Klimaneutrales München bis 2035 – Maßnahme 2: Kurzstreckenflüge verringern durch hohe Start- und Landegebühren
Antrag Stadtrats-Mitglieder Paul Bickelbacher, Herbert Danner, Katrin Habenschaden, Anna Hanusch, Dominik Krause und Sabine Krieger (Fraktion Die Grünen – Rosa Liste) vom 19.9.2019
Antwort Clemens Baumgärtner, Referent für Arbeit und Wirtschaft:
Mit Ihrem o.g. Antrag schlagen Sie vor, die LHM möge als Anteilseignerin der Flughafen München GmbH (FMG) ihren Einfluss geltend machen und für eine Erhebung von hohen Start- und Landegebühren für Kurzstreckenflüge sorgen, um so deren Anzahl zu reduzieren.
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Die Festlegung der Start- und Landeentgelte fällt jedoch nicht in die Zuständigkeit des Stadtrates oder als laufende Angelegenheit in die Zuständigkeit des Oberbürgermeisters, sondern gehört im Rahmen des § 19b Luftverkehrsgesetz (LuftVG) zum operativen Geschäft der FMG. Da eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat daher rechtlich nicht möglich ist, wird der Antrag anhand der Stellungnahme der FMG als Brief beantwortet.
Vorbemerkung:
Vorab erlaube ich mir darauf hinzuweisen, dass eine gute Verkehrsanbindung angesichts einer weiter zunehmenden arbeitsteiligen Weltwirtschaft ein wesentlicher Standortfaktor sowohl für die Münchner Wirtschaft als auch für die Stadt München als Touristendestination ist.
Zudem sind die in der Diskussion um Kurzstreckenflüge regelmäßig gemeinten Inlandsflüge kaum von den sog. Feederverkehren (Zubringerflüge), die für den Betrieb des Münchner Flughafens als Drehkreuz (Hub-Flughafen) erforderlich sind, zu unterscheiden. Ohne diese Verkehre wäre kein effizienter Betrieb von Langstreckenverkehren möglich und in Folge die Konnektivität des Standorts Deutschland gefährdet. Eine Verlagerung von Feederverkehren auf alternative Verkehrsmittel wäre nur dann zu erreichen, wenn damit für die Reisenden keine größeren Einbußen hinsichtlich Zuverlässigkeit, Reisekomfort oder Reisezeit verbunden sind. Einschlägige Veröffentlichungen des Umweltbundesamtes (Umweltschonender Luftverkehr, Texte 130/2019) sowie des Bundes der Luftverkehrsunternehmen (BdL, Klimaschutz im Luftverkehr, August 2019) nennen als we-sentlichen Baustein für eine Verlagerung des innerdeutschen Luftverkehrs auf die Schiene die Reisezeit.
Eine Verlagerung von Zubringerflügen auf die Schiene setzt vor allem voraus, dass eine adäquate Anbindung des Münchner Flughafens an das Fernverkehrsnetz der Deutschen Bahn vorhanden ist. Derzeit enden jedoch alle IC/ICE-Züge am Münchner Hauptbahnhof, von dem dann ein Anschluss an den Flughafen München mit der S1 bzw. S8 und einer weiteren Reisezeit von rd. 40 Minuten besteht. Unterstellt, dass die Deutsche Bahn überhaupt ausreichende Transportkapazitäten zur Verfügung stellen könnte, können die bestehenden Verbindungen insbesondere Kurzstreckenflüge für Umsteigepassagiere nicht adäquat ersetzen. Um die Gesamtreisezeit in akzeptablen Grenzen zu halten, wäre ein nahtloser Übergang vom Fernzug auf das Flugzeug am Münchner Flughafen erforderlich, der trotz derzeit geführter Diskussionen über Realisierungsmöglichkeiten auf absehbare Zeit nicht in Sicht ist.
