Wie sehen Münchens zukünftige Bäume aus?
Anfrage Stadtrat Tobias Ruff (Fraktion ÖDP/FW) vom 30.3.2021
Antwort Baureferentin Rosemarie Hingerl:
In Ihrer schriftlichen Anfrage vom 30.3.2021 führen Sie Folgendes aus: „Stadtbäume haben erschwerte Lebensbedingungen. Verdichtete Böden, versiegelte Flächen, Streusalz, invasive neue Insekten oder auch Wurzelverletzungen durch Arbeiten an Leitungen machen ihnen zu schaffen. Zunehmende sommerliche Hitze- und Trockenperioden und Stürme gepaart mit Starkregen stellen die Stadtbäume vor neue Herausforderungen. Bäume, die sich für Neu- und Ersatzpflanzungen in der LHM eignen, müssen daher bestimmte Kriterien erfüllen, um sich gesund entwickeln und langfristig überleben zu können. Zur Bestimmung geeigneter Arten und weiterer vorteilhafter Kriterien wurden Studien, wie z.B. Stadtbäume im Klimawandel, durchgeführt. Darum frage ich/fragen wir den Oberbürgermeister:
1. Welche Studien wurden mit welchen Partnern durchgeführt und zu welchen Ergebnissen sind die Studien gekommen?
2. Welchen Einfluss nehmen die Studienergebnisse auf die Auswahl der neu zu pflanzenden Bäume bei den städtischen Forsten?
3. Welchen Einfluss nehmen die Studienergebnisse auf die Auswahl der neu zu pflanzenden Bäume beim Gartenbau?
4. Inwiefern wird sich dadurch der Schwerpunkt der Straßenbaumgattung verändern, d.h. welches sind derzeit die häufigsten Straßenbaumgattungen und wie sieht das Zielbild aus?
5. Werden weitere begleitende Studien durchgeführt, um ggf. nötige Anpassungen der Kriterienkataloge frühzeitig erkennen zu können?“
Die entstandene Fristüberschreitung bitten wir zu entschuldigen.
Frage1:
Welche Studien wurden mit welchen Partnern durchgeführt und zu welchen Ergebnissen sind die Studien gekommen?
Frage 3:
Welchen Einfluss nehmen die Studienergebnisse auf die Auswahl der neu zu pflanzenden Bäume beim Gartenbau?
Frage 4:
Inwiefern wird sich dadurch der Schwerpunkt der Straßenbaumgattung verändern, d.h. welches sind derzeit die häufigsten Straßenbaumgattungen und wie sieht das Zielbild aus?
Frage 5:
Werden weitere begleitende Studien durchgeführt, um ggf. nötige Anpassungen der Kriterienkataloge frühzeitig erkennen zu können?
Antwort:
Zu Ihren Fragen 1 und 3 bis 5 dürfen wir auf die Vorlage zum Beschluss des Bauausschusses vom 4.2.2020 (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 16869) verweisen. Mit der Vorlage wurde der Baumbestand auf öffentlichen Verkehrs- und Grünflächen ausführlich behandelt. Das Baureferat wurde in diesem Zuge beauftragt, den Baumbestand auf öffentlichen Verkehrs- und Grünflächen innerhalb des Mittleren Ringes durch ein Gutachterteam erheben, analysieren und auf dieser Grundlage ein Baumentwicklungskonzept erstellen zu lassen, welches dem Stadtrat zur Entscheidung vorgelegt wird. Derzeit läuft die Erhebung des Baumbestandes.
Im Vortrag dieser Beschlussvorlage wurde bezüglich der von Ihnen angesprochenen Fragestellungen bereits Folgendes ausgeführt:
„Für das Stadtklima und die Biodiversität im urbanen Bereich sind Bäume einer der wertvollsten Akteure. Insbesondere in der hochverdichteten Innenstadt, dort wo keine großen unversiegelten und mit entsprechender Vegetation bepflanzbaren Flächenpotentiale zur Verfügung stehen, sind Bäume, welche in der Enge der Stadt die dritte Dimension nutzen können und relativ wenig Standfläche beanspruchen, unverzichtbar.
Die Baumartenauswahl orientierte sich bis in die 1990er Jahre an der traditionell bereits existierenden Vegetation, d.h. es wurden Arten verwendet, die in München und im Umland als häufig gepflanzte Baumarten vorkamen. So bestehen die Münchner Bäume auf öffentlichen Verkehrsflächen zu beinahe zwei Dritteln aus nur zwei Baumarten: Linde und Spitzahorn.
Die geringe Vielfalt der Arten muss als problematisch betrachtet werden. Im Laufe der Zeit hat sich herausgestellt, dass alleine durch das extreme Stadtklima die Verwendung weniger Baumarten äußerst kritische Auswirkungen nach sich ziehen könnte. Das Risiko ist hoch, dass sie unter den extremen Bedingungen in der Stadt krank und in ihrer Vitalität gestört werden. Durch den Klimawandel wird die Situation noch weiter verstärkt. Auch die Globalisierung trägt zu einer Gefährdung des heimischen Baumbestandes bei. Durch den unbegrenzten Waren- und Reiseverkehr gelangen bislang als exotisch geltende Krankheiten und Schädlinge aus fernen Regionen auch zu uns.Wie bereits bei verschiedenen Baumarten festgestellt wurde, kann ein Auftreten von neuen Schaderregern und Krankheiten dazu führen, dass eine Baumart im Münchner Stadtgebiet nicht mehr verwendet werden kann. Als Beispiele sind hier die Esche aufgrund des Eschentriebsterbens oder die Rosskastanie, die von einem Bakterium befallen wird, zu nennen.
