Kriterien und deren Umsetzung: Bio-Qualität auf der Wiesn
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Simone Burger, Anne Hübner, Barbara Likus, Klaus Peter Rupp, Dr. Julia Schmitt-Thiel, Andreas Schuster, Felix Sproll, Christian Vorländer (SPD/Volt-Fraktion) und Anja Berger, Beppo Brem, Mona Fuchs, Dominik Krause, Clara Nitsche, Julia Post, Sebastian Weisenburger (Fraktion Die Grünen – Rosa Liste) vom 2.12.2020
Antwort Clemens Baumgärtner, Referent für Arbeit und Wirtschaft:
In Ihrer Anfrage vom 2.12.2020 führten Sie als Begründung aus: „Die Anfrage bezieht sich auf die folgenden Stadtratsbeschlüsse:
-Anpassung der Bewertungssysteme beim Kriterium Ökologie für das Oktoberfest, die Auer Dulten, das Stadtgründungsfest und den Christ- kindlmarkt vom 19.9.2017 (SB) mit Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 06814
-Klimaneutrales München bis 2035 – Maßnahme 8: Klima- und Artenschutz durch Förderung der ökologischen Landwirtschaft vom 22.7.2020 mit Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 00214
Entsprechend dem oben genannten Stadtratsbeschluss vom 19.9.2017 gilt seit 2018 ein dif
ferenziertes und abgestuftes Bewertungssystem für die Vergabe von Öko-Punkten bei der Be
werbung eines Wiesn-Beschickers
entsprechend des Einsatzes von Bio- und regionalen Produkten. Die Kriterien sind:
-Hauptsortiment 100% Siegel ‚Bio-Bayern‘ = 4 Punkte,
-Hauptsortiment 100% zertifizierte Bio-Produkte und kurze Transport- wege = 3 Punkte
-Hauptsortiment 100% Siegel ‚Geprüfte Qualität – Bayern‘ = 2 Punkte Gemäß den Angaben des Referats für Arbeit und Wirtschaft (RAW) im Stadtratsbeschluss vom 22.7.2020 hatten zum Oktoberfest 2019 bereits 126 von 146 zugelassenen gastronomischen Betrieben ganz oder teilweise Bio-Waren in ihrem Oktoberfestsortiment.
Im Wiesn-Bericht 2018 erfolgte jedoch keine Aufteilung nach den per Stadt- ratsbeschluss festgelegten Qualitätskriterien. Für 2019 wurde der Bericht aufgrund von Corona zurück gesellt. Es ist davon auszugehen, dass die Daten bereits erhoben wurden. Mehr Informationen über die Anwendung der einzelnen Qualitätsstufen und deren Angebot auf der Wiesn, hilft bei der Analyse und Bewertung der Vorgaben.“
Die in Ihrer Anfrage gestellten Fragen können wie folgt beantwortet werden:
Vor der Beantwortung der konkreten Einzelfragen aus Ihrer Anfrage erlauben Sie mir bitte folgende Vorbemerkungen:Der Stadtrat hat am 19.9.2017 (SB) mit Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 06814 eine neue Punktevergabe für Bewerbungen mit Bioprodukten beschlossen. Die Aufteilung der Kategorien und die Gewichtung erfolgte in Anlehnung an die städtische Beschaffungsleitlinie für Lebensmittel des RGU, nimmt die Stellungnahme des RGU auf und erweitert das Spektrum um das Kriterium der durch ein offizielles Siegel zertifizierten Regionalität. Auf dieser Grundlage wurde für Betriebe, die ihr Hauptsortiment ausschließlich in den festgelegten Qualitäten anbieten, folgender mit Faktor 2 bewerteter Punkteschlüssel beschlossen:
100% Siegel „Bio-Bayern“ = 4 Punkte
100% zertifizierte Bio-Produkte und kurze Transportwege = 3 Punkte 100% zertifizierte Bio-Produkte = 2 Punkte
100% Siegel „Geprüfte Qualität – Bayern“ = 1 Punkt
Zuvor gab es Punkte für eine komplette Bio-Speise im Gesamtsortiment, abgepackte Bio-Produkte oder für die Hälfte des Sortiments in Bio-Qualität. Es reichte bereits der Verkauf von Bio-Softdrinks oder anderen Fertigprodukten, um Punkte zu erhalten, auch wenn der Rest des Sortiments konventionell produziert war, sodass insgesamt mehr Biopunkte erreicht wurden.
