Die Kommunikation der Landeshauptstadt München mit ihren Bürgerinnen und Bürgern – nachgefragt?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Anja Berger, Jutta Koller, Sabine Krieger, Dr. Florian Roth, Oswald Utz und Sebastian Weisenburger(Fraktion Die Grünen – Rosa Liste) vom 22.10.2019
Antwort Stadtkämmerer Christoph Frey:
In Ihrer Anfrage haben Sie folgenden Sachverhalt zugrunde gelegt: „Eltern von Kindergartenkindern in städtischen Einrichtungen haben neulich Post vom Kassen- und Steueramt erhalten. In diesem Brief wird den Eltern erklärt:
‚auf obiger Kassenkonto-Nr. besteht derzeit ein Guthaben aus Nachminderung der Besuchsgebühr für die Monate 04/2019 bis 06/2019 von 300 Euro. Dieser Betrag wird gemäß § 226 Abgabenordnung beziehungsweise §§ 387 ff. BGB für die aus anliegender Rückstandsaufstellung ersichtlichen Kindertagesstättengebühren 07/19 + 08/19 verwendet. Um das Guthaben ordnungsgemäß erstatten zu können, bitten wir um schriftliche Bekanntgabe einer IBAN und BIC Nr. (diese finden Sie auf Ihrem Kontoauszug) der Erstattungsberechtigten.
Bitte verwenden Sie hierfür die Rückseite dieses Schreibens.‘ Auf der Rückseite des Schreibens müssen die ‚Erstattungsberechtigten‘ handschriftlich sämtliche Informationen eintragen. Auch hier sind diverse Einträge gefettet und gelb markiert. Ein Hinweis, ob das Schreiben postalisch oder auch eingescannt per E-Mail zurückgeschickt werden kann, fehlt. Im Anhang des Schreibens findet sich die ‚Rückstandsaufstellung‘, welche die Nachminderung der Besuchsgebühr sowie die Forderung der Besuchsgebühr und der Verpflegungsgebühr für die einzelnen Monate enthält. Dabei sind verschiedene Zeilen handschriftlich per Textmarker in orange und andere Zeilen in grün markiert worden, zudem wurden handschriftlich per Summenklammer die Nachminderungsbeträge und die geforderten Beträge zusammengerechnet.
Gleichzeitig wurde das Feld ‚Restschuld‘ handschriftlich durchgestrichen und durch ‚Restguthaben‘ ersetzt. Auch dies ist per Textmarker hervorgehoben.
Da über zehntausend Kinder im Kindergartenalter die städtischen Einrichtungen besuchen, muss man davon ausgehen, dass eine enorme Anzahl solcher oder ähnlicher Bescheide erstellt und verschickt wurde.“
Zunächst darf ich die Ausgangslage, die dem in Ihrer Anfrage erwähnten Schreiben zu Grunde liegt, kurz erläutern:Der Bayerische Landtag hat in 2018 eine Entlastung der Eltern von den Kindertageseinrichtungsgebühren beschlossen. Ab dem 1. April 2019 gewährte der Freistaat für alle Kinder, die bis zum 31.12.2015 geboren sind und die einen Kindergarten oder eine Kinderkrippe besuchen, einen staatlichen Beitragszuschuss in Höhe von monatlich 100 Euro. Der Stadtrat beschloss am 26.7.2019 eine neue Kindertageseinrichtungsgebührensatzung, mit der de facto der Kindergartenbesuch in einer städtischen KITA kostenfrei gestellt wurde (§ 2 Abs. 2 der Satzung). Die Zentrale Gebührenstelle des Referates für Bildung und Sport hat, als die entsprechenden Finanzmittel durch den Freistaat bereitgestellt wurden, für alle Kinder, die die Voraussetzungen erfüllten und bei denen sich eine Änderung in der Höhe der Besuchsgebühr ergab, in ca. 10.000 Fällen geänderte Gebührenbescheide versandt. Diese Bescheide erstellte das Referat für Bildung und Sport in einem automatisierten Verfahren.
Im August folgte dann (ebenfalls vollautomatisch) die Einbuchung der Forderungsminderungen in die beim Kassen- und Steueramt geführte SAP-Debitorenbuchhaltung (Modul PSCD) rückwirkend für die Monate April 2019 bis Juli 2019.
