Artenvielfalt auch in München VII: Ein Jahr Volksbegehren Rettet die Bienen! – Anlage von Habitaten für Igel, Eidechsen, Insekten und Co. auf privaten Fläche
Antrag Stadtrats-Mitglieder Sonja Haider, Tobias Ruff und Johann Sauerer (ÖDP) vom 11.2.2020
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr. (Univ. Florenz) Elisabeth Merk:
Ihr oben genannter Antrag beinhaltet, dass im Rahmen von Bebauungsplänen verpflichtend ausreichend Habitate für bedrohte Tierarten vorgesehen werden. Als Beispiele für solche Habitate nennen Sie Lesesteinhaufen, Wurzelstöcke, Benjeshecken, Insektenhotels, Igelburgen und Ruderalflächen. Weiter beantragen Sie, dass bei Bauvorhaben gemäß § 34 die Bauherren im Bauantragsverfahren über die Möglichkeiten informiert werden, wie sie den Artenschutz in München unterstützen können. Außerdem soll die Stadtverwaltung beauftragt werden, hierzu ein Förderprogramm für private Bauherren zu entwickeln.
Zu Behandlung Ihres Antrages vom 11.2.2020 teilen wir Ihnen mit:
Die Belange des Naturschutzes, darunter die Auswirkungen auf Tiere und die biologische Vielfalt sind nach § 1 Abs. 6 Nr. 7 des Baugesetzbuches bei der Aufstellung der Bebauungspläne in der Abwägung zu berücksichtigen. Somit wird dem Artenschutz in den jeweiligen Verfahren in dem Umfang Rechnung getragen, der städtebaulich erforderlich ist. Insoweit wird Ihrem Anliegen, Habitate für Tiere im Rahmen von Bebauungsplänen zu schaffen, bereits entsprochen. Eine zusätzliche Verpflichtung zur Schaffung von Habitaten ohne entsprechende Erfordernis ist im Baugesetzbuch jedoch nicht vorgesehen. Nichtsdestoweniger verfügt die Landeshauptstadt München über ein breites Instrumentarium, das Ihrem Antrag entspricht.
Der Antragsgegenstand, Hinweise zum Artenschutz im Rahmen des Bauantragsverfahrens nach § 34 des Baugesetzbuchs zu geben, betrifft eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt. Derartige Hinweise stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit den Baugenehmigungsverfahren und
damit mit dem Verwaltungsvollzug. Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder jedoch nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Eine beschlussmäßige Behandlung dieses Anliegens im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.Ihrem Anliegen, ein Förderprogramm für Artenschutzmaßnahmen privater Bauherren zu entwickeln, wird bereits wie folgt entsprochen:
Bereits seit 2006 können im Rahmen des Förderprogramms Energieeinsparung (FES) des Referates für Gesundheit und Umwelt Beratungsleistungen und bauseitige Maßnahmen für gebäudebewohnende Tierarten in Kombination mit anderen Maßnahmen berücksichtigt werden.
Förderprogramme für freiwillige Artenschutzmaßnahmen von Privatpersonen sind insbesondere auch als Handlungsfeld 14 „Entwicklungsspielräume nutzen“ der am 11.12.2018 von der Vollversammlung des Stadtrates beschlossenen „Biodiversitätsstrategie München“ (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 13218) verankert. Die betroffenen Referate sind im Rahmen dieses Beschlusses bereits beauftragt, die Biodiversitätsstrategie umzusetzen.
Einer mit Schreiben vom 25.8.2020 beantragten Fristverlängerung bis 31.10.2020 wurde zugestimmt.
Im Detail nimmt das Referat für Stadtplanung und Bauordnung in Abstimmung mit dem Baureferat und dem Referat für Gesundheit und Umwelt zu Ihrem Antrag vom 11.2.2020 wie folgt Stellung:
Im Rahmen der Bebauungsplanungen gibt es mehrere Ansatzpunkte, mit denen Habitate für bedrohte Tierarten geschaffen werden können:
1) Festsetzungen in der Satzung von Bebauungsplänen
Mit den Festsetzungen kann die Durchgrünung der zukünftigen Baugebiete im Sinne des Artenschutzes gefördert werden, unter anderem durch den Erhalt von Altbaumbeständen oder die Neupflanzung von Bäumen und Sträuchern bestimmter Arten und Pflanzqualitäten. Aus klimatischen und ökologischen Gründen wird auch auf privaten Flächen vermehrt die Pflanzung von Laub-Großbäumen (d.h. Bäume, die im Endwuchs größer als 20 m werden) in großer Pflanzqualität festgesetzt. Die Durchgrünung von Baugebieten dient neben dem Erholungszweck für die Bewohner*innen auch dazu, grundsätzlich möglichst vielfältige Lebensräume für Tier- und Pflanzenarten zu schaffen. Zum Teil dienen diese Habitate auch besonders geschützten Arten (z.B. Altbaumbestände).
