Mehrwertsteuersätze für Schulessen – Was gilt genau?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Anja Berger, Katrin Habenschaden, Jutta Koller, Sabine Krieger und Oswald Utz (Fraktion Die Grünen – Rosa Liste) vom 7.2.2020
Antwort Stadtkämmerer Christoph Frey:
In Ihrer Anfrage in der oben genannten Angelegenheit haben Sie folgenden Sachverhalt zugrunde gelegt:
„Bereits jetzt gibt es große Unterschiede bei der Besteuerung von Essen in verschiedenen Bildungseinrichtungen. So wird das Essen in der Mensa der Universitäten und Hochschulen mit 7% besteuert, in Schulen und Kindertageseinrichtungen mit 19%. Allein diese Ungleichbehandlung ist nicht hinnehmbar. Nun hat sich jedoch wohl eine Änderung dahingehend ergeben, dass Speisen, die von den Kiosken an Schulen verkauft werden nicht mehr wie vorher üblich mit 7% besteuert werden. Sobald hier Tische und Stühle im Rahmen einer Mensa vorgehalten werden, muss das Pausenbrot mit 19% besteuert werden. Gibt es dieses Mobiliar nicht, so sind weiterhin 7% fällig. Dieses Beispiel zeigt sehr gut, wie absurd die steuerli- chen Regelungen hinsichtlich Nahrungsmitteln und der Essensversorgung in Gemeinschaftsverpflegungen sind. Zudem trifft diese Neuregelung viele Pächterinnen und Pächter von Pausenkiosken. Entweder erhöhen sie ihre Preise – was direkt die Familien trifft – oder sie erwirtschaften weniger Umsatz und Gewinn.“
Die Anfrage konnte innerhalb der geschäftsordnungsgemäßen Frist nicht erledigt werden, da die dafür erforderliche Abklärung mit dem Referat für Bildung und Sport längere Zeit in Anspruch genommen hat. Hierüber habe ich Sie mit Schreiben vom 11.3.2020 informiert. Zu den im Einzelnen gestellten Fragen kann ich Ihnen nunmehr Folgendes mitteilen:
Frage 1.
Trifft es an Münchner Schulen zu, dass Speisen, die am Pausenkiosk gekauft werden, dann mit 19 % besteuert werden, wenn Tische und Stühle vorgehalten werden?
Antwort:
Es ist nicht zutreffend, dass beim Kauf von Speisen an einem Pausenkiosk in einer Münchner Schule immer 19% Umsatzsteuer anfällt, wenn Tische und Stühle vorgehalten werden. Denn bezüglich der hierbei erwirtschafteten Umsätze ist zunächst danach zu differenzieren, ob der Verkauf der Speisen in Eigenregie durch die Schule oder den Schulträger geführten Betrieb(durch städtische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und/oder in Kooperation mit Schülerinnen und Schüler als Schulprojekt) oder durch Pächterinnen und Partner durchgeführt wird.
Wenn Pausenverkäufe in Eigenregie durch die Schule oder den Schulträger geführten Betrieb stattfinden, fällt keine Umsatzsteuer an, da durch Körperschaften des öffentlichen Rechts erzielte Umsätze aus Verpflegungsleistungen gegenüber Studierenden und Schülern an Hochschulen und öffentlichen Schulen gemäß § 4 Nr. 23 Buchstabe c UStG von der Umsatzsteuer befreit sind. Durch andere Einrichtungen erzielte Umsätze aus den beschriebenen Verpflegungsleistungen sind dagegen nur gemäß § 4 Nr. 23 Buchstabe c UStG von der Umsatzsteuer befreit, wenn die genannten Einrichtungen keine systematische Gewinnerzielungsabsicht anstreben.
Bei den durch Pächterinnen und Pächter mit einer systematischen Gewinnerzielungsabsicht erzielten Umsätzen aus Verpflegungsleistungen ist daher hinsichtlich des zur Anwendung kommenden Umsatzsteuersatzes nach den allgemeinen Regularien des Umsatzsteueranwendungserlasses (vgl. UStAE Abschnitt 3.6) umsatzsteuerlich zu unterscheiden zwischen der Abgabe von Speisen in Form von „take away“ (unterliegt gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7%) sowie Leistungen, bei denen neben der Abgabe der Speisen eine „die Bewirtung fördernde Infrastruktur bereit gestellt wird“ (unterliegen in voller Höhe dem Regelsteuersatz von 19%). Aus diesem Grunde müssen beispielsweise Pächterinnen und Pächter von Pausenkiosken mit einer systematischen Gewinnerzielungsabsicht für die von ihnen erzielten Umsätze 19% Umsatzsteuer abführen, wenn für den Pausenkiosk Tische und Stühle vorgehalten werden.
