Mitbestimmung der Mieter*innen stärken
Antrag Stadtrats-Mitglieder Marie Burneleit, Stefan Jagel, Thomas Lechner und Brigitte Wolf (DIE LINKE. / Die PARTEI Stadtratsfraktion) vom 29.1.2021
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr. (Univ. Florenz) Elisabeth Merk:
Mit Ihrem Antrag fordern Sie, bei den städtischen Wohnungsgesellschaften Mieter*innenräte sowie einen zentralen Unternehmensmieter*innenrat (UMR) als Instrument der Mitbestimmung einzurichten. Die Mieter*innen-räte sollen in den jeweiligen Wohnanlagen gewählt werden und gemeinsam den UMR bilden. Mittels einer ausreichenden finanziellen Unterstützung und fachlicher Anleitung durch die Wohnungsbaugesellschaften soll die Unabhängigkeit der Mieter*innenräte sichergestellt werden. Zudem sollen beide Gremien bei der Durchführung von Wahlen durch die Wohnungsgesellschaften unterstützt werden und von diesen Schulungsangebote erhalten.
Die Mieter*innenräte und der UMR sollen als Interessenvertretung der Bewohner*innen gegenüber der Hausverwaltung, der Geschäftsführung und der Eigentümerin fungieren, hierzu regelmäßige Hausversammlungen einberufen und Beschlüsse der Mieter*innenversammlungen ausführen. Weiter sollen sie Vorschläge und Probleme aufgreifen und gemeinsam mit der Hausverwaltung und/oder den Mieterzentren Lösungen erarbeiten, die möglichst alle Seiten zufrieden stellen. Zudem sollen sie als eine Informations- und Kommunikationsschnittstelle zwischen Mieter*innen, Hausverwaltung und anderen Einrichtungen dienen.
Bei Sanierungs-, Instandhaltungs- und/oder sonstigen Bau- und Umgestal- tungsmaßnahmen wie z.B. der Freiflächen sollen die Gremien beteiligt werden sowie ein Vorschlagsrecht haben. Zur Kostensenkung sollen sie Betriebskostenabrechnungen kontrollieren sowie Verbesserungsvorschläge zur Senkung der Kosten einreichen.
Der UMR soll bei wesentlichen Entscheidungen der Geschäftsführungen, die die Belange der Mieter*innen betreffen, z.B. bei Mieterhöhungen, Stellung beziehen.
Mögliche weitere Verfahrensregeln und Aufgaben sollen durch eine Satzung geregelt werden, bei deren Entwicklung der Mieterbeirat der Landes- hauptstadt München und die Mieter*innen der städtischen Wohnungsgesellschaften einbezogen werden sollen und die durch den Stadtrat erlassen werden soll. Zu Ihrem Antrag vom 29.1.2021 teilen wir Ihnen mit, dass die Mieter*innen der städtischen Wohnungsgesellschaften durch unterschiedliche Formen der Mieter*innenbeteiligung bereits mitbestimmen. Damit wird der Intention Ihres Antrages nach Maßgabe der nachfolgenden Ausführungen entsprochen.
Zu Ihrem Antrag vom 29.1.2021 teilt Ihnen das Referat für Stadtplanung und Bauordnung Folgendes mit:
Sowohl die GEWOFAG Holding GmbH (GEWOFAG) als auch die GWG
München erachten die Einrichtung von Mieter*innenbeiräten oder eines zentralen Unternehmensmieter*innenrates (UMR) als lnstrumente der Mitbestimmung als nicht erforderlich, da eine ausreichende Mitbestimmung bereits etabliert ist.
Die GWG München steht mit ihrer seit Jahrzehnten erfolgreich gelebten sozialorientierten Hausverwaltung, welche in sehr enger Abstimmung mit dem Sozialreferat immer weiter optimiert wird, exemplarisch für eine individuelle an der Mieterschaft orientierte Vermieterin. So stehen z.B. in jeder Wohnanlage Hausverwalter*innen als Ansprechpartner*innen zur Verfügung. Im Rahmen der sozialorientierten Hausverwaltung stehen Sozialpädagogen*innen für eine niederschwellige und enge Betreuung der Mieter*innen zur Verfügung. Zudem werden die Mieter*innen über ein regelmäßig erscheinendes Mieter*innenjournal umfassend zu Ereignissen oder Maßnahmen in den Wohnanlagen informiert.
Die Beschlüsse des Stadtrates, wie z.B. der Beschluss zum Mieten-Stopp vom 24.7.2019 (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 15518), stellen einen sozial und wirtschaftlich verantwortlichen Umgang mit den Mieter*innen sicher. In Baugebieten werden beteiligte Mieter*innen über begleitende Mieter*innen- und Anwohner*innenversammlungen eng eingebunden.
Die Installation eines Mieterrates sowie eines zentralen Unternehmensmieterrates, wie im Antrag gefordert, erscheinen der GWG München aufgrund der beschriebenen sozialorientierten und individuellen Mieterbetreuung daher als nicht erforderlich, zumal eine ausreichende Mitbestimmung und Information der Mieter*innen bei der GWG München etabliert ist.