Gestaltungsleitfäden können weiterreichende Vorgaben zur ökologischen Ausgestaltung der privaten Grundstücke treffen (z.B. zur Auswahl vogel- und insektenfreundlicher Gehölzarten).Regelungsmöglichkeiten gibt es auch bei der Einzäunung von Grundstücken, indem z.B. Hecken aus Laubgehölzen zu pflanzen sind und etwaige zusätzliche Zäune sockellos zu errichten sind (um Barrieren für Tiere zu vermeiden).
Weitere Regelungen werden z.B. für Dachbegrünungen getroffen. Die Festsetzung von Mindestschichtaufbauten von bis zu 20 cm (bei extensiven Dachbegrünungen) bzw. 40 cm (bei intensiven Dachbegrünungen, die als Gemeinschaftsdachgärten genutzt werden) ermöglichen insektenfreundliche Bepflanzungen, die auch im Winter nicht komplett durchfrieren und somit Bodennester schützen.
2) Ausgleichsmaßnahmen nach der Naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung
Die bei der Aufstellung von Bebauungsplänen voraussichtlich entstehenden, erheblichen Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes sowie der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts (naturschutzrechtlicher Eingriff) müssen in geeigneter Weise als Flächen bzw. Maßnahmen zum Ausgleich festgesetzt werden. Ausgleichsflächen können innerhalb und außerhalb der Bebauungsplangebiete liegen.
In der Regel wird für die Ausgleichsflächen und -maßnahmen ein Pflege- und Entwicklungskonzept erstellt, in dem die notwendigen Pflegemaßnahmen, deren Dauer und Taktung erläutert sind. Das Pflege- und Entwicklungskonzept wird spezifisch für den jeweiligen Eingriff und die betroffenen Schutzgüter, also auch für Tier- und Pflanzenarten, erarbeitet. Ob die Flächen sich zielgerecht entwickeln, wird über ein mehrjähriges Monitoring überwacht. Mit den Ausgleichsflächen werden damit (in unterschiedlicher Größe) Lebensräume für verschiedene Arten geschaffen.
Insbesondere mit den drei Ökokonten (Eschenrieder Moos, Moosschwaige, Fröttmaninger Heide) konnten so auch großräumig Flächen für bedrohte Tier- und Pflanzenarten geschaffen werden. Ein weiteres städtisches Ökokonto im Münchner Norden im Umfeld des „Schwarzhölzls“ wird zurzeit erarbeitet.
Meist in Verbindung mit den Ausgleichsflächen, gelegentlich auch darüber hinaus, werden in Bebauungsplänen Flächen oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft festgesetzt, soweit dies erforderlich ist.Diese Vorgehensweise entspricht dem Handlungsgrundsatz des Hand-
lungsfeldes „Ersatzhabitate schaffen“ der Biodiversitätsstrategie München. Bei unvermeidlichen Verlusten von Habitaten von Arten mit besonderer naturschutzfachlicher bzw. -rechtlicher Schutzpriorität ist es unverzichtbar, adäquate Lebensräume zu entwickeln, da ihre Bestände sonst weiter zurück gehen.
3) Maßnahmen aus Gründen des Artenschutzes
Für besonders geschützte und bestimmte andere Tier- und Pflanzenarten sind nach § 44 BNatSchG zusätzlich artenschutzrechtliche Vorgaben zu beachten. Auch diese werden mithilfe eines Gutachtens, der speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung, für den jeweiligen Standort erhoben und es werden artspezifische Maßnahmen zur Vermeidung von Beeinträchtigungen bzw. zur Schaffung neuer Lebensräume erarbeitet. Diese fließen ebenfalls in die Bebauungspläne ein. Artenschutzmaßnahmen werden, sofern möglich, auf den zum Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft vorgesehenen Flächen verwirklicht.