Die ca. 10.000 Erstattungen der dadurch entstehenden Überzahlungen erfolgte in den allermeisten Fällen im automatisierten Verfahren. So konnte der Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger das entstandene Guthaben innerhalb von zwei Arbeitstagen überwiesen werden.
Lediglich bei einem sehr geringen Prozentsatz von ca. 150 Fällen (das entspricht ca. 1,5%) war diese automatisierte Erstattung nicht möglich und der Sachverhalt musste von den Sachbearbeitern und Sachbearbeiterinnen des Kassen- und Steueramtes manuell geprüft und bearbeitet werden. Dies ist insbesondere dann erforderlich, wenn dem Kassen- und Steueramt überhaupt keine Bankverbindung bekannt ist oder wenn die bekannte Bankverbindung nicht dem von der Zentralen Gebührenstelle des Referates für Bildung und Sport festgelegten Gebührenschuldner gehört. Erstattungsberechtigter ist nach den abgabenrechtlichen Vorschriften grundsätzlich der Schuldner oder die Schuldnerin, für dessen Rechnung die Zahlung geleistet wurde.
Das Kassen- und Steueramt als zentrale Stelle der Buchhaltung und des Zahlungsverkehrs der Stadt verwaltet unter anderem die ca. 2 Millionen Schuldnerinnen und Schuldner (Debitorenbuchhaltung), die aus den verschiedensten Rechtsgründen Zahlungen an die Landeshauptstadt München leisten müssen (Steuerbescheide, Gebührenbescheide, privatrechtliche Rechnungen etc.). Der Automatisierungsgrad ist in diesem Massengeschäft bereits sehr hoch. Im vorliegenden Fall mussten nur noch die oben genannten Einzelfallgruppen überhaupt von Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern des Kassen- und Steueramtes manuell behandelt werden.
Zu den im Einzelnen gestellten Fragen kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Frage 1:
Wie viele Bescheide wurden auf die oben genannte Art erstellt und an Münchner Familien verschickt?
Antwort:
Das zitierte Schreiben ist kein Bescheid im engeren Sinne, sondern eine Aufrechnungsmitteilung verbunden mit der Bitte, eine Bankverbindung mitzuteilen, um ein Guthaben ordnungsgemäß erstatten zu können. Wie oben dargestellt konnten die Gebührenerstattungen meist vollautomatisch erfolgen, ein entsprechendes manuell erstelltes Schreiben war nur bei wenigen Fällen erforderlich. Das Kassen- und Steueramt geht, wie ebenfalls oben bereits ausgeführt, von einer Fallzahl von ca. 150 Fällen aus.
Frage 2:
Wurden alle verschickten Bescheide handschriftlich durch Hervorhebungen/Änderungen bearbeitet?
Antwort:
Handschriftliche Hervorhebungen/Änderungen wurden je nach der Komplexität des einzelnen Erstattungs- beziehungsweise Aufrechnungsfalles in den Fällen angebracht, in denen dies nach der Einschätzung der Sachbearbeiterin oder des Sachbearbeiters der besseren Nachvollziehbarkeit dienen konnte.
Frage 3:
Wie lange dauerte die Erstellung eines einzelnen Bescheides?
Antwort:
Für die Erstellung einer einzelnen Aufrechnungsmitteilung veranschlagt das Kassen- und Steueramt für den gesamten Vorgang vom IT-Aufruf, Sichten und Einordnen der Fallkonstellation bis zum Versand eine Bearbeitungszeit von ca. 4 Minuten. Zudem helfen die Hervorhebungen/Änderungen nach den Erfahrungen des Kassen- und Steueramtes oft, den Bürgerinnen und Bürgern telefonische Rückfragen zu ersparen und dadurch auch die Fallbearbeitung insgesamt zu beschleunigen.
Frage 4:
Wie viel Arbeitszeit ist beim Kassen- und Steueramt in der Stadtkämmerei sowie bei der Zentralen Gebührenstelle im Referat für Bildung und Sport angefallen, um diese Bescheide zu erstellen? Lässt sich diese Arbeitszeit monetär bemessen?
