben diese unverändert, bleibt die Population stabil. Jungtiere wandern entweder ab oder ersetzen Altvögel, die altersbedingt, durch Krankheit oder durch Beutegreifer sterben. Ändern sich die Grundlagen, hat dies natürlich Auswirkungen auf die Anzahl der Tiere. Zum Beispiel war über viele Jahre hinweg das sogenannte Dönerhaus auf der Schwanthalerhöhe ein massiver Tauben-Hotspot, über den zahlreiche Beschwerden beim Referat für Gesundheit und Umwelt und anderen städtischen Dienststellen eingingen. Im Dachstuhl und in den ehemaligen Wohnungen siedelte sich ein großer Taubenschwarm an. Nach dem Abbruch dieses Gebäudes in diesem Jahr waren die Stadttauben hier gezwungen, sich neue Aufenthaltsplätze zu suchen.
Frage 6:
Werden (private) Standorte, an denen grundsätzliche Bereitschaft zur Errichtung eines Taubenhauses bestand, aber Rückmeldungen seit Jahren ausstehen, regelmäßig erneut angefragt? (Bspw. Anfrage an ein Hotel an der Bayerstraße 2013, Wohnanlage an der Dülferstraße 2014, Wohn- und Ladekomplex an der Engelschalkinger Straße 2017)
Antwort:
Ja, in der Regel mindestens einmal. Meist steht die Entscheidung dann fest.
Frage 7:
Wird regelmäßig überprüft, ob die Bereitschaft der privaten und städtischen Einrichtungen, ein Taubenhaus zu beheimaten, sich seit Beginn des Dialogs, und damit teilweise schon vor über 10 Jahren, verändert hat, bzw. ob es Veränderungen bei den Verantwortlichen gab?
Antwort:
Nein.
Frage 8:
Wird regelmäßig überprüft, ob sich die Begebenheiten an bereits geprüften Standorten verändert haben, sodass eine Errichtung eines Taubenhauses doch möglich wäre?
Antwort:
Nein, dies lassen die personellen Ressourcen nicht zu.
Frage 9:
Wird bei neuen Bauvorhaben an Tauben-Hotspots frühzeitig Kontakt zu Bauträgern aufgenommen, um mögliche Taubenhaus-Standorte frühzeitig in die Planungen mit einzubeziehen?
Antwort:
Nein.
Frage 10:
Auf welcher wissenschaftlichen Basis behauptet die Landeshauptstadt München, dass Taubenschläge „unhygienisch“ seien, wie in der Liste der geprüften möglichen Standorte von Taubenhäusern (RGU-UVO 24, Stand 10.9.2019) mehrfach erwähnt wird? Wie wird die Situation an Hotspots ohne Taubenschlag eingeschätzt?
Antwort:
Das RGU geht davon aus, dass Taubenhäuser grundsätzlich einen Beitrag zur Verbesserung der hygienischen Situation leisten können und stellt dies auch entsprechend in seinen Publikationen dar (siehe den Leitfaden „Leben mit Stadttauben“ und Infoblatt T04 „Taubenhäuser“ unter muenchen. de/stadttauben. Dennoch können Stadttauben wie fast alle Tiere Krankhei-ten übertragen (siehe Infoblatt T02 „Gefährden Stadttauben die menschliche Gesundheit“). Im Einzelfall kann daher die Einrichtung eines Taubenhauses unter hygienischen Gesichtspunkten kritisch sein.
Frage 11:
Welche lebensmittelhygienischen Bedenken können, beispielsweise am Viktualienmarkt, ausgeschlossen werden, wenn die Stadttauben anstatt in einem Taubenschlag direkt auf dem Markt hausen und auf Abfälle und herumliegende Lebensmittel als Nahrungsquelle zurückgreifen müssen? Auf welcher konkreten (wissenschaftlichen) Grundlage fußt diese Annahme des KVRs?
Antwort:
Das Kreisverwaltungsreferat –- Lebensmittelüberwachung teilt dazu Folgendes mit:
„Gemäß den lebensmittelrechtlichen Vorschriften sind Lebensmittel vor Kontaminationen zu schützen, die sie für den menschlichen Verzehr ungeeignet oder gesundheitsschädlich machen bzw. derart kontaminieren, dass ein Verzehr in diesem Zustand nicht zu erwarten wäre. Lebensmittel dürfen nur so hergestellt und behandelt oder in den Verkehr gebracht werden, dass sie bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt der Gefahr keiner nachteiligen Beeinflussung ausgesetzt sind.