Während Flächen und Maßnahmen aus Gründen des Artenschutzes vor allem Lebensraum für bedrohte Zielarten schaffen, dient die Eingriffsregelung vor allem der Aufrechterhaltung der naturräumlichen Funktionen (also auch dem Schutz von Boden und Wasser). Damit werden auch Lebens-
räume für Arten gesichert bzw. geschaffen.
Sowohl Ausgleichsmaßnahmen als auch Artenschutzmaßnahmen werden in die Satzung des Bebauungsplans aufgenommen oder in einem städtebaulichen Vertrag geregelt. Der städtebauliche Vertrag weist die privaten Bauherren auch noch einmal explizit auf die Einhaltung der Bestimmungen des § 39 des Bundesnaturschutzgesetzes hin (allgemeiner Schutz wild lebender Tiere und Pflanzen z.B. Rodung von Gehölzen nur innerhalb bestimmter Zeiträume).
Die Bauleitplanung schafft den rechtlichen Rahmen, um Eingriffe in Lebensräume zu minimieren bzw. Lebensräume zu schaffen, in dem sie Flächen festsetzt, die von Bebauung freizuhalten sind bzw. auf denen gezielt Grünflächen bzw. Flächen für den Artenschutz verwirklicht werden können. Damit erfüllt sie insbesondere die gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung und des besonderen Artenschutzes.
Was die ökologische Ausgestaltung der privaten Grundstücksflächen anbelangt, besteht für die Bauleitplanung (sofern keine besonders geschütztenArten im jeweiligen Planungsumgriff vorkommen) kein pauschales Regelungsrecht.
Die Landeshauptstadt München hat jedoch einige zusätzliche städtische Regelungen erlassen, die zur Förderung des Natur- und Artenschutzes auf Privatgrundstücken beitragen: neben den o.g. Gestaltungsleitfäden, die für einzelne Baugebiete gelten, sind dies vor allem die Freiflächengestaltungssatzung sowie der Ökologische Kriterienkatalog. Sie kommen bei der konkreten Ausführung der Bauvorhaben (somit nach Abschluss des Bebauungsplanes) zum Tragen.
Bei Vorhaben, für die ein Bauantrag gestellt wird, sowie bei Freistellungsverfahren ist die Freiflächengestaltungssatzung der Landeshauptstadt München anzuwenden. Sie gilt im gesamten Stadtgebiet für die unbebauten und bebauten Grundstücke und für die äußere Gestaltung baulicher Anlagen. Die Satzung stellt die Bepflanzung der nicht überbauten Flächen unter Berücksichtigung der vorhandenen Gehölzbestände des Grundstücks sicher. Bei der Neupflanzung sind standortgerechte und vorwiegend heimische Gehölzarten zu verwenden. Ebenso wird darin u.a. die Dach- und Fassadenbegrünung geregelt. Zu Baugenehmigungen ist ein Freiflächengestaltungsplan einzureichen, der die Vorgaben der Freiflächengestaltungssatzung für das Baugrundstück umsetzt.
Der ökologische Kriterienkatalog der Landeshauptstadt München vom Februar 2017 ist verpflichtend für alle Bauvorhaben auf städtischen Grundstücken und wird auf privat-rechtlicher Basis in den Grundstückskaufverträgen vereinbart. So sind verpflichtend bei allen Gebäuden Quartiere für Gebäudebrüter (Mauersegler, Haussperling, Hausrotschwanz, Fledermausarten) nach einem festgelegten Schlüssel zu schaffen und zur Vermeidung von Vogelkollisionen müssen Glaswände und Glasbauteile vogelsicher vorgesehen werden.
