Kunst: Wer hat vor einer Woche die Wasserwolke aus dem Olympiasee geschrottet?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Sonja Haider, Nicola Holtmann, Dirk Höpner, Hans-Peter Mehling, Tobias Ruff und Rudolf Schabl (Fraktion ÖDP/FW) vom 15.4.2021
Antwort Clemens Baumgärtner, Referent für Arbeit und Wirtschaft:
In Ihrer Anfrage vom 15.4.2021 führten Sie als Begründung aus: „Wir wurden von entsetzten Bürgerinnen und Bürgern darauf aufmerksam gemacht, dass eines der neun technischen Basis-Elemente der aus Steuermitteln der Bundesrepublik Deutschland für die Olympischen Spiele 1972 als Hauptkunstwerk erworbenen beleuchtbaren Wasserwolke von Heinz Mack (Mitgründer der Gruppe ZERO), die sich bis 2009 im Olympiasee befand, kürzlich auf einem Gartenbaustützpunkt am Olympiasee in handliche Einzelteile zersägt und in Schrottcontainer verbracht wurde (s. Fotos anbei).
Vor dem Hintergrund, dass die Stadtverwaltung mit Stadtratsbeschluss vom 19.11.2020 beauftragt wurde, eine Dokumentation der Olympia-Kunst zu erstellen und dem Stadtrat ein Konzept vorzulegen wie eingelagerte Kunstwerke wieder öffentlich ausgestellt werden können, ist dieses Vorgehen beschlusswidrig und mehr als verwunderlich. Es wäre doch viel eher zu erwarten gewesen, dass das Teilobjekt des Hauptkunstwerkes im Rahmen der Feierlichkeiten zum 50-jährigen Jubiläum der Olympischen Spiele von 1972 mit einer erklärenden Dokumentationstafel am oder im Olympiasee ausgestellt worden wäre.
Außerdem steht der Olympiapark seit 1998 unter Ensemble-Schutz nach dem Bayerischen Denkmalschutzgesetz, somit hat die Wasserwolke zur Zeit ihres Abbaus im Jahr 2009 auch dem Ensemble-Schutz unterlegen. Es ist davon auszugehen, dass ein wesentlicher Bestandteil eines denkmalgeschützten Ensembles auch nach seinem (vorübergehenden) Abbau weiterhin dem Denkmalschutz unterliegt, so lange kein denkmalpflegerischer Freistellungsbescheid zu dessen anderweitiger Verwendung erteilt wird. Es ist davon auszugehen, dass der ‚Schwimmkörper mit Düsenstöcken und Scheinwerfern‘ des weltberühmten Kunstwerks der Olympiakunst von 1972 auf einer Kunstauktion einen wesentlich höheren Liebhaberpreis als den Schrottpreis erzielt hätte, so dass durch die Zerstörung der Eigentümerin des Kunstwerks ein Vermögensschaden entstanden ist. Im Übrigen ist es frappierend, dass ein für 1,5 Mio DM erworbenes Kunstwerk zunächst vergammelt, weil sich die zuständigen städtischen Stellen und Gremien jahrelang wenig um Pflege und Wartung kümmern, es dann wegen seines maroden Zustandes abgebaut und ein Jahrzehnt eingelagert wird, um es schließlich während der Ferienzeit schnell zu zerstören.“
Zu den im Einzelnen gestellten Fragen kann ich Ihnen auf Grund der Stellungnahmen von SWM Services GmbH als Erbbaurechtsnehmer des
Geländes des Olympiaparks, der Olympiapark München GmbH (OMG) als Pächterin des Geländes und des Referates für Stadtplanung und Bauordnung Folgendes mitteilen:
Frage 1:
Wer hat die Verschrottung des Teilelements der Wasserwolke angeordnet und mit welcher Begründung?
Antwort:
Die Wasserwolke wurde bereits 2009 verschrottet. Noch vorhandene Restteile werden nicht verschrottet (s. Frage 6.)
Frage 2:
Wer war im Zeitpunkt der Verschrottung Eigentümerin des Elementes, die Bundesrepublik Deutschland, die Landeshauptstadt München oder welche der städtischen Gesellschaften?
Antwort:
Zu diesem Zeitpunkt war die Landeshauptstadt München Grundeigentümerin und die SWM Services GmbH Erbbauberechtigte und somit wirtschaftliche Eigentümerin.
Frage 3:
Lag zum Zeitpunkt der Verschrottung ein denkmalpflegerischer Freistellungsbescheid vor? Falls nein, weshalb wurde dieser nicht beantragt oder weshalb wurde er nicht erteilt? Lagen die rechtlichen Voraussetzungen für eine Erteilung vor oder nicht?
