Brauerei-Werbung an städtischem Fischbrunnen – wieso ist das erlaubt?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Sonja Haider, Tobias Ruff und Johann Sauerer (ÖDP) vom 3.3.2020
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Thomas Böhle:
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage vom 3.3.2020 zur Beantwortung überlassen.
Inhaltlich teilen Sie Folgendes mit:
„Die Landeshauptstadt München erlaubt der Brauerei Hacker-Pschorr jährlich zum Geldbeutelwaschen eine Werbeleiste am Münchner Fischbrunnen anzubringen, diese ist auf sehr vielen öffentlichen Fotos zu diesem Event zu sehen.“
Ihre Fragen beantworte ich wie folgt:
Frage 1:
Wieso erlaubt die LH München Werbung für eine Brauerei an städtischen Brunnen und auf welcher Rechtsgrundlage agiert die LH München hier?
Antwort zu Frage 1:
Das traditionelle Geldbeutelwaschen im Fischbrunnen am Marienplatz findet jährlich am Aschermittwoch statt. Es handelt sich dabei um eine Veranstaltung auf öffentlichem Verkehrsgrund, für die durch das Kreisverwaltungsreferat eine Erlaubnis gem. § 29 Abs. 2 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) erteilt wird.
Ergänzend dazu teilte das Presse- und Informationsamt der Landeshauptstadt München Folgendes mit:
„Das Geldbeutelwaschen am Fischbrunnen ist eine Veranstaltung, die federführend von der Hacker-Pschorr Bräu GmbH seit 1976 ausgerichtet wird. Das Presse- und Informationsamt lädt aufgrund der Beteiligung des Oberbürgermeisters und des Stadtkämmerers über die Rathaus Umschau Medienvertreter zu der Veranstaltung ein und gibt im Anschluss eine Pressemitteilung heraus, die auch über Social-Media-Kanäle der Stadt München verbreitet wird.“
Die Hacker-Pschorr GmbH nahm zur Stadtratsanfrage wie folgt Stellung:
„Am 3. März 1976 fand das Geldbeutelwaschen zum ersten Mal statt. Ein Mitarbeiter der Hacker-Pschorr Brauerei hat den Brauch in einem Buch im Archiv entdeckt und so wurde der Brauch wieder zum Leben erweckt. Schon seit Beginn des 15. Jahrhunderts soll dieser Brauch dazu geführt haben, dass der gewaschene Geldbeutel das ganze Jahr über gut gefüllt blieb. Beweisen kann man es natürlich nicht, aber es ist auf jeden Fall eine schöne Tradition und wir freuen uns, dass diese seit über vierzig Jahren ein fester Bestandteil im Hacker-Pschorr Kalender ist. Neben eingeladenen Partnern und Freunden der Brauerei, den Faschingsgesellschaften, die traditionell den Stadtschlüssel zurückgeben, sind auch Stadträte, der Stadtkämmerer, der das Stadtsäckel mitbringt, und die Bürgermeister dabei. Für die Münchner Bürgerinnen und Bürger, die zum Geldbeutelwaschen kommen, wird Freibier ausgeschenkt. Selbstverständlich wird dieses NICHT an Jugendliche ausgegeben. Aus der Erfahrung der letzten Jahre kann ich sagen, dass es sich zu 90% um die Altersgruppe 50+ handelt und durchaus viele Rentner dabei sind, die sich über ein kostenloses Bier sehr freuen.Die Veranstaltung dauert zirka eine halbe Stunde (plus Auf- und Abbauzeit).
Natürlich sind wir ein Wirtschaftsunternehmen und legen Wert darauf, dass die Veranstaltung auch mit uns in Verbindung gebracht wird. Die Veranstaltung wird ordnungsgemäß beim KVR beantragt und ist in den letzten Jahren immer so genehmigt worden.“
Bei Veranstaltungen auf öffentlichem Verkehrsgrund sind Werbemaßnahmen grundsätzlich zulässig, soweit diese in untergeordneter und zurückhaltender Weise stattfinden. Eine ausdrückliche Genehmigung, eine Werbeleiste am Fischbrunnen anzubringen, wurde dabei weder vom Kreisverwaltungsreferat noch vom Baureferat erteilt. Das Kreisverwaltungsreferat nimmt Ihre Anfrage zum Anlass, in Abstimmung mit dem Baureferat und dem Planungsreferat als untere Denkmalschutzbehörde zu prüfen, ob das Anbringen der Werbeleiste auch künftig im Rahmen der erteilten Veranstaltungserlaubnis zulässig ist.
Frage 2:
Ist es auch anderen Brauereien erlaubt, solche Werbung zu platzieren?
Antwort zu Frage 2:
Da der Hacker-Pschorr Bräu GmbH keine spezielle Erlaubnis für die beschriebene Werbung erteilt wurde, kann die Frage nicht pauschal beantwortet werden. Sollte ein entsprechender Antrag einer Brauerei gestellt werden, so müsste dieser geprüft werden. Dabei würde mit Sicherheit auch der Gesamtkontext der Werbemaßnahme eine Rolle spielen, das heißt aus welchem Anlass diese angebracht werden soll.
