Ist die Grundlage für einen Neubau des beschränkten Bahnübergangs an der Neuaubinger Brunhamstraße noch gegeben?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Heike Kainz und Manuel Pretzl (CSU-Fraktion) vom 24.3.2021
Antwort Mobilitätsreferent Georg Dunkel:
Mit Schreiben vom 24.3.2021 haben Sie gemäß § 68 GeschO die im Betreff genannte Anfrage an Herrn Oberbürgermeister gestellt.
Ihren Fragen vorangestellt, führen Sie folgendes aus:
„Die Landeshauptstadt München plant zusammen mit der Deutschen Bahn, den heute höhengleichen und beschrankten Bahnübergang an der Brunhamstraße in Neuaubing durch eine Unterführung zu ersetzen. Stein des Anstoßes für dieses Vorhaben war ein Schreiben der Deutschen Bahn, wo diese mitteilen:
‚Erhöhung der Schrankenschließzeiten am Bahnübergang Brunhamstraße im Zuge der Umsetzung des Betriebskonzeptes zur 2. Stammstrecke auf ca. 46 Minuten Schließzeit pro Stunde‘.
Dieser Bahnübergang hat laut Aussage der Deutschen Bahn heute eine Schließzeit von ca. 26 Minuten pro Stunde. Die angehörte Gemeinde Gräfelfing hat durch ein eigens dazu beauftragtes Gutachten des Verkehrsberatungsbüro Vieregg-Rössler diese Planungen untersuchen lassen und musste feststellen, dass diese Aussage der Deutschen Bahn nicht zutreffen. Tatsächlich sinken die Schrankenschließzeiten in der Hauptverkehrszeit von heute tatsächlich 18,5 Minuten pro Stunde nach Fertigstellung der zweiten S-Bahn-Stammstrecke wegen vorteilhafter Zugbegegnungen am genannten Bahnübergang und Optimierung der Bahnleittechnik auf knapp 15 Minuten pro Stunde. Durch moderne Bahntechnik können also zusätzlich noch 2 Minuten eingespart werden.
Die von der Deutschen Bahn angegebene und wohl ungeprüft vom Mobilitätsreferat in die Beschlussvorlage übernommene Annahme der Schließzeit von 46 Minuten ist nicht mehr nachvollziehbar. Damit wird das gesamte Vorhaben in Frage gestellt.“
Hierzu darf ich einleitend folgendes ausführen:
Dem Referat für Stadtplanung und Bauordnung wurde im Juni 2017 von der DB Netz AG, Regionalbereich (RB) Süd folgendes mitgeteilt:
„Zwischenzeitlich ist aufgrund der gesicherten Finanzierung und des Spatenstichs im Projekt 2. S-Bahn-Stammstrecke (2. SBSS) die Realisierung dieser Maßnahme soweit konkret geworden, dass das zukünftige Fahr-plankonzept zur 2. SBSS als absehbare Verkehrsentwicklung den Planungen zur Änderung des BÜs Brunhamstraße zugrundezulegen ist. Den (…) von der DB Netz AG mit Inbetriebnahme der 2. SBSS angekündigten deutlichen Anstieg der Zugzahlen und die damit verbundenen längeren Schließzeiten gibt die DB-PD München mit 117 Zügen pro Tag und rund 45 Minuten in der Hauptverkehrszeit an.“
Aufgrund dieser deutlich verlängerten Schrankenschließzeiten, wurde mit Beschluss des Ausschusses für Stadtplanung und Bauordnung vom 6.12.2017 „Verkehrsplanung im Münchner Westen“, (Sitzungsvorlagen Nr. 14-20/V 07546) das Referat für Stadtplanung und Bauordnung beauftragt, in Zusammenarbeit mit dem Baureferat eine alternative verkehrliche Lösung zur höhengleichen Querung des Bahnübergangs Brunhamstraße zu untersuchen.