Im Vorfeld der Beschlussfassung wurde hinsichtlich der Wirkungsweise der neuen Punkteregel befürchtet, dass die Umstellung dazu führen könnte, dass einzelne Biowaren aus dem Angebot wegfallen, weil es dafür keinen Anreiz durch das Bewertungssystem mehr gibt. Dies hat sich nicht bewahrheitet. Die nachfolgende Tabelle (Tab 1) zeigt die Entwicklung beim Angebot von Bio-Produkten unabhängig von der Bewertung durch Punkte über fünf Jahre. 2018 und 2019 wurde bereits das neue Bewertungssystem angewendet:
Die nachfolgende Tabelle (Tab 2) zeigt die Zahl der zugelassenen und durch das Bewertungssystem bepunkteten Beschicker für die Veranstaltungen des RAW:
2018 konnte ein vergleichender Bericht nach den neuen Kriterien nicht erstellt werden, weil es dazu im ersten Jahr keine statistischen Bezugsgrö-ßen gab. 2019 war es demnach erstmals möglich, einen solchen Vergleich anzustellen. Dieser ist insofern immer noch wenig aussagekräftig, als zur validen Feststellung von Steuerungseffekten ein mehrjähriger Betrachtungszeitraum nötig ist.
Nach aktueller Datenlage lassen sich bisher nur schwerlich quantifizierbar Schlüsse ziehen. Dennoch lassen sich folgende Details feststellen: -Die Qualität des Bio-Angebots hat sich verbessert, da Betriebe mit Feigenblatt-Produkten herausfallen und gleichzeitig eine absolute Zunahme von Anbietern mit Bio-Hauptsortiment zu verbuchen ist.
Einzelne Höhepunkte:
- 8 von 10 Süßwarenständen auf den Dulten und 7 von 14 auf dem Christkindlmarkt führen im Hauptsortiment ausschließlich Bioprodukte. - 3 von 5 Feinkostständen auf den Dulten und alle 7 auf dem Christ- kindlmarkt führen ausschließlich Bio.
- 14 von 18 Heißgetränke-Ständen auf dem Christkindlmarkt führen Bio. -Nur Stände mit 100 Prozent Bio-Angebot waren erfolgreich. Die Nachfrage nach Bio ist bei Geschäften mit Mischsortiment schlecht. Dort besteht von Verbraucherseite eher Interesse an regionalen Produkten.
Zu Ihren Fragen im Einzelnen
Frage 1a:
Wie viele gastronomische Wiesn-Beschickende erfüllten auf der Wiesn 2018 sowie 2019 welches der oben genannten Bewertungskriterien und erhielten entsprechende Punkte dafür?
Antwort:
Siehe hierzu folgende Tabelle (Tab 2a), die die Bewertung von Wiesnbeschickern ausweist:
Frage 1b:
Welches Hauptsortiment hatten die Beschickenden jeweils angegeben bzw. wurde vom RAW als solches festgelegt?
Antwort:
Die Festlegung wird gemäß eingereichter Speisekarten oder Sortimentsauflistungen getroffen.
Zum Beispiel werden bei einer Wurstbraterei die Wurstwaren als Hauptsortiment gelten, bei einer Mandelbrennerei die Nüsse oder bei einem Stand mit glasierten Früchten die Früchte, auch wenn zusätzlich andere Waren angeboten werden.
Frage 1c:
Werden vom RAW die Umsatzzahlen erfasst, um den Bio-Anteil am Gesamt-Warenwert zu ermitteln?
Antwort:
Nein, Umsätze werden nur in ihrer Gesamtheit bei den umsatzabhängigen Pachten erfasst; jedoch nicht nach einzelnen Produkten. Eine genaue Erfassung ist ohnehin nicht möglich, da im Preis eines Gerichts oder Produkts, z.B. Bratwurst-Semmel zu 4 Euro, die Wertanteile seiner Komponenten untergehen. Beim Verkauf eines Produkts, das aus verschiedenen Komponenten unterschiedlicher Provenienz besteht, wird der Wert jedes einzelnen Produktbestandteils nicht ausgewiesen.
Frage 2a:
Wie viele gastronomische Wiesn-Beschickende erfüllen keines der oben genannten Bewertungskriterien für ihr Hauptsortiment und boten trotzdem Bio-Produkte an?
Antwort:
Aus den oben dargestellten Tabellen ist ersichtlich, dass im Jahr 2018 66 Beschicker und im Jahr 2019 114 Beschicker trotzdem Bioprodukte anboten.