Frage 3:
Wie wird diese Werbung von Kindern und Jugendlichen wahrgenommen? Animiert eine solche Werbung Kinder und Jugendliche zum Alkoholkonsum, besonders da nach dem Geldbeutelwaschen öffentlich Freibier ausgeschenkt wird?
Antwort zu Frage 3:
Zur Beantwortung von Frage 3 wurde das Sozialreferat um Stellungnahme gebeten. Das Sozialreferat teilte mit:
„Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor schädigendem Alkoholkonsum ist ein zentrales Schwerpunktthema des Jugendschutzes.
Das Jugendschutzgesetz beinhaltet klare Verbote in Bezug auf die Abgabe von alkoholischen Getränken an Kinder und Jugendliche sowie die Gestattung des Konsums in der Öffentlichkeit. Auch gibt es Zeit- und Aufenthaltsbeschränkungen an öffentlichen Orten, die insbesondere auch aus dem Schutz vor schädigendem Alkoholkonsum begründen.
Hinsichtlich der Werbung für Alkohol oder für einen Hersteller alkoholischer Getränke im öffentlichen Raum, wie über eine Werbeleiste am Münchner Fischbrunnen im Kontext der Veranstaltung ‚Geldbeutelwaschen am Fischbrunnen‘, sieht das Jugendschutzgesetz keine Verbote oder einschränkende Bestimmungen vor.
Die Hersteller alkoholischer Getränke haben jedoch gemeinsam mit dem Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAV) grundsätzliche Verhaltensregeln aufgestellt, die vom Deutschen Werberat überwacht werden.
Demnach soll beispielsweise die kommerzielle Kommunikation für alkoholische Getränke Kinder und Jugendliche weder zum Trinken auffordern noch trinkende beziehungsweise zum Trinken auffordernde Kinder oder Jugendliche zeigen. Auch soll die kommerzielle Kommunikation keine Aussagen enthalten, in denen Kinder oder Jugendliche als noch nicht alt genug für den Konsum alkoholischer Getränke angesprochen werden und dadurch zum Trinken provoziert werden.Dem Stadtjugendamt liegen derzeit keine Kenntnisse vor, die eine Verletzung der grundsätzlichen Verhaltensregeln seitens der Brauerei Hacker-Pschorr nahe legen. Sofern entsprechende Hinweise bekannt werden, wird das Stadtjugendamt die Einreichung einer Beschwerde beim Deutschen Werberat prüfen und gegebenenfalls anregen.
Darüber hinaus kann das Stadtjugendamt bei öffentlichen Veranstaltungen Alters- oder Zeitbegrenzungen für Kinder und Jugendliche anordnen, wenn von der Veranstaltung eine Gefährdung für das körperliche, geistige oder seelische Wohl von Kindern und Jugendlichen ausgeht. Dabei müssen die gegebenenfalls festgelegten Begrenzungen nach Abwägung des öffentlichen Interesses am Schutz von Kindern und Jugendlichen und den wirtschaftlichen Interessen des Veranstalters erforderlich und angemessen sein. Bei der Beurteilung ist ausschlaggebend, dass eine erhebliche Gefährdung von Kindern und/oder Jugendlichen wahrscheinlich ist.
Dem Stadtjugendamt liegen derzeit in Bezug auf die Veranstaltung ‚Geldbeutelwaschen am Fischbrunnen‘ keine Erkenntnisse vor – wie zum Beispiel Verstöße gegen die Jugendschutzbestimmungen bei der Abgabe von alkoholischen Getränken an Kinder und Jugendliche oder die Gestattung des entsprechenden Konsums –, die die Annahme einer offensichtlichen und erheblichen Gefährdungslage begründen würde.
In der Gesamtbetrachtung kommt das Sozialreferat daher zu der Einschätzung, dass die Anbringung einer Werbeleiste der Brauerei Hacker-Pschorr am Münchner Fischbrunnen sowie das bestehende Veranstaltungskonzept ‚Geldbeutelwaschen am Fischbrunnen‘ eine Beeinträchtigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls anwesender Kinder und Jugendlicher ausschließt.“
Frage 4:
Deutschland ist laut Untersuchungen das Land, in dem Alkoholwerbung am wenigsten restriktiv gehandhabt wird und sieben von zehn Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern möchten Alkoholwerbung verbieten. Wie passt das zusammen?
Antwort zu Frage 4:
Diesbezüglich wird auf die Stellungnahme des Sozialreferates zu Frage 4 verwiesen.
Die Frage, ob Alkoholwerbung in Deutschland verboten werden soll, war bereits Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Untersuchungen undGesetzesinitiativen. Ein Totalverbot der Alkoholwerbung ist rechtlich aber nicht durchsetzbar.
Frage 5:
Ist das Anbringen einer Werbeleiste an denkmalgeschützten Brunnen überhaupt zulässig?
Hierzu verweisen wir auf die Antworten zu den Fragen 1 und 2.
Ich darf Sie um Kenntnisnahme dieser Ausführungen bitten und gehe davon aus, dass diese Angelegenheit damit erledigt ist.