Antwort:
Insgesamt wurden für die Erstellung der Aufrechnungsmitteilungen mit ca. 10.000 Erstattungsfällen im Kassen- und Steueramt ca. 10 Stunden Arbeitszeit aufgewendet. In der Zentralen Gebührenstelle im Referat für Bildung und Sport ist keine Arbeitszeit angefallen. Die Gesamtkosten ohne Kosten für die technikunterstützte Informationsverarbeitung (TUI) betragen für eine Buchhaltungskraft in Tarifgruppe E 7 ca. 45 Euro/je Stunde, insgesamt also ca. 450 Euro. Die Arbeitszeitkosten sind aus Sicht des Kassen- und Steueramtes im Hinblick auf das Gesamtvolumen der Aktion und die sehr rasch erfolgte Abwicklung sehr gering.
Frage 5:
Ist der Oberbürgermeister – im Hinblick der Herausforderungen der Digitalisierung – zufrieden mit einer solchen Art der Bürgerkommunikation?
Antwort:
Siehe nachfolgende Antworten zu Fragen 6 und 8.
Frage 6:
Ist der Oberbürgermeister der Meinung, dass das verschickte Schreiben sprachlich und optisch für alle Bürgerinnen und Bürgern komplett verständlich ist? Wenn nicht, wie könnten solche Schreiben zukünftig aussehen?
Antwort:
Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern, die das Schreiben nicht nachvollziehen können oder die Sprache beziehungsweise die Form der Mitteilungen bemängeln, sind uns nicht bekannt. Das Kassen- und Steueramt wird die mit dieser Aufgabe betrauten Buchhaltungskräfte jedoch dahingehend sensibilisieren, solche Schreiben in Zukunft möglichst einfach und trotzdem nachvollziehbar entsprechend dem städtischen Erscheinungsbild zu gestalten.
Frage 7:
Wieso müssen die Eltern all ihre – der Verwaltung bereits bekannten – Zahlungsdaten handschriftlich neu angeben und zurück an das Kassen- und Steueramt schicken?
Antwort:
Wie bereits oben dargestellt ist Erstattungsberechtigter grundsätzlich der Schuldner, für dessen Rechnung die Zahlung geleistet wurde. Sofern dem Kassen- und Steueramt lediglich die Bankverbindung einer anderen Person (zum Beispiel des Ehegatten, Lebenspartners o.ä.) bekannt ist, ist die Anforderung einer Bankverbindung der Erstattungsberechtigten unabdingbar, da nur an diese erstattet werden darf.
Frage 8:
Wieso konnte dieses Schreiben nicht mittels einer geeigneten IT-Lösung komplett digital bearbeitet werden?
Antwort:
Die SAP-Softwarelösung PSCD (Public Sector Collection and Disbursement) für die Debitorenbuchhaltung beinhaltet keine Standardtransaktion und kein Standardformular, mit dem Aufrechnungsmitteilungen, verbunden mit der Aufforderung, eine Bankverbindung mitzuteilen, automatisiert erstellt werden können. Die Stadtkämmerei verfolgt grundsätzlich die Strategie, SAP-Standardlösungen einzusetzen. Eigenentwicklungen und Modifikationen der SAP-Software wären für wenige Einzelfälle wie im hier vorliegenden Fall insgesamt unwirtschaftlich und sind auch im Hinblick auf die Notwendigkeit, bei neuen SAP-Software-Releases umfangreiche Anpassungen an den eigenen Modifikationen vorzunehmen, nachteilig.
Frage 9:
Verschickt die Landeshauptstadt öfters in einer so hohen Auflage Briefe, die teilweise handschriftlich verändert/ergänzt werden?
Antwort:
Nein, siehe auch Antwort zu Frage 1: Weder in diesem noch in anderen Fällen liegt ein solcher manuell durchgeführter „Versand in hoher Auflage“ vor. Die Massenprozesse der Stadtkämmerei erfolgen seit Jahrzehnten sowohl bei der Festsetzung der kommunalen Steuern als auch im Mahnwesen voll automatisiert bis hin zur Massenkuvertierung und zum Massenversand mittels leistungsfähiger IT-Anlagen.
Frage 10:
Wie will der Oberbürgermeister sicherstellen, dass die Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern zukünftig effizienter verläuft?
Antwort:
Siehe Antwort zu Frage 6 und 9.Von den vorstehenden Ausführungen bitte ich Kenntnis zu nehmen und gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.