Frage 2b:
Welches Hauptsortiment hatten diese Wiesn-Beschickenden jeweils und welche Bio-Produkte boten sie an?
Antwort:
Siehe Tab 1. Die Hauptsortimente pro Bewerber wurden im Rahmen der Bewertung erfasst. Einzelne Bio-Produkte werden statistisch nicht erfasst und können rückwirkend nicht mehr festgestellt werden, da keine Bewerbungsunterlagen aus den Jahren 2018 und 2019 mehr vorliegen.
Frage 3:
Wie hoch ist jeweils der Anteil an Bio-Produkten (Siegel „Bio-Bayern“ und Bio aus der Region) sowie an Produkten mit Siegel „Geprüfte Qualität – Bayern“ bei den gastronomischen Beschickenden der Wiesn – gemessen am Warenwert in Prozent vom Gesamtangebot des jeweiligen Beschickers?
Antwort:
Hierzu liegen keine Angaben vor.
Frage 4:
Sind alle Beschickenden mit Bio-Sortiment bio-zertifiziert? Falls nein, welche Ausnahmen gibt es und warum? Wie wird die Kontrolle der Einhaltung der Bewertungskriterien – auch für das bayerische Biosiegel und das Siegel „Geprüfte Qualität – Bayern“ – gewährleistet.
Antwort:
Beschicker müssen selbst zertifiziert sein, wenn sie nicht abgepackte, fertige Bio-Produkte anbieten. Die Einhaltung der Regeln werden durch die Zertifizierungsstellen überwacht.
Am 1.4.2003 hat die Bundesregierung mit dem Ökolandbaugesetz Sanktionen und Bußgeldregelungen nach deutschem Recht für Verstöße gegen die EG-VO 2092/91 (Ökolandbaugesetz) festgelegt. Damit soll ein Missbrauch der geschützten Begriffe „Bio“ oder „Öko“ verhindert werden. Jeder Betrieb, der Bio-Produkte herstellt und damit werben will, muss sichvon einer Kontrollstelle registrieren und seinen Wareneingang sowie die Verarbeitung und den Verkauf überprüfen lassen.
Von den Kontrollstellen wurden keine Beanstandungen gemeldet. “
Frage 5:
Wie hoch war der Bio-Anteil in Prozent des Umsatzes aller verkauften Speisen im Jahr vor dem Stadtratsbeschluss vom 19.9.2017, und wie hat er sich in den Jahren danach entwickelt? Wir bitten um eine Darstellung der Entwicklung nach Zeltgröße (kleine, mittlere, große Zelte).
Antwort:
Der Anteil von einzelnen Produkten am Gesamtumsatz eines Beschickers ist nicht bekannt.
Im Stadtratsbeschluss vom 19.9.2017 wird erläutert, dass bei der Bewertung der Vollständigkeit berücksichtigt wird, inwieweit die Waren des Hauptsortiments am Markt in der entsprechenden Qualität verfügbar sind. Gleichzeitig wurde eine klare Signalwirkung sowohl für die landwirtschaftlichen als auch für die verarbeitenden Betriebe vorhergesagt und Bezug genommen auf mehrere konkrete Anfragen von Lieferanten und Verarbeitern, die ihre Geschäftspolitik entsprechend ändern wollten.
Frage 6:
Inwiefern hat sich das – wie im Stadtratsbeschluss vom 19.9.2017 erwähnte – Angebot von Seiten der Lieferanten und Verarbeiter seither angepasst und wie hat sich dadurch das Angebot im Rahmen der einzelnen Bewertungskriterien 100% Siegel „Bio-Bayern“, 100% zertifizierte Bio-Produkte und kurze Transportwege oder 100% Siegel „Geprüfte Qualität – Bayern“ verändert und entwickelt?
Antwort:
Im Stadtratsbeschluss ist nachrichtlich die Rede davon, dass dem Bayerischen Ministerium für Landwirtschaft und Staatsforsten solche Anfragen vorliegen. Das RAW stellt im Text nicht dar, es lägen ihm selbst solche Anfragen vor. Zu den einzelnen Bewertungskriterien siehe die Ausführungen in der Vorbemerkung.
Für die Gewinnung von Nutzern des Bayerischen Bio-Siegels ist die Landesvereinigung für den ökologischen Landbau in Bayern e.V. (LVÖ) zuständig.