Eine ebenfalls in Betracht kommende Anreise mit dem Fernbus direkt zum Flughafen München ist zwar mittlerweile von einigen Zielen in Süddeutschland, Österreich, der Schweiz und Norditalien möglich. Die entsprechenden Linien werden jedoch nicht ausreichend häufig angeboten. Zudem ist bei der Anreise mit dem Fernbus die Frage einer Kostenerstattung bei verpasstem Flug infolge von Verspätungen bei der Anreise mit Bussen durch die permanent überlasteten Straßen nicht geklärt. Das entsprechende finanzielle Risiko tragen damit grundsätzlich die Passagiere.
Gesetzliche Regelung (§ 19b LuftVG)
Die Festlegung der Flughafenentgelte, zu denen auch die Start- und Landeentgelte gehören, ist durch die gesetzlichen Bestimmungen des §19b LuftVG abschließend geregelt und erfolgt in einem aufwendigen Genehmigungsverfahren. Jede Entgeltanpassung muss im Rahmen einer Konsultation/Anhörung vorab gegenüber den Nutzern (Airlines) ausführlich begründet und danach bei der zuständigen Behörde (in Bayern: Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr, StMB) beantragt und genehmigt werden.
Die Einhaltung der genehmigungsrechtlichen Vorgaben ist im Hinblick auf das am 21.11.2019 ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der Rs. C-379/18 von besonderer Bedeutung, da darin festgestellt wurden, dass Fluggesellschaften die Einhaltung der genehmigungsrechtlichen Vorgaben unmittelbar vor den Verwaltungsgerichten überprüfen lassen können. Eine erfolgreiche Klage hätte dabei zur Folge, dass die Genehmi-gung der Entgeltordnung – und damit die Grundlage für die Erhebung von Entgelten – aufgehoben wird.
§19b LuftVG sieht vor, dass Verkehrsflughäfen ihre Entgelte (Start- und Landeentgelte sowie Passagierentgelte) kostenorientiert berechnen müssen. Die konkrete Höhe der Flughafenentgelte ist dabei auf Basis der Kosten, die für die Errichtung und den Betrieb der Luftverkehrsstruktur vor Ort erforderlich sind, festzulegen.
Der o.g. Kostenbezug muss auch gewahrt werden, wenn innerhalb der Entgelte differenziert wird. Dementsprechend sieht die Entgeltordnung des Flughafens München eine Differenzierung der Passagierentgelte nach Zielregionen (innerdeutsch, EU und Non-EU) vor, wobei für die internationalen Passagiere die höchsten Entgelte vorgesehen sind. Hintergrund hierfür ist die bei längeren Distanzen höhere Inanspruchnahme der Infrastruktur durch internationale Passagiere und die damit verbundenen höheren Kosten für die Bereitstellung der Einrichtungen (zusätzliche Kontrollen, höheres Gepäckvolumen und längere Aufenthaltszeit).
Darüber hinaus verlangt §19b LuftVG, dass die Entgelte nach geeigneten, objektiven, transparenten und diskriminierungsfreien Kriterien gestaltet werden; insbesondere dürfen Flughafenentgelte nicht willkürlich festgelegt werden. Durch den Kostenbezug ist die Gesamthöhe der Flughafenentgelte limitiert. „Klimapolitische Zuschläge“ (etwa für Kurzstreckenflüge) sind dabei nach den geltenden gesetzlichen Vorgaben nicht vorgesehen und damit nicht möglich. Würde man demgegenüber – wie im Stadtratsantrag gefordert – für die innerdeutschen Passagiere die höchsten Entgelte vorsehen, würde diese Festlegung dem Kostenbezug und damit den gesetzlichen Vorgaben widersprechen. Hinzu kommt, dass gemäß dem aktuellen Verkehrsaufkommen am Flughafen München innerdeutsche Strecken lediglich von einer sehr begrenzten Anzahl an Fluggesellschaften bedient werden. Eine Erhöhung von Entgelten, bei der bereits im Voraus bekannt ist, dass dadurch im Wesentlichen nur eine sehr kleine Gruppe von Luftfahrtunternehmen belastet werden würde, wäre daher auch wegen der diskriminierenden Wirkung als unzulässig einzustufen.
