Netzwerk „Bürgermeister für den Frieden“: München unterwirft sich nicht der NATO-Doktrin, sondern prüft Möglichkeiten zur Rüstungskonversion
Antrag Stadtrats-Mitglieder Cetin Oraner und Brigitte Wolf (Die Linke) vom 9.10.2019
Initiative als „Mayors for Peace“: Landeshauptstadt gegen martialische Militär-Zeremonien
Antrag Stadtrats-Mitglieder Cetin Oraner und Brigitte Wolf (Die Linke) vom 23.10.2019
Netzwerk „Bürgermeister für den Frieden“: München verurteilt völkerrechtswidrigen Angriffskrieg des NATO-Partner Türkei auf Nordsyrien/
Rojava
Antrag Stadtrats-Mitglieder Cetin Oraner und Brigitte Wolf (Die Linke) vom 28.11.2019
Antwort Oberbürgermeister Dieter Reiter:
In Ihren drei Stadtratsanträgen vom 9.10.2019, 23.10.2019 und 28.11.2019 fordern Sie jeweils Einzelmaßnahmen im Rahmen der Mitgliedschaft der Landeshauptstadt München im Netzwerk „Mayors for Peace“.
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist.
Der Stadtrat der Landeshauptstadt München hat in seiner Sitzung am 26.1.2005 über die grundsätzliche Frage beschlossen, ob die Landeshauptstadt der Solidargemeinschaft der „Mayors for Peace“ („Bürgermeister für den Frieden“) beitritt oder nicht (Sitzungsvorlage Nr. 02-08/V 05678).
Die mit diesem Beschluss in Zusammenhang stehenden und von Ihnen beantragten Einzelmaßnahmen stellen dagegen laufende Angelegenheiten dar, deren Besorgung nach Artikel 37 Absatz 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt.
Eine beschlussmäßige Behandlung Ihrer Anträge im Stadtrat ist daher nicht möglich. Ihr Einverständnis vorausgesetzt beantworte ich Ihre Fragen daher hiermit per Brief.
Zu den drei Anträgen kann ich Ihnen im Einzelnen das Folgende mitteilen:
1. Netzwerk „Bürgermeister für den Frieden“: München unterwirft sich nicht der NATO-Doktrin, sondern prüft Möglichkeiten zur Rüstungskonversion (Antrag Nr. 14-20 / A 06037 vom 9.10.2019)
In Ihrem Antrag vom 9.10.2019 fordern Sie, dass die Verwaltung und insbesondere das Referat für Arbeit und Wirtschaft im Rahmen des Netzwerkes „Mayors for Peace“ (MfP, Bürgermeister für den Frieden) eine Konferenz mit dem Titel „Möglichkeiten der Konversion der Produkt- und Entwicklungslinien von in München ansässigen Unternehmen, die der Rüstung dienen“ veranstaltet. Teilnehmen sollen Experten zu Konversionsfragen, die Unternehmensleitungen und die Betriebsräte der Unternehmen aus diesem Sektor.
Zur Verteidigungs- und Sicherheitspolitik hat die Landeshauptstadt München keine allgemeine Verbandskompetenz. Die Genehmigung von Rüstungsexporten hängt in jedem Einzelfall von außen- und sicherheitspolitischen Erwägungen ab, die in die Zuständigkeit des Bundes fallen.
Bei Rüstungsgütern sind Herstellung und Handel auf nationaler wie internationaler Ebene gesetzlich strengstens reglementiert. Die politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern wurden 2019 geschärft.
Folglich ist es nicht zielführend, auf kommunaler Ebene auf die wirtschaftliche Betätigung von Privatunternehmen einzuwirken, die im Einklang mit geltendem Recht handeln müssen.
2. Initiative als „Mayors for Peace“: Landeshauptstadt gegen martialische Militär-Zeremonien (Antrag Nr. 14-20/A 06094 vom 23.10.2019)
In Ihrem Antrag vom 23.10.2019 fordern Sie, dass sich die Landeshauptstadt München im Rahmen der „Bürgermeister für den Frieden“ an die Staatsregierung mit der Aufforderung wendet, der Bundeswehr keine repräsentativen und innerstädtischen Plätze für öffentliche Vereidigungen, Beförderungen, Gelöbnisse und ähnliche in militaristischer Tradition stehende Rituale zur Verfügung zu stellen. Dies gelte auch für das von der Bundeswehr am 18.11.2019 im Hofgarten geplante öffentliche Gelöbnis.
