München gut zu Fuß unterwegs V – Pilotprojekt Autofreies Schulumfeld und Elternhaltestellen
Antrag Stadtrats-Mitglieder Paul Bickelbacher, Herbert Danner, Katrin Habenschaden, Anna Hanusch und Sabine Nallinger (Fraktion Die Grünen – Rosa Liste) vom 31.1.2020
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Thomas Böhle:
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist.
In Ihrem oben genannten Antrag führen Sie aus, dass der Hol- und Bringverkehr vor Schulen stellenweise zu chaotischen Situationen vor Schulen führe sowie eine mitunter erhebliche Gefährdung von Schülerinnen und Schüler darstelle und es zu regelmäßigen Verkehrsverstößen vor den Schulen komme. Daher sollen nach dem Vorbild der Stadt Bozen Bereiche um Schulen während der Hol- und Bringzeiten für den Kfz-Verkehr gesperrt werden. Dies solle einerseits zu einer Verbesserung der Verkehrssicherheit führen sowie Anreize setzen, zu Fuß oder mit dem Rad zur Schule zu kommen.
Darüber hinaus führen Sie aus, dass sogenannte „Elternhaltestellen“ in einer Mindestentfernung von ca. 250 Meter von der Schule aus vom ADAC als geeignet erachtet werden, den Hol- und Bringverkehr vor Schulen zu entzerren.
Der Antrag bezieht sich auf Maßnahmen zur Verbesserung der Schulwegsicherheit beziehungsweise zur Erhöhung der Mobilität von Kindern auf ihrem Schulweg. Dies ist eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.
Ich erlaube mir daher, Ihren Antrag in Abstimmung mit dem Oberbürgermeister auf dem Schriftwege zu beantworten.
Die dem Antrag zu Grunde liegende Thematik wurde bereits im Rah-
men des Verkehrssicherheitskonzeptes, 2. Stufe (Sitzungsnummer 14-20/15070), welches in der Vollversammlung vom 24.7.2019 beschlossen wurde, beantwortet. Diesem ging ein Stadtratsantrag Ihrer Fraktion vom21.9.2017 (Nr. 14-20/A 03404) voraus, welcher ebenfalls die Einrichtung von autofreien Schulstraßen im Rahmen eines Pilotprojekts zum Inhalt hatte.
Ich verweise insofern auf die Ausführungen der genannten Beschlussvorlage, wonach Verkehrsverbote allein nicht zu einer Änderung des Mobilitätsverhaltens führen und von temporären Straßensperren aktuell abgesehen wird.
Ergänzend dazu möchte ich allerdings noch Folgendes mitteilen:
Schulwegsicherheit vor Ort
Dem Kreisverwaltungsreferat ist es ein besonderes Anliegen, dass Kinder in München sicher und aktiv mobil (beispielsweise zu Fuß, mit dem Roller oder mit dem Fahrrad) zur Schule kommen können. Hintergrund ist, dass Kinder in vielfacher Hinsicht von einem aktiven Schulweg profitieren, etwa durch die Bewegung vor Schulbeginn, welche die Konzentration und die Gesundheit fördert oder durch die Reduzierung des Pkw-Aufkommens, die einen verkehrsberuhigenden Effekt nach sich zieht und damit der Verkehrssicherheit im Schulumfeld zuträglich ist.
Wie in vielen anderen Städten hat auch in München die selbstständige Mobilität der Kinder auf dem Schulweg in den vergangenen Jahren abgenommen. Immer häufiger gehen Kinder nicht zu Fuß oder fahren mit dem Rad – sondern werden mit dem „Elterntaxi“ zur Schule gebracht. Grund hierfür sind oftmals nicht etwa vermeintlich weite oder kritische Schulwege, sondern Eltern, die ihre Kinder aus Angst vor Unfällen, Übergriffen, aufgrund der Witterung oder aber auch aus Bequemlichkeit mit dem Auto bis direkt vor das Schultor fahren. Bei Verkehrsbeobachtungen an einzelnen Münchner Grundschulen wurde festgestellt, dass teilweise durch verbotswidriges Halten auf Gehsteigen, in Feuerwehranfahrtszonen oder in zweiter Reihe sowie durch riskante Wendemanöver die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmerinnen und Teilnehmer und auch die der eigenen Kinder gefährdet wird.
Um ein Höchstmaß an Sicherheit auf den Münchner Schulwegen (aktuell etwa 345 Schulen, davon 155 Grundschulen) zu gewährleisten, werden jährlich hunderte von Örtlichkeiten durch das Kreisverwaltungsreferat überprüft sowie Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit erarbeitet und umgesetzt. Dazu zählen insbesondere die Einrichtung von Querungshilfen (z.B. Zebrastreifen, Verkehrshelferübergänge usw.), Sichthaltverboten, Geschwindigkeitsbeschränkungen und auch Hol- und Bringzonen im Schulumgriff in Form von zeitlich beschränkten Haltverboten. Letztere haben das Ziel, Verkehrsbehinderungen durch haltende „Elterntaxis“ zuminimieren. Verkehrsbeobachtungen haben allerdings gezeigt, dass diese nur angenommen werden, wenn sie direkt vor der Schule liegen. Durch sichere Schulwege soll die Bereitschaft der Eltern gefördert werden, auf das Auto zu verzichten. Verkehrsregelnde beziehungsweise repressive Maßnahmen sind aus Sicht des Kreisverwaltungsreferats allerdings nur bedingt ein geeignetes Mittel, um dem Phänomen des Elterntaxis entgegenwirken zu können. Vielmehr bedarf es einer langfristigen Änderung des Mobilitätsverhaltens sowie des Bewusstseins – vor allem bei den Eltern.