Zu Ihrem Antrag, die Bauherren bei Vorhaben nach § 34 Baugesetzbuch über die Möglichkeiten zur Unterstützung des Artenschutzes zu informieren, teilen wir mit:
Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung informiert in seinem Internet-Angebot bereits ausführlich zum Thema „Naturschutz im Bauantragsverfahren“ – unabhängig von der Lage des Vorhabens. Querverweise auf weitere Internetseiten ermöglichen es, sich über rechtliche Verpflichtungen und Verfahrensfragen hinaus über Artenschutz und Artenschutzmaßnahmen zu informieren. Im Servicezentrum der Lokalbaukommission werdenregelmäßig Ausstellungen durchgeführt, die auch Themen des Naturschutzes aufgreifen, so dass gerade Bauherr*innen und Fachpublikum hier zusätzliche Informationen bekommen können. Ausstellungen zu Artenschutzthemen sind auch künftig geplant.
Baugenehmigungsbescheide beziehen sich auf konkrete Anträge. Ihre Inhalte bewegen sich im Rahmen des vorgegebenen Prüfungsumfangs. Dar-über hinaus gehende Hinweise sollen eine Ausnahme bleiben, sind aber in vielen Fällen ohnehin bereits enthalten, gerade auch zu artenschutzrechtlichen Verboten. Diese Hinweise werden aber gezielt nur dann gegeben, wenn hinreichend wahrscheinlich ist, dass im Zuge eines Bauvorhabens streng geschützte Arten und ihre Fortpflanzungs- und Ruhestätten betroffen sein können.
Zu Ihrem Antrag, dass die Stadtverwaltung ein Förderprogramm für private Bauherren entwickelt, nehmen das Baureferat und das Referat für Gesundheit und Umwelt wie folgt Stellung:
Bereits seit mehr als 40 Jahren fördert das Baureferat mit einem Sonderprogramm die freiwillige Begrünung und Umgestaltung von Innenhöfen, Vorgärten, Dächern und Fassaden und – neu seit 2019 – auch die naturnahe Begrünung von Firmengeländen. Im Zuge der Beratung der Eigentümerinnen und Eigentümer werden die Verwendung von insektenfreundlichen Stauden und Gehölzen, die Anlage von blütenreichen Wiesenflächen, von Insektenhotels, Trockenmauern und Ähnlichem angeregt.
Das Referat für Gesundheit und Umwelt fördert nach Maßgabe der „Richtlinien für die Gewährung von Zuwendungen der Landeshauptstadt München im Gesundheits- und Umweltbereich“ Umweltprojekte, Umweltschutz-Initiativen und Vereine in München, die sich für den Schutz und die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen einsetzen.
Informationsmaterial mit detaillierten Informationen für biodiversitätsfördernde Gestaltung und Pflege von Privatgärten und Balkonen werden bereits seit einigen Jahren innerhalb des RGU-Förderprojekts „Biodiversitäten und Klimawandel“ vom Landesbund für Vogelschutz e.V. (LBV) in enger fachlicher Abstimmung mit dem Referat für Gesundheit und Umwelt erarbeitet. Seit den ersten Durchführungsjahren ist die ökologische Aufwertung von privatem Grünraum und die Vermittlung von nachhaltigen Gartenpraktiken hier ein zentrales Anliegen. Die Themen Gärtnern ohne Torf, aber auch insektenfreundliche Bepflanzungen, Nisthilfen für Vögel und Wildbienen, Quartiere für Fledermäuse, Igel und andere Tiere stoßen aufgroßes Interesse, und der Beratungsbedarf ist nach wie vor hoch. Im Rahmen dieses Projekts wurden zahlreiche Handreichungen und Informationsbroschüren erstellt, die den Münchner*innen die lokale Artenvielfalt und die Notwendigkeit ihres Schutzes nahegebracht haben und Anregungen geben, aktiv Lebensraumstrukturen für bestimmte Arten oder Artengruppen zu schaffen.
Auch im Bauzentrum München ist derzeit ein Beratungsangebot zum Thema naturnahe Balkon- und Gartengestaltung in Vorbereitung.In diesem Zusammenhang ist auch auf den neuen Flyer des RGU hinzuweisen, der sich an das breite Publikum wendet und Tipps gibt, wie Bürger*innen zum Erhalt der biologischen Vielfalt beitragen können.
Die Publikation kann online abgerufen werden:
www.muenchen.de/rathaus/Stadtverwaltung/Referat-fuer-Gesundheit-und-Umwelt/Flora_und_Fauna/Biologische_Vielfalt.html.
Insoweit wird der Intention Ihres Antrags bereits entsprochen.
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.