Diese Untersuchung ist abgeschlossen und ein entsprechender Entwurf einer Beschlussvorlage wurde vom neu gegründeten Mobilitätsreferat erstellt, der die einzelnen Varianten beinhaltet und die jeweiligen Vor- und Nachteile aufzeigt.
Im November 2020 wurden dem BA 21 und 22 die untersuchten Varianten vorgestellt und um eine erste Stellungnahme gebeten. Auch die Gemeinde Gräfelfing wurde gebeten, eine Stellungnahme abzugeben.
Ein Vertreter des Mobilitätsreferates hatte diese Ergebnisse in der Gemeinderatssitzung von Gräfelfing am 23.3.2021 vorgestellt.
In dieser Sitzung wurde ein von der Gemeinde Gräfelfing beauftragtes Gutachten des Büros Vieregg-Rößler zu den Schrankenschließzeiten am BÜ Brunhamstraße vorgestellt.
Das Gutachten war dem Mobilitätsreferat vorab nicht bekannt, ein*e Vertreter*in der Deutschen Bahn war von der Gemeinde Gräfelfing leider nicht zugeladen.
Herr Dr. Vieregg stellte die von Ihnen genannten Berechnungen der Schrankenschließzeiten, die deutlich von den von der Bahn genannten Schließzeiten abweichen, als mathematisch unabweisbar dar.
Dem Mobilitätsreferat wurde von der Gemeinde Gräfelfing das Gutachten im Nachgang übermittelt. Die von uns eingeschaltete DB AG hat hierauf wie folgt Stellung genommen:„Zunächst möchten wir auf folgende Punkte hinweisen: Den höhengleichen und beschrankten Bahnübergang an der Brunhamstraße in Neuaubing durch eine Unterführung zu ersetzen, wird momentan nur von der Landeshauptstadt München geplant. Eine aktive Rolle der Deutschen Bahn findet durch die Erneuerung des Bahnübergangs nicht mehr statt. Die aktuelle Schließzeit von 26 Minuten pro Stunde bezieht sich auf die Hauptverkehrszeit zwischen 6 und 9 Uhr und zwischen 16 und 19 Uhr. In der Nebenverkehrszeit fallen die Schließzeiten geringer aus.
Die DB Netz AG hat am 31.3.2021 eine Messung der Schließzeiten (außerhalb der Hauptverkehrszeit) durchgeführt. Dabei lag die Dauer der Schließzeit zwischen 1:30 Min. bis 2 Min. Allgemein, aber besonders durch den Faktor Mensch (dem Schrankenwärter, der die Schließung durchführt) unterliegen die Schließzeiten natürlichen Schwankungen. Da zur Hauptverkehrszeit (HVZ) mehr Menschen aus- und einsteigen, sind die Schließzeiten in dieser Zeit typischerweise gegenüber der Nebenverkehrszeit leicht erhöht. Die berechnete maximale Annäherungszeit in der HVZ liegt bei 2:10 Min. Bei 12 Zügen pro Stunde (in der HVZ) macht dies ca. 26 Minuten Schließzeit pro Stunde.
Wie korrekt dargestellt, werden sich die Schließzeiten des Bahnübergangs im gleichen Zeitraum der Inbetriebnahme der zweiten Stammstrecke ändern. Die Inbetriebnahme der zweiten Stammstrecke ist jedoch zunächst nicht ursächlich für die Berechnung der veränderten Schließzeiten, da die Zugzahlen in der HVZ weiterhin, wie bereits heute, bei insgesamt 12 Zügen pro Stunde liegen werden. Zu beachten ist, dass durch die 2. SBSS die Strecke nicht wie heute nur in der HVZ von 6 bis 9 Uhr und von 16 bis 19 Uhr, sondern zukünftig von 6 bis 22 Uhr durchgängig mit 12 Zügen pro Stunde befahren wird. Entsprechend wird die Inbetriebnahme des 2. SBSS dafür sorgen, dass die dann vorliegenden Schließzeiten über den gesamten Tag konstant hoch liegen werden.