Ähnlich wie im Forst, wo hinsichtlich des Klimawandels auf Mischwälder und nicht auf Monokulturen gesetzt wird, erscheint auch bei den Stadtbäumen die Erhöhung der genetischen Vielfalt durch eine möglichst große Durchmischung mit geeigneten Baumarten notwendig. Eine Risikostreuung und damit Risikominimierung durch möglichst große genetische Vielfalt ist deshalb die zielführende Strategie.
Bereits seit Mitte der 1990er Jahre hat das Baureferat die Problematik erkannt und erforscht federführend im Rahmen der bundesweit agierenden Gartenamtsleiterkonferenz geeignete Baumarten für das Stadtklima der Zukunft. Der Arbeitskreis Stadtbäume der Gartenamtsleiterkonferenz ist ein Gremium von Fachleuten aus verschiedenen Kommunen, die alle wichtigen Baumthemen diskutieren und allgemeinverbindliche Empfehlungen für den Verwender, wie Städte und Gemeinden, formulieren. Ein Schwerpunktthema ist die Bereitstellung der ‚Straßenbaumliste der GALK‘, bei der ca. 175 Baumarten und -sorten seit 1975 regelmäßig bewertet werden. Vom Arbeitskreis Stadtbäume wird auch der bundesweite Straßenbaumtest für Bäume durchgeführt.
Hier werden in verschiedenen Kommunen, darunter auch in München, vor allem ‚neue‘ Baumarten aufgepflanzt und jährlich auf Eignung hin beurteilt, angesichts des Klimawandels eine unverzichtbare Aufgabe.
Als Ergebnis des Tests liegen Erkenntnisse über alle 175 Baumarten und auch darüber vor, welche zur Pflanzung speziell im Münchner Stadtgebiet für die zukünftigen Entwicklungen besonders geeignet sind. Die gezielte Verteilung bzw. Streuung der Bäume über das Stadtgebiet kann jedoch ohne eine vorausschauende Planung nicht erfolgen.
Grundlage dazu ist die entsprechende Kartierung des Baumbestandes. Nur so ist eine stadtweite, strukturierte Entwicklung des Baumbestandes mit diesen neuen Baumarten möglich. Eine detaillierte, auswertbare Dokumentation des Gesamtbaumbestandes muss für diese Aufgabe daher erst geschaffen werden.
Die Gesamtanzahl des Baumbestandes, seines Zustandes und seiner
Artenzusammensetzung beruht derzeit auf Schätzungen bzw. Hochrechnungen. Nur für den Bestand der Straßenbäume gibt es verbindlichere Erkenntnisse wie Anzahl (rund 110.000 Stück) und Artenverteilung (ca. 65% Linde und Ahorn). Die Daten liegen jedoch nur in der Summe vor, sind nicht weiter auswertbar und wurden bereits 2008 erhoben.
Es wird unverbindlich geschätzt, dass in öffentlichen Grünanlagen über 600.000 Bäume (vermutlich mindestens 50% Ahorn und Linde) existieren. Eine systematische Analyse und Bewertung, wie z.B. die Verteilung der unterschiedlichen Baumarten im Stadtgebiet, ist aufgrund der fehlenden Datenerhebung nicht möglich. Daher kann auch keine stadtweite gezielte Entwicklung und Planung des Baumbestandes erfolgen. Das ist nur mit Hilfe einer umfassenden Erhebung des Baumbestandes möglich.
Die Baumbestandserhebung kann dann die Grundlage für ein stadtweites Baumentwicklungskonzept liefern, das mittel- und langfristig den Erhalt bzw. die Schaffung eines zukunftsfähigen Baumbestandes und die Erhöhung der Biodiversität im öffentlichen Raum sichert. Gleichzeitig können auch Potentiale für eine Ergänzung von Bäumen in bestehenden Grünstrukturen gutachterlich identifiziert und Empfehlungen zum weiteren Vorgehen formuliert werden.“
Frage 2:
Welchen Einfluss nehmen die Studienergebnisse auf die Auswahl der neu zu pflanzenden Bäume bei den städtischen Forsten?
Antwort:
Zu Frage 2 nimmt das Kommunalreferat wie folgt Stellung:
„Die Städtische Forstverwaltung München trifft die Auswahl der neu zu pflanzenden Bäume auf Grundlage neuester wissenschaftlicher Studien. Sie orientiert sich dabei an den Empfehlungen der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft.
Es werden nur Bäume gepflanzt, die nach derzeitigem Kenntnisstand mit dem Klimawandel gut zurechtkommen werden.
Aufgrund der Naturlandzertifizierung können jedoch nur einheimische Baumarten berücksichtigt werden. Fremdländische Baumarten werden daher nicht im Münchner Stadtwald gepflanzt.“