Kinder- und Jugendarbeit stärken: Wie kann die Gemeinnützigkeit für freie Träger der Kinder- und Jugendarbeit erhalten bleiben?
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Rathaus Umschau 72 / 2020, veröffentlicht am 16.04.2020
Kinder- und Jugendarbeit stärken: Wie kann die Gemeinnützigkeit für freie Träger der Kinder- und Jugendarbeit erhalten bleiben?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Cetin Oraner und Brigitte Wolf (Die Linke) vom 5.2.2020
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
In Ihrer Anfrage vom 5.2.2020 führen Sie Folgendes aus:
„Es mehren sich Berichte über Entscheidungen der Finanzbehörden und Finanzgerichte, dass bislang als gemeinnützig steuerlich begünstigten Einrichtungen und Trägern insbesondere der Kinder- und Jugendarbeit die Gemeinnützigkeit entzogen werden könnte, weil sie sich in irgend einer Weise jugend- und kulturpolitisch engagiert und eingebracht haben. Ein besonderer ,Beigeschmack‘ entsteht durch die schon vollzogenen Entscheidungen, langjährig politisch engagierten und profilierten Organisationen wie ,attac‘ und der VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-Bund der Antifaschisten) die Gemeinnützigkeit aberkennen.
Die steuerliche Gemeinnützigkeit gem. § 54 der Abgabenordnung sagt zwar nichts über die Sinnhaftigkeit einer so privilegierten Organisation aus, bedeutet jedoch eine erheblich verminderte Steuerbelastung und die steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden. Wird die Gemeinnützigkeit aberkannt, ist damit sowohl eine erhebliche steuerliche Nachforderung verbunden, wie auch eine starke Verminderung des Spendenaufkommens. Dies kann bei vielen Einrichtungen gerade im Kinder- und Jugendbereich dramatische Folgen bis hin zur Insolvenz haben.
Die Anerkennung als Jugendhilfeträger nach §75 ist an gemeinnützige Zwecke gekoppelt. Damit dürften auch Zuschüsse, die die Träger für ihre Aufgaben erhalten, an die Gemeinnützigkeit gekoppelt sein.“
Zu Ihrer Anfrage vom 5.2.2020 nimmt das Sozialreferat im Auftrag des Herrn Oberbürgermeisters im Einzelnen wie folgt Stellung:
Frage 1:
Gibt es bei der Verwaltung (Stadtjugendamt) bereits Erkenntnisse über drohende Aberkennung der steuerlichen Gemeinnützigkeit bei politisch engagierten Jugendeinrichtungen?
Antwort:
Dem Sozialreferat/Stadtjugendamt liegen keine Erkenntnisse über drohende Aberkennungen der steuerlichen Gemeinnützigkeit bei freien Trägern der Kinder- und Jugendarbeit vor, die sich politisch engagieren und von der Landeshauptstadt München bezuschusst werden.
Frage 2:
Welche Möglichkeiten zu einem rechtlichen Beistand für Einrichtungen, die in dieser Form gefährdet sind, sind denkbar?
Antwort:
Unabhängig davon, dass derzeit kein derartiger Bedarf besteht (vgl. Antwort zu Frage 1), ist eine Unterstützung durch die Landeshauptstadt München in Form eines rechtlichen Beistandes nicht möglich, da das Rechtsdienstleistungsgesetz entgegensteht und die Landeshauptstadt München keine Rechtsberatung für freie Träger durchführen oder sich zu allgemein zugänglichen Themen wie einem rechtlichen Beistand äußern kann. Sofern einem freiem Träger aber tatsächlich die steuerliche Gemeinnützigkeit aberkannt werden sollte, steht es diesem frei, sich diesbezüglich von einem Rechtsanwalt beraten und vertreten zu lassen.
Frage 3:
Sieht die Stadt Möglichkeiten, durch Gespräche mit den zuständigen Finanzbehörden zu einer einvernehmlichen Regelung zu kommen?
Antwort:
Eine tatsächlich drohende Aberkennung der steuerlichen Gemeinnützigkeit betrifft ausschließlich das Verhältnis zwischen den freien Trägern und den Finanzbehörden. Dem Sozialreferat/Stadtjugendamt stehen diesbezüglich keine rechtlichen Möglichkeiten für Interventionen in dieses Rechtsverhältnis zu.
Frage 4:
Wie kann sichergestellt werden, dass verdiente Träger der Jugendhilfe, deren Existenz, Engagement und Aufgabenwahrnehmung für die städtische Kinder- und Jugendpolitik von Bedeutung sind, weiterarbeiten können, selbst wenn die Gemeinnützigkeit entzogen würde?
Antwort:
Verdiente Träger der Jugendhilfe können grundsätzlich auch im Falle einer Aberkennung der Gemeinnützigkeit weiterarbeiten. Die Anerkennung nach § 75 SGB VIII ist keine Voraussetzung oder ein zwingender Grund zur Zuschussförderung durch die Landeshauptstadt München. Eine solche kann grundsätzlich auch nach einer Aberkennung der Gemeinnützigkeit weiterhin erfolgen. Wie in der Antwort zu Frage 1 bereits ausgeführt, steht derzeit jedoch keine Aberkennung der steuerlichen Gemeinnützigkeit im Raum.