Grund für die verlängerten Schließzeiten am Bahnübergang Brunhamstraße sind die projektierten Maßnahmen auf der Strecke München – Herrsching, die zu einer deutlichen Optimierung des Bahnverkehrs beitragen. Maßgeblich für die verlängerten Schließzeiten ist die seit dem Jahr 2016 laufende Erneuerung des Bahnübergangs. Hierbei wird der aktuelle Schrankenposten durch eine zuggebundene Lösung mit Gefahrraumüberwachung ersetzt. Dies führt zu einer deutlichen Erhöhung der Sicherheit des Bahnübergangs. Zusätzlich wird zur Sicherstellung des Zugverkehrs bei Einschränkungen des Gleises (z.B. durch Störungen, Baumaßnahmen, o.ä.) ein Gleiswechselbetrieb inklusive Blocksignale und Umwandelungdes Bahnhofs Neuaubing in einen Haltepunkt realisiert. Dadurch kann die Kapazität im Falle von Einschränkungen eines Gleises um bis zu 50 Prozent erhöht werden. So kann beispielsweise der Betrieb während der im Jahr 2024 geplanten Erneuerung der Eisenbahnüberführung über die Bodenseestraße mit deutlich geringeren Einschränkungen weitergeführt werden.
Die Einschaltung des Bahnübergangs erfolgt in diesem Fall zugbedingt in Abhängigkeit der Örtlichkeit und der verkehrenden Züge. Daher sind die Einschaltkontakte an einem von vorgegebenen Berechnungen ermittelten Punkt zu platzieren.
Für die Berechnungen wurde der aktuelle Standardfall von sechs S-Bahnen pro Richtung und Stunde in der HVZ angenommen (10 Minuten Takt Bestand, inkl. aller Halte).
Für den Zugverkehr aus München in Richtung Herrsching (S8) ergibt sich demnach folgendes:
Der Einschaltkontakt vor dem Vorsignal liegt am Bahnhof Pasing, in 3,15 Kilometern Entfernung zum Bahnübergang Brunhamstraße. Inklusive eines Halts am Westkreuz braucht der Zug für die Strecke Einschaltkontakt – Bahnübergang 200 Sekunden. Für die Vorbeifahrt (Räumzeit und Öffnen der Schranke) am Bahnübergang sollten zu den entsprechenden Zeitangaben noch 15 Sekunden hinzugegeben werden. Dies macht in Summe 215 Sekunden (3:35 min). Bei sechs Zügen in diese Richtung ergibt dies 1.290 Sekunden oder 21:30 Minuten Schließzeit pro Stunde.
Nach derselben Logik lassen sich die zukünftigen Zeiten für den Zugverkehr aus Herrsching in Richtung München (S8) berechnen:
Der Einschaltkontakt vor dem Vorsignal liegt in München Freiham, in 2,5 Kilometern Entfernung zum Bahnübergang Brunhamstraße. Hier benötigt der Zug für diese Strecke inklusive zwei Halten in München-Freiham und München-Neuaubing 203 Sekunden. Für die Vorbeifahrt (Räumzeit und Öffnen der Schranke) am BÜ sollten zu den entsprechenden Zeitangaben wieder 15 Sekunden hinzugegeben werden. Dies macht in Summe eine Schließzeit von 218 Sekunden (3:38 min). Bei sechs Zügen in diese Richtung ergibt dies 1.308 Sekunden oder 21:48 Minuten Schließzeit pro Stunde.
In Summe führt dies zu einer zukünftigen Gesamtschließzeit im Regelfall von 43:18 Minuten pro Stunde beim Verkehren von sechs S-Bahnen je Richtung und Stunde innerhalb der HVZ.Sollte es aufgrund von Verspätungen zu Überschneidungen kommen, reduziert sich zwar die Gesamtschließzeit pro Stunde minimal. Allerdings wäre der Bahnübergang dafür ca. sechs bis maximal sieben Minuten am Stück geschlossen.
