Der rechtsextreme Mord an Walter Lübcke, der antisemitische Anschlag von Halle, die rassistische Terrortat von Hanau, der dramatische Anstieg rechtsextremer, rassistischer, antisemitischer und anderer menschenfeindlicher Vorfälle und Gewalttaten im Alltag – es gibt aktuell sehr viele Anlässe und Gründe, dieser Entwicklung ein starkes und deutliches Zeichen entgegenzusetzen: für ein vielfältiges, weltoffenes und demokratisches München sowie gegen die rassistischen, antisemitischen, demokratie- und menschenfeindlichen Angriffe von rechts außen.
Genau das hatten mehr als 80 Einrichtungen aus allen Bereichen der Münchner Stadtgesellschaft mit über 100 Veranstaltungen zu den Internationalen Wochen gegen Rassismus geplant. Leider muss das von der städtischen Fachstelle für Demokratie koordinierte Veranstaltungsprogramm jedoch in diesem Jahr – aufgrund der Schutzmaßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 – ausfallen. „Auch wenn wir die Veranstaltungen in diesem Jahr leider absagen mussten, geht vom breiten, bunten und vielfältigen Programm zu den Internationalen Wochen gegen Rassismus trotzdem ein bemerkenswertes Zeichen der Solidarität, Klarheit und Entschlossenheit der Münchner Stadtgesellschaft im Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit aus“, erklärt Miriam Heigl, Leiterin der Fachstelle für Demokratie. „Das stimmt uns für den auch weiterhin dringend nötigen Kampf gegen Diskriminierung und Hasskriminalität sehr optimistisch“, so Heigl anlässlich des Internationalen Tags gegen Rassismus am Samstag, 21. März.
Auch Oberbürgermeister Dieter Reiter bedankt sich bei allen Beteiligten für ihren wichtigen Einsatz: „Es ist sehr schade, dass die Veranstaltungen zu den Internationalen Wochen gegen Rassismus nun leider ausfallen müssen. Mein Dank gilt allen, die mit so großem Engagement an diesem vielfältigen und spannenden Programm mitgearbeitet haben. Wir alle werden auch in Zukunft für ein tolerantes, weltoffenes und demokratisches München einstehen und nicht zulassen, dass Menschen aus rassistischen, antisemitischen oder anderen menschenfeindlichen Gründen ausgegrenzt oder sogar bedroht und angegriffen werden.“
Die Corona-Krise hält derzeit alle in Atem. Wie in jeder Krise sind jetzt Solidarität und Empathie gefordert. Das gilt aktuell insbesondere für den Kampf gegen Covid-19. Aber auch die rechtsextremen, rassistischen und antisemitischen Terrortaten der vergangenen Monate haben auf erschreckende Weise gezeigt, welcher Bedrohung von rechts die Gesellschaft aktuell ausgesetzt ist. Fälle von Diskriminierung und Hasskriminalität im Alltag nehmen auch in München dramatisch zu.
„Daher dürfen wir die dringend nötige Debatte darüber, wie wir uns der Gefahr von rechts außen noch viel entschiedener entgegenstellen können, nicht aus dem Blick verlieren“, erläutert Miriam Heigl. „Dies ist auch deshalb wichtig, weil wir in der extremen Rechten schon jetzt Strategien und Tendenzen beobachten, die Coronakrise für ihre menschenverachtenden Zwecke zu instrumentalisieren. Allen Versuchen der Spaltung unserer Gesellschaft – zum Beispiel durch die rassistische Konstruktion von Sündenböcken – müssen wir eine klare Absage erteilen.“ Zur Auftaktveranstaltung der Internationalen Wochen gegen Rassismus hatte die Fachstelle für Demokratie die Journalistin, Publizistin und Sprecherin des postmigrantischen Netzwerks „neue deutsche organisationen“, Ferda Ataman, den Bundestagsabgeordneten Dr. Karamba Diaby, die Münchner Autorin Lena Gorelik sowie den frischgebackenen Grimme-Preisträger Georg Restle nach München eingeladen, um gemeinsam Impulse für eine vielfältige und solidarische Stadtgesellschaft zu setzen. Obwohl die Veranstaltung nicht stattfinden konnte, war es den geladenen Expertinnen und Experten wichtig, folgende Botschaften zum Internationalen Tag gegen Rassismus zu übermitteln:
Ferda Ataman: „Es ist wichtig, dass in der aktuellen Corona-Krise die aktuelle Rassismus-Krise nicht unter den Tisch fällt. Die wachsende Gefahr durch Rechtsextremisten bleibt ebenso bestehen wie der strukturelle Rassismus, dem viele Menschen im Alltag, in der Schule, auf dem Wohnungsmarkt oder im Beruf begegnen. Die Regierung muss endlich radikale Antworten darauf finden, denn auch hier gilt: wir haben keine Zeit mehr zu verlieren.“
Dr. Karamba Diaby: „Fakt ist: Deutschland hat ein Rassismusproblem. Staat und Zivilgesellschaft müssen gemeinsam dieses Problem überwinden, ehe es zu spät ist. Dazu müssen mehr Demokratinnen und Demokraten ihre Stimme erheben, auch in den sozialen Medien. Schließlich ist die überwältigende Mehrheit der Gesellschaft weltoffen und solidarisch. Das müssen wir jetzt auch endlich deutlicher zeigen.“
Lena Gorelik: „Woran uns die Corona-Krise erinnert: Daran, dass wir alle Menschen sind. Menschen, die krank werden können, Hunger haben, mit anderen zusammen sein möchten. Der Virus denkt über Zugehörigkeit, Herkunft, Religion, Geschlecht nicht nach, er hat es auf Menschen abgesehen. Und wir? Auf der einen Seite sprießt Solidarität, man hilft einander. Auf der anderen Seite Schuldzuweisungen, krude Theorien, in denen Minderheitengruppen und Ethnien für den Virus verantwortlich gemacht werden, Anfeindungen und Ausgrenzungen, die jeder Menschlichkeit entbehren. Was die Antwort auf die Corona-Krise sein muss: Mehr Solidarität, mehr Menschlichkeit und mehr Entschiedenheit im Kampf gegen die rassistischen Spaltungsversuche von rechts außen.“
Georg Restle: „Rassismus und völkischer Nationalismus sind in unserer Gesellschaft auf dem Vormarsch: im Netz, auf der Straße und in den Par- lamenten. Bis weit in die Mitte der Gesellschaft hinein machen sich antisemitische, rassistische, menschenfeindliche Vorurteile breit. Die größte Gefahr besteht darin, dies nicht wahrnehmen zu wollen oder zu verharmlosen. Deshalb braucht es eine starke Zivilgesellschaft, die diese Gefahr benennt und dagegen hält: für eine offene, freiheitliche und humane Gesellschaft, die die Menschenwürde für alle verteidigt.“