Mit einer Kanone durch Münchens Straßen – Drückt das KVR das linke Auge zu?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Professor Dr. Jörg Hoffmann, Gabriele Neff, Richard Progl und Fritz Roth (FDP BAYERNPARTEI Stadtratsfraktion) vom 19.3.2021
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Thomas Böhle:
Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage vom 19.3.2021 zur Beantwortung überlassen.
Inhaltlich teilen Sie Folgendes mit:
„Am Donnerstag, 18.3.2021, zog unter Begleitung der Polizei ein Demonstrationszug mit dem Motto ‚Die Commune lebt!‘ durch die Straßen im Münchner Westend, allen voran die Nachbildung einer Kanone.
Art. 7 des Bayerischen Versammlungsgesetzes besagt, dass es verboten ist, dass Versammlungen oder Teile hiervon ‚nach dem äußeren Erscheinungsbild paramilitärisch‘ geprägt sind. Man stelle sich vor, eine rechte oder rechtsextreme Gruppierung würde mit nachgebildeten Kriegswaffen durch München ziehen: Der Aufschrei wäre – zu Recht – enorm!“
Zu Ihren Fragen nehme ich im Einzelnen wie folgt Stellung:
Frage 1:
War der Demonstrationszug und insbesondere die nachgebildete Kanone bei der Ordnungsbehörde angemeldet?
Antwort:
Das gegenständliche Versammlungsgeschehen bestehend aus einer stationären und zwei sich fortbewegenden Versammlungen für den 17.3.2021 sowie zwei stationären und drei sich fortbewegenden Versammlungen für den 18.3.2021, wurde ordnungsgemäß beim Kreisverwaltungsreferat angezeigt. Dabei wurden als Kundgebungsmittel ein Lkw, ein Verstärker, ein Megaphon, Musikinstrumente, Flugschriften sowie Transparente angegeben, wobei darauf hinzuweisen ist, dass im Hinblick auf die Kundgebungsmittel keine Anzeigepflicht nach BayVersG besteht. Nachdem das BayVersG keinen Genehmigungsvorbehalt vorsieht, wurde die Versammlung anzeigegemäß unter Erlass diverser primär sicherheits- und vor allem infektionsschutzrechtlichen beschränkenden Verfügungen bestätigt.
Frage 2:
Wie schätzt das Kreisverwaltungsreferat diesen Demonstrationszug mit Kanone im Hinblick auf das Militanzverbot ein?
Antwort:
Die szenische Darbietung der Kanone im Rahmen der angezeigten Versammlung unterfällt dem von der Versammlungsfreiheit garantierten Selbstbestimmungrecht des/der Veranstalter*in, nach welchem diese*r die Modalitäten ihrer/seiner Versammlung frei wählen kann. Dabei kann der/ die Veranstalter*in auch provokante, drastische, polarisierende und polemische wie überspitzte Kundgebungsmittel verwenden, für deren Einsatz im gegebenen Fall darüber hinaus auch das Grundrecht der Kunstfreiheit einschlägig war.
Die Tatbestandsvoraussetzungen des Militanzverbots nach Art. 7 Bay-VersG sehen wir im vorliegenden Fall schon deswegen nicht als erfüllt an, da durch die szenische Darbietung der historischen Kanone auch ohne explizite Kennzeichnung als Anscheinswaffe im Gesamtkontext keine einschüchternde Wirkung entstand. Auch das Waffenverbot nach Art. 6 Bay-VersG scheidet beim Einsatz der nachgebildeten historischen Kanone als Kundgebungsmittel aus, da diese weder dazu geeignet war, Personen zu verletzen oder Gegenstände zu beschädigen, noch nach den Umständen hierfür bestimmt war.
Inwieweit die Voraussetzungen des Militanzverbots vorliegen, unterliegt in jedem Fall einer Gesamtbetrachtung des Einzelfalls unter verständiger Würdigung des Gesamtkontextes jeder Versammlung. Dafür ist ab Beginn der Versammlung grundsätzlich die Polizei als Versammlungsbehörde vor Ort zuständig. Nach dem Polizeibericht verlief die Versammlung weitgehend störungsfrei.
Frage 3:
Wie würde die Einschätzung und Genehmigungspraxis des KVR ausfallen, wenn statt links(extremer) Gruppen eine rechte Gruppierung mit Kanone durch Münchens Straßen marschieren möchte?
Antwort:
Die Frage, inwieweit die Voraussetzungen des Militanzverbots bei einer Versammlung durch die Wahl der Kundgebungsmittel vorliegen, unterliegt einer behördlichen Gesamtbetrachtung unter verständiger Würdigung allerbekannten Umstände des konkreten Einzelfalles, wobei wie erwähnt ab Beginn der Versammlung grundsätzlich die Polizei zuständige Versammlungsbehörde vor Ort ist.
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.