Mobilitätsmanagement
Neben verkehrsordnenden Maßnahmen setzt das Kreisverwaltungsreferat verstärkt auf Angebote des Mobilitätsmanagements, die Eltern und Kinder dazu motivieren, den Schulweg – zumindest teilweise – aktiv mobil zurückzulegen. Sofern Eltern der Überzeugung sind, dass ihre Kinder aufgrund von vermeintlichen Unannehmlichkeiten oder Gefahren den Schulweg nicht zu Fuß bewältigen können, werden auch Verkehrsverbote nicht zu einer Änderung des Mobilitätsverhaltens führen. Beispiele für bereits umgesetztes Mobilitätsmanagement sind die Projekte „Bus mit Füßen“, „Schulweghelden“ oder das Boxensuchspiel „kreuz & quer“. „kreuz & quer“ setzt auf dem Gamification-Ansatz auf und bewirkt, dass Kinder aktiv mobil zur Schule kommen, anstatt mit dem Pkw gebracht zu werden. Um die Wirkung noch besser messen zu können, wird das Projekt derzeit durch die TU München evaluiert.
Schulinitiativen
Wichtig ist, dass die Schulen die Initiative selbst ergreifen und die Angebote wahrnehmen. Diesbezüglich sei noch einmal das medienwirksame und effektive Beispiel der Maria-Ward-Grundschule erwähnt, die mit Elternbriefen und der Aktion „Autofrei“ auf Probleme, die durch den Hol- und Bringverkehr entstehen, hinweist. Auch die Schulwegolympiade in der Fritz-Lutz-Grundschule oder die bereits zum zweiten Mal durchgeführte Aktionswoche „Ohne Auto zur Schule“ der Grundschule Rotbuchenstraße, über welche erst kürzlich in den Medien berichtet wurde, sind gute Beispiele, wie Eltern und Kinder motiviert werden können, den Schulweg aktiv mobil zurückzulegen. Um die Schulen bezüglich der Auswahl und Initiative zu unterstützen, werden die verschiedenen Projekte durch das Kreisverwaltungsreferat künftig auf der Webseite der neuen Mobilitätsmarke „München unterwegs“ übersichtlich nach Jahrgangsstufen dargestellt.
Zudem ist wichtig, dass derartige Maßnahmen im Lehrplan verankert sind und an möglichst vielen Grundschulen in München umgesetzt werden. Denkbar ist beispielsweise die Entwicklung eines pädagogischen Konzeptsunter Berücksichtigung der Erfahrungswerte der o.g. Pilotschulen. Auf Anregung des Kreisverwaltungsreferats ist das Referat für Bildung und Sport aktuell an das Staatliche Schulamt herangetreten, um projektbezogene Unterstützungsmöglichkeiten für die Schulen zu erörtern. Das Staatliche Schulamt prüft derzeit, ob und welche Möglichkeiten an Münchner Grund-, Mittel- und Förderschulen angeboten werden können.
Neue zukünftige Projekte
Das Mobilitätsverhalten der Kinder wird bereits von klein auf geprägt. Das KVR setzt daher auch bereits mit Projekten wie beispielsweise „Bambini Mini und Maxi“ im Vorschulalter an. Es ist daher besonders wichtig, dass Schulkinder bereits ab der ersten Klasse die Schulwege so oft wie möglich zu Fuß oder mit dem Roller/Fahrrad bewältigen. Eine weitere Hilfestellung bieten dabei die ca. 155 Münchner Schulwegpläne, welche jeweils individuell an die örtlichen Gegebenheiten angepasst werden. Mit ihrer Hilfe können Eltern zusammen mit ihren Kindern den Schulweg schon frühzeitig und vor Schulbeginn üben, damit die Erstklässler den Weg später alleine und sicher bewältigen können. Um diese noch kindgerechter und nutzerfreundlicher zu gestalten, plant das KVR diese auf neue Füße zu stellen. Dafür führt das Kreisverwaltungsreferat u.a. auch Recherchearbeiten bezüglich einer Schulweg-App durch. Eine derartige App kann aktuelle Informationen bereitstellen, etwa in Bezug auf die Bus mit Füßen-Routen oder die Standorte von Schulweghelferinnen und Schulweghelfer. Insbesondere diese sind für Eltern wesentlich, um ihre Kinder zu Fuß oder mit dem Roller zur Schule zu schicken. Sobald sich im Laufe des Schuljahres Neuerungen (etwa neue Schulweghelferinnen- und Schulweghelfer-Standorte) ergeben, könnte dies aktiv über eine Schulweg-App kommuniziert werden. Die Ergebnisse der Prüfung hinsichtlich der Frage, ob eine Schulweg-App dem Ziel einer verbesserten Schulwegsicherheit zuträglich ist, werden dem Stadtrat nach Abschluss der Recherchearbeiten zur Befassung vorgelegt.
Auch wenn das Kreisverwaltungsreferat aufgrund der obigen Ausführungen aktuell von temporären Schulstraßensperrungen absieht, werden wir, zusätzlich zu Bozen, auch noch Kontakt mit den Städten Frankfurt und Wien aufnehmen, welche bereits ähnliche Projekte durchführen. Die dort erfragten Erfahrungswerte werden bei zukünftigen weiteren Planungen des Kreisverwaltungsreferats im Hinblick auf die Schulwegsicherheit einfließen.
Oftmals sind viele kleine Stellschrauben notwendig, um zu einem Gesamtziel zu gelangen. Dieses ist und bleibt der sichere Schulweg eines jeden Kindes in München. Mit den bereits umgesetzten und geplanten Maßnah-men wird ein wesentlicher Beitrag zur weiteren Optimierung der Schulwegsicherheit in München geleistet.
Ich bitte, von den Ausführungen Kenntnis zu nehmen, und gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.