Antwort:
Ein denkmalpflegerischer Freistellungsbescheid (denkmalschutzrechtliche Erlaubnis) lag im Zeitpunkt der Verschrottung nach Informationen der SWM Services GmbH nicht vor. Offenbar wurde davon ausgegangen, dass es einer solchen Erlaubnis nicht bedarf, weil die Wasserwolke bereits Mitte der 1970er Jahre technisch nicht mehr funktionsfähig war und daher außer Betrieb genommen wurde. Die technischen Einrichtungen im Olympiasee waren u.a. aufgrund des jahrzehntelangen permanenten Wasserkontakts marode und nicht mehr wiederinbetriebnahmefähig, weshalb die Einrich-tungen im Jahr 2009 demontiert wurden. Hierüber informierte die OMG mit Pressemitteilung vom 7.10.2009 (s. https://www.olympiapark.de/de/der-olympiapark/presse/details/article/grosser-herbstputz-im-olympiasee/).
Frage4:
Welche Erfolgsaussichten haben Schadensersatzansprüche der Eigentümerin gegen die Handelnden wegen der Zerstörung ihres aus Steuermitteln finanzierten Eigentums, gerade vor dem Hintergrund, dass auf einer Kunstauktion sicherlich ein über dem Schrottpreis liegender Ertrag zu erzielen gewesen wäre? Welche Erfolgsaussichten hat ein Strafverfahren gegen die Handelnden, u.a. nach § 266 StGB Untreue und nach § 304 StGB Gemeinschädliche Sachbeschädigung? Welche rechtlichen Schritte erwägt die Landeshauptstadt München oder hat sie schon eingeleitet?
Antwort:
Durch die Entsorgung des letzten noch verbliebenen Elements der „Wasserwolke“ ist kein erkennbarer Schaden entstanden. Straftatbestände wurden laut SWM Services GmbH hierdurch nicht erfüllt.
Frage 5:
Wo befinden sich die anderen Teilelemente der Wasserwolke, welche 2009 abgebaut wurden oder was ist nach dem Ausbau mit ihnen geschehen?
Antwort:
Nach Kenntnis der OMG wurden die Elemente auf dem Gelände der SWM Services GmbH am sogenannten Gärtnerhof eingelagert. Die OMG wurde Mitte März 2021 informiert, dass Restbestände der ehemaligen Wasserwolke bei den SWM Services GmbH im Gärtnerhof entdeckt worden seien. Da die Überbleibsel technisch nicht mehr nutzbar seien, fragte die OMG beim Stadtmuseum an, ob es Interesse an den Überresten aus musealer Sicht gäbe. In der unvollständigen Form und aufgrund des sehr schlechten Zustands wurde dies abgelehnt mit dem Hinweis, sich an das Planungsreferat/Denkmalschutz zu wenden.
Frage 6:
Wurden oder werden Teile (z.B. Scheinwerfer, Düsen) der ausgebauten Elemente sichergestellt und aufbewahrt, insbesondere auch um im Falle der Beauftragung einer (modernisierten) Rekonstruktion einer funktionsfähigen Wasserwolke als Muster zu dienen? Falls ja, welche Stelle trägt die Verantwortung für die Aufbewahrung?
Falls nein, warum nicht?
Antwort:
Die SWM Services GmbH haben nach Aufforderung der Unteren Denkmalschutzbehörde vorsorglich eine denkmalfachliche und archivgerechte Dokumentation der Wasserwolke veranlasst. Sofern denkmalrechtlich erforderlich, werden die noch vorhandenen Elemente der Wasserwolke durch die SWM Services GmbH und OMG aufbewahrt. Eine ausführliche Fotodokumentation sowie zeichnerische Darstellungen aus 2009 sind vorhanden. Muster, einzelne Teile, wie z.B. Scheinwerfer und Düsen, sind vorhanden, sichergestellt, und werden aufbewahrt. Sie können als Grundlage für eine Rekonstruktion verwendet werden.
Anhand der noch vorhandenen Reste soll laut PLAN nun eine denkmalfachliche und archivgerechte Dokumentation der Gesamtkonstruktion Wasserwolke sowie ihres Konstruktionsprinzips erfolgen. Ziel dieser Untersuchung ist es, jene Bauteile herauszufinden, welche z.B. im Bauarchiv des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege zusammen mit der Dokumentation archiviert werden können.
Frage 7:
Besteht seitens der Stadt ein Austausch mit dem Künstler der Wasserwolke, Heinz Mack, der dem Vernehmen nach bereit wäre eine Rekonstruktion zu unterstützen?
Antwort:
Von Seite der SWM Services GmbH und der OMG besteht kein Austausch mit dem Künstler.
Frage 8:
Wer ist, gerade auch im Hinblick auf das 50-jährige Jubiläum der Olympischen Spiele von 1972 im Jahr 2022, beauftragt, die Möglichkeiten einer Rekonstruktion der Wasserwolke mit moderner, energiesparender Technik zu eruieren?
Antwort:
Nach früheren Recherchen der OMG wäre eine Rekonstruktion der Wasserwolke mit hohen Kosten verbunden. Zudem weist die OMG darauf hin, dass der Olympiasee für Veranstaltungen genutzt wird. Ein dauerhafter Einbau einer „neuen“ Wasserwolke würde eine Nutzung des Olympiasees für Veranstaltungen nicht mehr gewährleisten, z.B. findet im Rahmen der European Championships 2022 ein Teil des Triathlons im See statt.
Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen hiermit ausreichend beantworten konnte.