Von dort wurde folgende Stellungnahme abgegeben:„Das Bayerische Bio-Siegel entwickelt sich, auch im Bereich AHV positiv, auch wenn das vergangene Jahr für Anbieter, die normalerweise auf Großveranstaltungen verkaufen natürlich ein sehr schwieriges war. Die positive Berücksichtigung des Bayerischen Bio-Siegels im Bewerbungsprozess bei Veranstaltungen der Landeshauptstadt München setzt hier ein wichtiges Signal.
Seit 2018 haben sich folgende Änderungen im Tätigkeitsbereich der LVÖ ergeben:
- es konnten 6 Bayerische Bio-Siegel Zeichennutzer gewonnen werden, die Bayerische Bio-Siegel Produkte auf Veranstaltungen anbieten
- um die geplanten Produkte auch anbieten zu können, sind auch neue Zeichennutzer gewonnen worden
- und bestehende sind vermittelt worden. Die zum Teil dadurch ihr Produktsortiment erweitert haben
- dieses Jahr gab es 3 weitere Anfragen von Interessenten
- einen Überblick über den aktuellen Stand soll folgende Tabelle geben, diese bezieht sich ausschließlich auf Ihre Anfrage bezüglich Standbetreiber bzw. Anbieter auf Veranstaltungen der Stadt München.
Darüber hinaus gibt es weitere Zeichennutzer bei der LQB Bayern, die ebenfalls Lizenznehmer des Bayerischen Bio-Siegels sind.
Grundsätzlich können wir beim Bayerischen Bio-Siegel positive Entwicklungen verzeichnen: aktuell haben wir 176 Zeichennutzer mit ca. 1.300 Produkten bei der LVÖ Bayern registriert. Durch die vermehrte Nachfrage lassen sich mehr Zeichennutzer und Produkte gewinnen, was wiederum den Aufbau von weiteren Wertschöpfungsketten in Bayern unterstützt. Die Nachfrage der Abnehmerseite spielt dabei eine große Rolle. Die vermehrten Anfragen aus dem Außer-Haus-Bereich fördern auch das Angebot von Bayerischen Bio-Siegel Großgebinden.“
Laut Stadtratsbeschluss vom 19.9.2017 soll der Verwaltung aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung ein hoher Ermessensspielraum bei der Bewertungdes Sortiments des Beschickers daraufhin gewährt werden, welche Warengruppe als Hauptsortiment überwiegt.
Frage 7:
Nach welchem Schema legt die Verwaltung das Hauptsortiment fest? Wie wird sichergestellt, dass die Einordnung in das abgestufte Bewertungssystem korrekt erfolgte?
Antwort:
Siehe auch Antwort zu Frage 1b. Die Festlegung erfolgt im Bewertungsteam. Eine Kontrolle erfolgt im Rahmen des Bewertungsverfahrens durch eine interne Prüfroutine, wie bei allen vorgenommenen Bewertungen. Zusätzlich prüft die eingesetzte Innenrevision Stichproben nach.
Frage 8:
Wir bitten die Fragen 1-8 auch für die großen Wiesn-Zelte zu beantworten.
Antwort:
Die Antworten gelten für alle Betriebe und Betriebsgrößen, soweit deren Bewerbung bewertet wird.
Im Stadtratsbeschluss „Klimaneutrales München bis 2035 – Maßnahme 8: Klima- und Artenschutz durch Förderung der ökologischen Landwirtschaft vom 22.7.2020“ führt das RAW aus, dass es aktiv bei den für das Oktoberfest zugelassenen Lebensmittelbetrieben für Aufnahme ökologischer, regionale und Fair-Trade-Produkte in ihr Angebot geworben und Informationen über Bezugsquellen weiter gegeben und die Unternehmen beraten hat.
Frage 9:
Wie sah diese Informations- und Beratungsarbeit konkret aus und in welchem Umfang wurde diese durchgeführt?
Antwort:
Bewerber werden in Gesprächen auf die positive Bewertung und den Willen der Stadt, den Anteil an Bio-Produkten zu erhöhen, hingewiesen. Des Weiteren erfolgt die Veröffentlichung in den Ausschreibungskriterien und in den Leitfäden für die Bewerbung zu den jeweiligen Veranstaltungen. Im Rahmen des Moduls für Volksfestbetriebe bei ÖKOPROFIT werden die teilnehmenden Betriebe zum Themenkomplex Bio-Zertifizierung von Lebensmitteln informiert.