Der Münchner Stadtrat hatte am 24.6.2009 per Beschluss einem ungleich öffentlichkeitswirksameren Gelöbnis auf dem Marienplatz zugestimmt und sich in diesem Rahmen zur Thematik Ihres Antrags bereits positioniert (Sitzungsvorlage 08-14/V 02352). Die Haltung, die der Münchner Stadtratin diesem Beschluss vom 24.6.2009 mehrheitlich eingenommen hat, kann dem folgenden Zitat aus der Sitzungsvorlage entnommen werden:
„Mit einem öffentlichem Gelöbnis buchstäblich ‚im Herzen der Stadt‘ kann der Rückhalt der Bevölkerung für die der Demokratie verpflichteten Parlamentsarmee verdeutlicht werden, ohne dass Bilder entstehen, die der Bundeswehr Schaden zufügen könnten.“
Auch das Gelöbnis am 18.11.2019 im Hofgarten entsprach dieser Haltung zur Bundeswehr. Die Nutzung öffentlicher Plätze durch die Bundeswehr als Parlamentsarmee ist genauso legitim wie deren Inanspruchnahme durch gesellschaftliche Gruppen, die gegen diese Nutzung demonstrieren.
Entgegen den Ausführungen in Ihrem Antrag beförderte das Gelöbnis am 18.11.2019 keine revanchistischen Sichtweisen. Dieses Datum wurde wegen des zeitlichen Zusammenhangs mit dem 64. Gründungsjubiläum der Bundeswehr gewählt. Das Gelöbnis unter Anteilnahme der Bevölkerung ist ein öffentlich abgelegtes Bekenntnis der Soldatinnen und Soldaten zu unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung als Kernbegriff unserer gesamtstaatlichen Verfassung.
3. Netzwerk „Bürgermeister für den Frieden“: München verurteilt völkerrechtswidrigen Angriffskrieg des NATO-Partner Türkei auf Nordsyrien/Rojava (Antrag Nr. 14-20/A 06290 vom 20.11.2019)
In Ihrem Antrag vom 20.11.2019 fordern Sie, dass die Landeshauptstadt München als Mitglied im Netzwerk „Mayors for Peace“ im Einmarsch der türkischen Truppen und der mit diesen Truppen verbündeten islamistischen Milizen einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg sieht. Zudem soll ich durch den Stadtrat gebeten werden, mich über den Deutschen Städtetag oder direkt brieflich an die Bundesregierung zu wenden und diese aufzufordern,
-keinerlei Rüstungsexporte oder Rüstungslizenzvergaben an die Türkei mehr zuzulassen und dies auch in der EU durchzusetzen,
-humanitäre Hilfen für Nordsyrien/Rojava in Angriff zu nehmen, -mit allen diplomatischen Mitteln Druck auf die türkische Regierung auszu-üben, dass sie sowohl ihre Truppen vom Territorium Syriens zurückzieht, als auch unverzüglich die 2015 abgebrochenen Friedensgespräche mit den Vertretern der Kurdischen Arbeiterpartei, der Demokratischen Partei der Völker (HDP) und den Vertretern der anderen ethnischen Minderheiten wieder aufnimmt.Die Beurteilung der Völkerrechtswidrigkeit der türkischen Militäroperation in Nordsyrien obliegt als außenpolitische Frage der Bundesregierung.
Die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel hat die Türkei bereits eindringlich zur Beendigung der Militäroffensive in Nordsyrien gegen die kurdische YPG-Miliz aufgerufen (Protokoll der 118. Sitzung des 19. Deutschen Bundestages am 17.10.2019, S. 14385). Die Bundeskanzlerin sprach sich unter den jetzigen Bedingungen gegen Waffenlieferungen an die Türkei aus. Dies sei auch die Haltung der europäischen Partner. Sie sprach zudem die Tatsache an, dass 3,6 Millionen syrische Flüchtlinge in der Türkei Zuflucht gefunden haben. Der Rat für Auswärtige Angelegenheiten der Europäischen Union hat in seinen Schlussfolgerungen vom 14.10.2019 zum Nordosten Syriens ebenfalls eine eindeutige Haltung gegen die Militäroperation der Türkei im Nordosten Syriens bezogen. Dieser Haltung zuständiger Ebenen schließe ich mich ausdrücklich an.
Die kommunale Unterstützung beim Wiederaufbau ist im Rahmen einer kommunalen Partnerschaft möglich, sobald die Verhältnisse vor Ort es zulassen. Hierzu ist die Landeshauptstadt München bereit. Insoweit darf ich Sie auf den Stadtratsbeschluss vom 24.7.2019 zur Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 15155 verweisen.
Von den vorstehenden Ausführungen bitte ich Kenntnis zu nehmen und gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.