Die GEWOFAG hat bereits zwei Pilotprojekte zur Etablierung eines Mieterbeirats durchgeführt und dadurch praktische Erfahrungen gesammelt. Nach Auskunft der GEWOFAG war das lnteresse der Mieter*innen an einem ehrenamtlichen Engagement in einem Mieterbeirat kaum oder nur mäßig ausgebildet.Das erste Projekt sollte im Rahmen einer stattfindenden Großmodernisierung in einem Quartier umgesetzt werden. In einer Mieterversammlung wurde das Konzept des Mieterbeirats vorgestellt. Es hat sich jedoch niemand gemeldet, der oder die lnteresse an einer Tätigkeit im Mieterbeirat hatte.
Beim zweiten Projekt wurde zwar ein Mieterbeirat gebildet. Nach den ersten Sitzungen hatten die Mieterbeirät*innen das lnteresse daran jedoch verloren, so dass keine weiteren Aktivitäten mehr stattfanden.
Die GEWOFAG gibt weiter zu bedenken, dass komplexe bedeutsame Verwaltungsentscheidungen durch subjektiv handelnde ehrenamtliche Mieter*innenräte beeinträchtigt sein könnten, da die Mitglieder der Mieter*innenräte als Mieter*innen von Plänen, Maßnahmen und Entscheidungen der Vermieterseite naturgemäß persönlich betroffen sind. Um für die Münchner Stadtgesellschaft mehr dringend benötigten Wohnraum zu schaffen, müssen die Wohnungsgesellschaften jedoch auch übergeordnete lnteressen vertreten. Dies gilt etwa für zur Finanzierung notwendige Mieterhöhungen, Mietrecht, bauliche Nachverdichtungen, Betriebskosten, Gewährleistungsmanagement, öffentliche Ausschreibungspflicht oder ökonomische Anforderungen, die zudem ein hohes Maß an Fachwissen erfordern. Zudem verläuft das Zusammenleben der Mieter*innen in den Wohnanlagen nicht immer harmonisch. Ein großer Teil der Hausverwaltungen ist daher auch mit der Konfliktbewältigung der Mieter*innen untereinander befasst, so dass die GEWOFAG einer Übertragung von Entscheidungskompetenzen skeptisch gegenüber steht. Die GEWOFAG befürchtet eine Beeinträchtigung der Effektivität sowohl der Mieter*innenräte als auch der GEWOFAG, so wie es auch in vielen WEG-Versammlungen häufig stattfindet.
Nicht zuletzt bestehen auch bei der GEWOFAG bereits jetzt verschiedene Formen der Mieter*innenbeteiligung.
So gibt es über die Mieterzentren (Hausverwaltungen), den telefonischen Kundenservice und über die Hausmeister*innen vor Ort direkte Kontaktmöglichkeiten. Die Öffnung eines weiteren Kommunikationskanals ist mit der in Kürze vorgesehenen Etablierung einer Mieter*innen-App vorgesehen. Bei jährlichen umfangreichen und qualifizierten Mieter*innenbefragungen können die Ergebnisse bis auf den jeweiligen Hausaufgang heruntergebrochen werden. Die GEWOFAG greift diese Rückmeldungen auf, leitet die entsprechenden Maßnahmen zur Verbesserung der Situation ein und kommuniziert direkt mit den Betroffenen.
Bei Modernisierungsmaßnahmen beziehungsweise Instandhaltungsmaßnahmen werden Mieter*innenversammlungen abgehalten, um mit denMieter*innen direkt ins Gespräch zu kommen. Die Meinungen und Vorstellungen der Mieter*innen fließen somit bei der Umsetzung der Projekte bereits jetzt mit ein.
In sensiblen Themenbereichen bietet die GEWOFAG den Mieter*innen sogenannte Runde Tische an, welche in der Regel gemeinsam mit der Geschäftsführung der GEWOFAG oder Mitgliedern der Geschäftsleitung stattfinden. Im Rahmen dieser „Runden Tische“ können Mieter*innen Sorgen und Anregungen vorbringen, aus denen neue Konzepte zur Verbesserung der Wohnqualität wie z.B. die Einführung des neuen Siedlungshausmeister-Konzepts erwachsen.
lnsbesondere aufgrund der praktischen Erfahrungen, den bestehenden Kontaktmöglichkeiten sowie der bereits praktizierten Einbindung der Mieter*innen in relevante Prozesse ist die GEWOFAG der Auffassung, dass ein Mieter*innenrat nicht erforderlich und von Seiten des größten Teils der Mieterschaft auch gar nicht gewünscht ist. Dies gilt auch für die Bildung eines zentralen Unternehmensmieter*innenrates.
Die GEWOFAG begrüßt es, wenn sich Mieter*innen für ihre Wohnanlage einsetzen möchten und steht hierfür durch unterschiedliche Formen der Mieterbeteiligung sehr gerne zur Verfügung.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.