Eine begründete Gefahr durch Tauben besteht insbesondere dann, wenn die Tiere in Kontakt mit Lebensmitteln kommen oder diese durch ihren Kot oder andere Keime kontaminieren können. Dies kann der Fall sein bei Marktständen mit offenen Auslagen, Straßencafés und Freiluftrestaurants, die stark von Tauben frequentiert werden. Von einer konkreten Gefahr ist immer dann auszugehen, wenn sich die Tauben in Bereichen befinden, die im Sinne der Hygiene zwingend von Tieren freizuhalten sind, also beispielsweise Räume von Lebensmittelbetrieben.
Um zu verhindern, dass Lebensmittel durch Tauben kontaminiert werden, sind von den Lebensmittelunternehmern bzw. vom Marktbetreiber entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Solche Maßnahmen können „sanfte“ Vertreibungsmethoden, aber auch Taubenvergrämung oder Taubenabwehr sein. Andernfalls müsste von den betroffenen Lebensmittelunternehmern ein verstärkter Warenschutz gefordert werden, was jedoch in vielen Fällen nicht dem Marktcharakter entsprechen würde.
Ausreichende Maßnahmen zum Schutz vor Kontaminationen sind bei vermehrtem Auftreten von Tauben in unmittelbarer Nähe von Verkaufs-ständen, die offene Lebensmittel anbieten, grundsätzlich erforderlich. Der Schutz von Verbraucher*innen muss nach Abwägung der unterschiedlichen Güter stets Vorrang haben. Ob ein Taubenschlag zu vermehrtem Auftreten von Tauben führt, kann von Seiten der Lebensmittelüberwachung nicht beurteilt werden. Je nach Standort wäre aber zu berücksichtigen, dass durch häufige Flugbewegungen Keime aufgewirbelt werden können und dadurch die Gefahr von Kontaminationen steigt.“
Ergänzend kann dazu gesagt werden, dass mehrere mögliche Standorte auf dem Viktualienmarkt oder in unmittelbarer Nähe vom RGU untersucht wurden. Sie konnten aus unterschiedlichen Gründen nicht verwirklicht werden, hygienische Bedenken spielten dabei keine entscheidende Rolle.
Frage 12a:
Ist der Landeshauptstadt München bekannt, dass das Fressen von Abfällen und herumliegenden Lebensmittelresten für Tauben tödlich sein oder sie zumindest anfälliger für Krankheiten machen kann?
Antwort:
Ja, dies ist auch ein Grund für das Fütterungsverbot von Stadttauben.
Frage 12b:
Ist sich die Landeshauptstadt München bewusst, dass Tauben Menschen nicht durch Betteln und Bedrängen stören würden, wenn sie an festen Standorten artgerecht gefüttert werden würden?
Antwort:
Das Hauptproblem, das durch Stadttauben verursacht wird, sieht das RGU ebenso wie viele Bürger*innen nicht im „Betteln und Bedrängen“, sondern in der teilweise massiven Verschmutzung von Fensterbrettern, Balkonen und Terrassen durch Taubenkot. Ebenso werden z.B. Solaranlagen in zunehmenden Maße von Stadttauben als günstige Nistmöglichkeit entdeckt und können hier sogar Schäden verursachen. Erhöhte Futtermengen durch Futterplätze führen zu erhöhter Population an diesen Stellen.
Frage 13:
Welche neuen Standorte werden derzeit geprüft? Wie möchte die Lan- deshauptstadt München sicherstellen, dass die Prüfungen dieses Mal von mehr Erfolg gekrönt sind?
Antwort:
Neben dem Taubenhaus auf dem Gebäude des RGU in der Bayerstraße 28a als Ersatz für das Taubenhaus am Hauptbahnhof sind derzeit zwei weitere Standorte im Gespräch.
Frage 14:
Wie hat sich die Taubenpopulation in München seit Beginn der Maßnah- men 2008 entwickelt?
Antwort:
Darüber liegen dem RGU keine Erkenntnisse vor.
Frage15:
Welche Strategie möchte die Landeshauptstadt München künftig im Umgang mit den Stadttauben fahren?
Antwort:
Das RGU setzt auf ein Drei-Säulen-Modell aus Information und Beratung der Bürger*innen, Einrichtung von Taubenhäusern und Fütterungsverbot. Das RGU entwickelt sein Konzept aus den bisherigen Erfahrungen ständig weiter, so z.B. durch die erweiterten Möglichkeiten bei der Förderung von Taubenhäusern. (muenchen.de/stadttauben)
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.