Wann wird der Mangel an Kinderärzten am Stadtrand endlich behoben?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Herbert Danner, Katrin Habenschaden, Anna Hanusch, Thomas Niederbühl, Angelika Pilz-Strasser und Sebastian Weisenburger (Fraktion Die Grünen – Rosa Liste) vom 24.1.2020.
Antwort Stephanie Jacobs, Referentin für Gesundheit und Umwelt:
Ihrer Anfrage liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
„Die kindermedizinische Unterversorgung einiger Stadtrandgebiete ist seit längerem Gegenstand öffentlicher Diskussionen und hat auch den Stadtrat schon wiederholt beschäftigt. Als Hindernis einer bedarfsgerechten Ver- sorgung wurde immer wieder die großräumige Bedarfsplanung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) angeführt, die nur die theoretisch bestehende Überversorgung im gesamten Stadtgebiet bewertet und die Mangelversorgung in Teilen des Stadtrands außer Acht lässt. Der Stadtrat hat daher bereits 2017 einen 4-Punkte-Plan verabschiedet, der die LHM beauftragt, sich bei den zuständigen Stellen der KVB und des Freistaats Bayern u.a. für eine kleinräumigere Bedarfsplanung und eine gleichmäßigere Verteilung von Arztpraxen im Stadtgebiet einzusetzen. 2018 beschloss der Stadtrat, in der Messestadt Riem mit den Kooperationspartner*innen STARTSTARK gGmbH, dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte München sowie der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns eine Kinderarztpraxis einzurichten und mit 165.900 Euro jährlich zu bezuschussen. Dies war über den Weg einer sog. Filialarztpraxis möglich. Dergeplante Eröffnungstermin war der 1.1.2019.
Das RGU wurde außerdem beauftragt zu prüfen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine zusätzliche Kinderarztpraxis in den Stadtbezirken Milbertshofen-Am Hart sowie Feldmoching-Hasenbergl realisiert werden kann und dem Stadtrat darüber bis Ende 2019 zu berichten. Wie nun bekannt wurde, hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Bayern festgestellt, dass in München keine Überversorgung mit Kinderärzten mehr besteht und vier weitere Zulassungen für Kinderärzte freigegeben. Die Referentin für Gesundheit und Umwelt hat in der letzten Vollversammlung überraschend mitgeteilt, dass die vier zusätzlichen kinderärztlichen Sitze bereits vor Ablauf der von der KV vorgegebenen Bewerbungsfrist an vier Job-Sharing-Praxen vergeben wurden.“
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage zur Beantwortung zugeleitet. Die darin aufgeworfenen Fragen beantworte ich wie folgt:
Frage 1:
Welche Praxen haben – vor dem offiziellen Ende der Bewerbungsfrist – nach welchen Kriterien den Zuschlag für die vier freien Kinderarztzulassungen erhalten? Sind diese Praxen im Zentrum oder in den unterversorgten Stadtrandgebieten ansässig?
Antwort:
Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) ist für die Sicherstellung der ambulanten medizinischen Versorgung der Bevölkerung zuständig. Bei der Bedarfsplanung zur Anzahl der maximal zulässigen Niederlassungen sind rechtliche Vorgaben, wie beispielsweise die Bedarfsplanungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), zu berücksichtigen.
Die aufgrund einer Änderung der Bedarfsplanungsrichtlinie Ende 2019 durchgeführte Neuberechnung der Arztsitze ergab für München rein rechnerisch vier zusätzliche Kinderarztsitze. Die KVB teilte dem Referat für Gesundheit und Umwelt mit, dass die Zuweisung dieser vier zusätzlichen Kinderarztsitze an bestehende Job-Sharing-Praxen durch die KVB auf Basis der Regelungen des § 101 Abs. 1 S. 1 Nr. 4-5, Abs. 3, Abs. 3a SGB V in Verbindung mit § 26 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und Abs. 3 der Bedarfsplanungs-Richtlinie erfolge. Da in München mehr als vier Job-Sharing-Verhältnisse bestehen, konnte deshalb kein Kinderarztsitz ausgeschrieben werden. Vielmehr wird entsprechend der Regelungen nach § 101 Abs. 3 und 3a SGB V in Verbindung mit § 26 Bedarfsplanungs-Richtlinie eine automatische Feststellung durch den Zulassungsausschuss der KVB in der nächstmöglichen Sitzung erfolgen. Die Praxen erhalten einen entsprechenden Zulassungsbescheid, welcher sie über das Erstarken der Zulassungen informiert.