Der hier aufgezeigte Zustand wird bereits voraussichtlich ab Ende 2022 bis mindestens 2028 (zur Inbetriebnahme der 2. SBSS) bestehen. Bitte beachten Sie, dass betriebliche Veränderungen durch die 2.SBSS in der Berechnung nicht berücksichtigt wurden. Es wird im Rahmen des Projektes „Erneuerung BÜ Brunhamstraße“ der nähere zeitliche Zustand nach der Inbetriebnahme der neuen Bahnüberganssicherungstechnik betrachtet.
Der Einfluss der 2. SBSS auf die zukünftigen Schließzeiten benötigt eine vertiefende Untersuchung (Überschneidungen im Bereich des Bahnübergangs, geringere Schließzeit der Express-S-Bahn durch Entfall der Halte in Westkreuz, Neuaubing und Freiham). Weiterführende Untersuchungen sind unseres Erachtens durch die Landeshauptstadt zu initiieren. Die DB AG unterstützt dabei gerne bei der Zulieferung von Daten, Informationen, etc.
Die Fachdienststellen der DB AG wurden vom Gutachter der Gemeinde Gräfelfing nicht kontaktiert.“
Frage 1:
Wie beurteilt das Mobilitätsreferat die einstimmige Ablehnung des Gemeinderats von Gräfelfing zu der geplanten Maßnahme einer Unterführung anstelle des beschränkten Bahnübergangs an der Brunhamstraße als Vorhaben der Landeshauptstadt München?
Antwort:
Wie eingangs dargelegt, beruht die Ablehnung der Gemeinde Gräfelfing auf einem von der Gemeinde selbst in Auftrag gegebenen Gutachten, welches von der DB AG jedoch nicht verifiziert werden konnte.
Frage 2:
Wie beurteilt das Mobilitätsreferat das Ergebnis der Untersuchung der Schrankenschließzeiten am Bahnübergang Brunhamstraße durch das Ergebnis des von Gräfelfing beauftragte Gutachten von Vieregg-Rössler?
Antwort:
Siehe einleitende Ausführungen und Antwort zu Frage 1.
Frage 3:
Wie soll der Bahnübergang an der Brunhamstraße nun perspektivisch behandelt werden? Wird es eine neue Untersuchung seitens der Landeshauptstadt München zur Notwendigkeit einer Unterführung geben?
Antwort:
Die Untersuchungen werden fortgeführt. Gemeinsam mit den Beteiligten muss weiter an einer Lösung gearbeitet werden, denn aus Sicht der Landeshauptstadt München ist eine Schrankenschließzeit an der Brunhamstraße von mehr als 43 Min/Std so nicht tragbar.
Dabei ist auch der Hinweis der Bahn einzubeziehen, dass mit Inbetriebnahme der 2. Stammstrecke die Schließzeiten ggf. verringert werden könnten. Möglicherweise könnte sogar auf eine Beseitigung des Bahnübergangs verzichtet werden, sofern für die Übergangszeit für die Bodenseestraße und die Brunhamstraße leistungsfähige und verkehrssichere Lösungen erarbeitet werden können.
Frage 4:
Wie wird die Nachbargemeinde Gräfelfing in den weiteren Prozess durch die Landeshauptstadt München eingebunden?
Antwort:
Die Einbindung der Gemeinde Gräfelfing durch die Landeshauptstadt München wird wie bisher fortgeführt.
Frage 5:
Werden nun weitere Gespräche mit dem dort ansässigen Gewerbe geführt, um einen Anschluss über die Straße Am Gleisdreieck zu erhalten und somit einen Teil des Verkehrs aus der Brunhamstraße zu reduzieren?
Antwort:
Es wurde u.a. zu dieser Frage zuletzt am 4.3.2021 ein Gespräch (RAW, PLAN, MOR) mit Ortsbesichtigung mit der Firma Sirius geführt. Die Firma Sirius hatte uns hierzu eine Stellungnahme angekündigt. Die Gespräche werden anschließend fortgesetzt.
Ich bitte, von den Ausführungen Kenntnis zu nehmen und gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.