Hinsichtlich der Start- und Landeentgelte ist zudem nach einhelliger Meinung eine Differenzierung nach Zielregionen bereits grundsätzlich unzulässig. Entsprechende Differenzierungen finden sich deshalb an keinem internationalen Verkehrsflughafen weltweit. Eine Ausnahme ist dann möglich, wenn – wie in § 19b LuftVG vorgesehen – mit der Differenzierung das Ziel einer Reduzierung der Lärm-/Emissionsbelastung verbunden ist (z.B. Zuschläge für laute Flugzeuge, Abschläge für leise, emissionsarme Flug-zeuge). Diese Differenzierung ist in der Entgeltordnung der FMG bereits verankert.
Zu der im Antrag angesprochenen, vermeintlichen Steuerungswirkung der Flughafenentgelte ist zudem darauf hinzuweisen, dass die Flughafenentgelte nur einen Anteil von 5 – 10 % an den Gesamtkosten eines Fluges ausmachen.
Fazit:
Auf Basis der aktuellen gesetzlichen Regelung des § 19b LuftVG ist es nicht möglich, Start- und Landeentgelte, beispielsweise aufgrund eines „Klimaschutzzuschlags“, zu erhöhen.
Für den Luftverkehr existiert bereits eine Luftverkehrsabgabe (derzeitige Höhe pro Fluggast und je nach Flugstrecke: 7,38 bis 41,49 Euro, geplante Erhöhung ab April 2020 auf 13,03 bis 59,43 Euro).
Die Nachfrage nach inländischen Reisemöglichkeiten wird nach Auffassung der FMG zudem kurz- bis mittelfristig auch nicht durch eine Verteuerung oder ein Verbot von Inlandsflügen reduziert. Vielmehr würde sich die Nachfrage lediglich auf das ohnehin schon überlastete Straßennetz mit wesentlich weitreichenderen umweltschädlichen Auswirkungen oder auf ein zum Teil veraltetes und unterdimensioniertes Schienennetz verlagern. Eine damit verbundene Verlängerung von Reisezeiten würde die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland negativ beeinflussen, zu Abwanderungen von Firmen ins Ausland führen und damit lediglich eine Verlagerung des Verkehrs hervorrufen. Aus Sicht der FMG wäre es stattdessen zielführend, attraktive Angebote auf der Schiene gerade in Bezug auf Reisezeit und Preis zu schaffen, um den Kunden geeignete Alternativen anbieten zu können. Der Flughafen München würde – wie stets betont – einen Fernbahnanschluss (ICE) des Flughafens sehr begrüßen.
Eine auf innerdeutsche Flüge beschränkte Erhöhung von Entgelten (Passagierentgelte oder Start- und Landeentgelte) wäre angesichts der derzeit geltenden (europarechtlich vorgegebenen) gesetzlichen Rahmenbedingungen unzulässig. Bei der Entgeltregelung nach § 19b LuftVG können flugzeug- und infrastrukturbezogene sowie geschäftspolitische Gesichtspunkte einfließen, nicht aber (allgemeine) gesellschaftspolitische Aspekte.
Die FMG hat sich zudem als Teil der europäischen Flughafengemeinschaft dazu verpflichtet, Maßnahmen zu einer deutlichen Reduktion von CO2-Emissionen zu ergreifen, um die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen. Deshalb strebt die FMG an, in der nächsten Entgeltord-nung (ab dem 1.1.2021) umweltpolitische Interessen noch mehr zu berücksichtigen. Wie eine solche Gestaltung in Einklang mit den regulatorischen Anforderungen umgesetzt werden kann und welche Auswirkungen dies hätte, wird in den nächsten Monaten erarbeitet werden.
Ich bitte Sie, von den vorstehenden Ausführungen Kenntnis zu nehmen, und hoffe, dass Ihr Antrag zufriedenstellend beantwortet ist und als erledigt gelten darf.