Aus datenschutzrechtlichen Gründen dürfen nach Auskunft der KVB die Kinderarztpraxen, die im Zuge der partiellen Entsperrung des Planungsbereichs SK München einen Zulassungsbescheid gemäß § 101 III SGB V in Verbindung mit § 26 Bedarfsplanungs-RL erhalten werden, nicht bekannt gegeben werden. Daher wird die KVB entsprechend auch keine Angaben zu den konkreten Praxisstandorten mitteilen.
Frage 2:
Was haben die Vertreterinnen und Vertreter der Stadt unternommen, damit die Menschen in den unterversorgten Gebieten von den vier zusätzlichen Kinderarzt-Zulassungen profitieren können?
Antwort:
Hier verweise ich auf Frage 1. Die LHM hat keinen Einfluss auf die Verwendung der vier Kinderarztsitze.
Frage 3:
Hat sich die LHM als kommunale Trägerin eines oder mehrerer Medizini- scher Versorgungszentren um einen oder mehrere dieser freien Sitze beworben?
Antwort:
Wie bereits unter Frage 1 dargestellt, wurden die neuen Kinderarztsitze nicht ausgeschrieben, so dass die LHM keine Möglichkeit hatte, sich darauf zu bewerben. Darauf hatte ich bereits in der letzten Vollversammlung am 22.1.2020 hingewiesen.
Frage 4:
Aus welchen Gründen hat die von der Stadt unterstützte kindermedizinische Praxis in Trägerschaft der StartStark GmbH in der Messestadt Riem nicht ihren Betrieb aufgenommen? Warum wurde der Stadtrat hierüber nicht informiert?
Antwort:
Das Modell sah vor, dass die STARTSTARK gGmbH im Rahmen ihres
Gesamtengagements in der Messestadt fünf praktizierenden Fachärzten Praxisräume zur Verfügung stellt, in denen diese an fünf Tagen in der Woche kassenärztliche Regelleistungen anbieten. Die Ausstattung der Praxis konnte STARTSTARK aus Spendenmitteln finanzieren, ebenso die laufenden Raumkosten. Für die Refinanzierung der Personalkosten der Medizinischen Fachangestellten war für die STARTSTARK gGmbH der vom Stadtrat bewilligte Zuschuss vorgesehen.
Das Bayerische Finanzministerium hatte unmittelbar vor der beabsichtigten Betriebsaufnahme im September 2019 der STARTSTARK gGmbH jedoch
mitgeteilt, dass die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder einstimmig zu der Bewertung gekommen seien, dass die kinder- und jugendärztliche Praxis in dem von STARTSTARK gewählten Modell nicht als gemeinnützig anerkannt werden könne. Wäre das Modell wie geplant umgesetzt worden, hätte STARTSTARK seine Gemeinnützigkeit verloren und damit sein gesamtes Engagement für die Messestadt Riem gefährdet. Die LHM setzt sich für eine Verbesserung der Versorgung in der Messestadt Riem ein und prüft derzeit verbleibende Handlungsmöglichkeiten. Die Suche nach Lösungen für die kinderärztliche Versorgung in der MessestadtRiem ist noch nicht abgeschlossen, der Stadtrat wird schnellstmöglich, spätestens im Juli, erneut mit der Thematik befasst.
Frage 5:
Warum wurde der Stadtrat nicht beschlussgemäß über die Bemühungen zur Einrichtung einer zusätzlichen Kinderarztpraxis in den Stadtbezirken Milbertshofen-Am Hart sowie Feldmoching-Hasenbergl informiert und wann wird dies nachgeholt?
Antwort:
Das Problem der ungleichen Verteilung von Kinder- und Jugendarztsitzen über das Stadtgebiet betrifft nicht nur die Messestadt Riem, sondern insbesondere auch die Stadtbezirke Milbertshofen-Am Hart sowie Feldmoching-Hasenbergl. Mit Änderung der Bedarfsplanungs-Richtlinie vom 16.5.2019 wurde eine Neuberechnung der Arztsitze für Kinder- und Jugendärzt*innen beschlossen, die bis Ende 2019 durch die KVB erfolgen musste. Das Ergebnis der Neuberechnung, das Anfang Januar 2020 veröffentlicht wurde, wurde zunächst abgewartet, um mit konkreten und aktuellen Planungszahlen für München weiterarbeiten zu können. Aufgrund der aktuellen, oben beschriebenen Entwicklungen muss die Stadtratsbefassung noch zurückgestellt werden, wird jedoch schnellstmöglich, spätestens im Juli, erfolgen.