Frage 2:
Wenn 1 bejaht wurde, wie bewertet die Verwaltung dies?
Antwort:
Nach Auskunft des Referates für Bildung und Sport sind die Pächterinnen und Pächter vertraglich gehalten, sozialverträgliche Preise zu verlangen. Die Besteuerung liegt in ihrer eigenen Verantwortung.
Aus rein umsatzsteuerrechtlicher Betrachtung ist hierzu anzumerken, dass die nationalen Regelungen des Umsatzsteuerrechts eng an die verbindlichen Vorgaben der Mehrwertsteuer – Systemrichtlinie (MwStSystRL) gebunden sind. Artikel 98 Abs. 1 und 2 i.V.m. Anhang III MwStSystRL räumt den EU-Mitgliedstaaten demnach die Möglichkeit ein, auf bestimmte Liefe-rungen von Gegenständen und Dienstleistungen abweichend vom Normalsatz ein oder zwei ermäßigte Mehrwertsteuersätze anzuwenden. Hiernach wäre es somit grundsätzlich möglich, Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen (inklusive des Schulessens) einheitlich ermäßigt zu besteuern. Eine sich ausschließlich auf Schulessen beschränkende Umsatzsteuerermäßigung ist jedoch nach Mitteilung des Bundesfinanzministeriums aus Gründen der steuerlichen Gleichbehandlung rechtlich nicht zulässig.
Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes verbietet es der Grundsatz der steuerlichen Neutralität, dass vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich behandelt werden, es sei denn, dass eine Differenzierung objektiv gerechtfertigt wäre. So dürfen zum einen gleichartige und infolgedessen miteinander in Wettbewerb stehende Waren und Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer nicht unterschiedlich behandelt werden. Zum anderen dürfen auch Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze tätigen, bei der Erhebung der Mehrwertsteuer nicht unterschiedlich behandelt werden. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität beinhaltet darüber hinaus, dass für die Frage der Gleichbehandlung auf Leistungen mit gleichem Inhalt abzustellen ist. Die Person des Leistungsempfängers ist dabei unbeachtlich.
So stehen Anbieter, die sich im Umfeld von Schulen auf die Mittagsverpflegung von Schülerinnen und Schülern spezialisiert haben, nach Auskunft des Bundesfinanzministeriums in Wettbewerb zu Anbietern, die Schulessen in Schulen anbieten. Eine Beschränkung des ermäßigten Steuersatzes auf das Schulessen wird daher unter den Gesichtspunkten der Gleichbehandlung im Allgemeinen vom deutschen Gesetzgeber als rechtlich problematisch angesehen.
Frage 3:
Wenn 1 bejaht wurde, welche Auswirkungen hat dies auf die Pächter*innen und die aufgerufenen Preise?
Antwort:
Hierzu liegen dem Referat für Bildung und Sport keine Informationen vor.
Frage 4:
Wird sich die Stadtspitze über den Städtetag und auf direkten Wege bei der Bundesregierung dafür einsetzen, dass am Pausenkiosk verkaufte Speisen künftig wieder mit 7% besteuert werden, egal ob es eine Mensa mit Mobiliar gibt?
Frage 5:
Wird sich die Stadtspitze über den Städtetag und auf direktem Wege bei der Bundesregierung dafür einsetzen, dass künftig Essen in Gemeinschaftsverpflegungen dem gleichen ermäßigten Mehrwertsteuersatz unterliegt?
Antwort zu Frage 4 und 5:
Die Fragen 4 und 5 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Mit Stadtratsbeschluss vom 20.10./21.10.2015 (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 04267) wurde bereits beschlossen, dass sich der Oberbürgermeister für einen reduzierten Mehrwertsteuersatz auf Mensaessen einsetzt. Im Anschluss hieran ist er mit diesem Anliegen an das Bundesfinanzministerium, an das Bayerische Staatsministerium der Finanzen und an den Deutschen Städtetag herangetreten.
Hierauf wurde ihm mitgeteilt, dass eine Steuersatzermäßigung aus den unter 2. beschriebenen europarechtlichen Gründen nicht isoliert für Schul- essen eingeführt werden kann, sondern vielmehr alle Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen umfassen müsste. Aufgrund der damit einhergehenden zu erwartenden erheblichen Steuermindereinnahmen wird dies allerdings von der Mehrheit der Bundesländer generell abgelehnt.