Kälte-App für Münchens Obdachlose
Antrag Stadtrat Rudolf Schabl (Fraktion ÖDP/FW) vom 11.2.2021
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
Sie beantragen: „Die Landeshauptstadt München richtet so schnell wie möglich als Ergänzung zu bestehenden Angeboten eine Kälte-App ein, mit der schnell und niederschwellig Hilfe für obdachlose Mitbürger*innen angefordert werden kann.“ und verweisen auf die bestehende kostenlose Kälte-App in Wien.
In der Begründung Ihres Antrags führen Sie aus, dass über 550 Menschen in München auf der Straße leben. Es gibt ein engmaschiges Hilfenetzwerk für diese Menschen, aber viele leben dennoch bei eisiger Kälte und Schneefall auf der Straße. Diese Situation hat sich seit Beginn der Corona-Pandemie noch verschärft, da eine Ansteckung mit dem Virus in Übernachtungseinrichtungen gefürchtet wird. Bei besonders frostigen Temperaturen ist das Übernachten unter Brücken gerade für geschwächte Personen akut lebensbedrohlich. Darum sind Bürger*innen angehalten, die Behörden oder die Polizei zu verständigen, wenn sie Bedürftige sehen.
Ihr Einverständnis vorausgesetzt teile ich Ihnen zu Ihrem Antrag vom 11.2.2021 Folgendes mit:
Das Thema Kältetelefon wurde bereits in der Beschlussvorlage Nr. 14-20/V 16539 im Sozialausschuss vom 21.11.2019 aufgegriffen. Unter der Vorlagennummer können Sie im Ratsinformationssystem (RIS) bzw. unter www.ris-muenchen.de die Beschlussvorlage einsehen.
Ursprünglich planten Vertreter*innen des Sozialreferates und des Evangelischen Hilfswerkes im Juni 2020 eine kurze Informationsreise nach Wien, um sich u. a. mit der Wiener Stadtverwaltung und der Caritas Wien, die dort das Kältetelefon betreibt, auszutauschen. Das Kältetelefon Wien ist von November bis April rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche besetzt. Ehrenamtliche Mitarbeitende nehmen die Anrufe und E-Mails von Bürger*innen entgegen und leiten die Meldungen an die Streetworker*innen weiter, die auch nachts im Einsatz sind. Beim Projektbesuch sollte überprüft werden, ob eine solche „Hotline“ auch in München hilfreich sein kann.
Leider kam dann die Corona-Pandemie dazwischen und das Austauschtreffen mit den Kolleg*innen musste vorerst auf unbestimmte Zeit verschoben werden. So bald eine Reise nach Wien wieder möglich ist, werden die Planungen wieder aufgenommen. Nach aktuellem Stand wird diesesTreffen für 2022 anvisiert oder eventuell auch in Form einer Videokonferenz stattfinden.
Ich teile Ihr Anliegen, dass hilfebedürftige obdachlose Menschen in Not, die draußen in der Kälte nächtigen, schnellstmöglich Hilfeangebote erhalten sollten.
Die Obdachlosenstreetworker*innen des Tagesaufenthalts der Teestube „komm“ und der Beratungsstelle „Schiller25“ suchen obdachlose Menschen, vor allem auch in den Abendstunden, regelmäßig und an ihren Plätzen und Schlafstellen auf. Die sozialpädagogischen Fachkräfte beraten und unterstützen die Hilfebedürftigen bei allen Problemsituationen zur Verbesserung ihrer Lebens- und Wohnsituation. Durch regelmäßiges Aufsuchen versuchen die Streetworker*innen eine Vertrauensbasis zu schaffen, den Kontakt zu halten und im Rahmen von „Überzeugungsarbeit“ darauf hin zu wirken, dass die Angebote, die die Landeshauptstadt München für hilfebedürftige Menschen bereit hält, von den Betreffenden angenommen werden. Die Streetworker*innen sind in den Abendstunden im Einsatz, jedoch nicht wie in Wien rund um die Uhr.
Das Büro der Teestube „komm“ ist an sieben Tagen in der Woche bis 20 Uhr besetzt. Besorgte Bürger*innen haben die Möglichkeit telefonisch über die Telefonnummer 0 89-77 10 84 und über die E-Mail-Adresse: teestubekomm@hilfswerk-muenchen.de oder über das Büro der # „Schiller25“ unter Telefon 0 89-54 59 41 40 oder über die E-Mail-Adresse: schiller25@hilfswerk-muenchen.de Mitteilungen und Hinweise zu obdachlosen Menschen in Not abzugeben. Der betreibende Träger, das Evangelische Hilfswerk München gGmbH teilte mir mit, dass dieses Angebot von den Bürger*innen sehr gut angenommen wird. Vor allem an kalten Tagen oder im Winter gehen besonders viele Meldungen zu Hilfebedürftigen ein. Die Mitarbeitenden von Streetwork sind der Ansicht, dass sich in München im Laufe der Jahre dieses Meldesystem fest etabliert hat, es funktioniert, ist zielgerichtet und die Streetworker*innen können mit den bestehenden Mitteln, mit der Hinweismöglichkeit über Telefon und E-Mail-Adresse, ihren Auftrag zeitnah erfüllen.
Seit letztem Winter wurde der Münchner Wärmebus als zusätzliche Hilfemaßnahme in den kalten Wintermonaten über die Beschlussvorlage Nr. 14-20/V 16539 im Sozialausschuss vom 21.11.2019 initiiert. In Kooperation mit der Streetwork und als Ergänzungsangebot sucht der Wärmebus in den Abendstunden die Menschen auf der Straße an ihren Schlafplätzen auf, mit dem Ziel obdachlose Frauen und Männer in Unterkünfte zu vermitteln und gleich direkt dort hinzufahren, um sie vor dem Erfrieren zu schützen. Erreichbar ist der Wärmebus unter der E-Mail-Adresse: waermebus@hilfswerk-muenchen.de. Auch hier können Meldungen und Hinweise zu Hilfebedürftigen auf der Straße gemacht werden. Dies ist vielen Münchner Bürger*innen bekannt und wird stark in Anspruch genommen, so die Aussage des Trägers.
Neben dem Münchner Wärmebus sind in den Abendstunden auch die Münchner Straßenambulanz (medizinische Versorgung von obdach- und wohnungslosen Menschen), open.med (ebenfalls für die medizinische Akutversorgung) sowie ehrenamtliche Initiativen wie die Möwe Jonathan oder der Kältebus unterwegs. Diese Initiativen versorgen obdachlose Menschen an ihren jeweiligen Schlafplätzen und haben ein Auge auf sie.
Falls Bürger*innen auf einen Menschen in akut lebensbedrohlicher Situation treffen, würde eine Kälte-App nicht den Notruf 112 und/oder den Anruf bei der Polizei 110 ersetzen.
Das Sozialreferat nimmt die Bedürfnisse hilfebedürftiger, wohnungs- und obdachloser Menschen sehr ernst und versucht immer wieder mit verschiedenen Angeboten diesem Personenkreis gerecht zu werden. Bestehende Konzepte und Bedarfe werden immer wieder überprüft, entsprechend angepasst und ggf. auch ausgeweitet. Ich sehe allerdings derzeit keine Notwendigkeit als Ergänzung zu den bestehenden Angeboten eine Kälte-App nach dem Vorbild Wiens einzurichten.
Ich hoffe, auf Ihr Anliegen hinreichend eingegangen zu sein und gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.