Im Bildungsausschuss des Stadtrats ist gestern der „Münchner Bildungsbericht Berufliche Bildung 2020“ vorgestellt worden, nach den Jahren 2014 und 2017 nun bereits die 3. Auflage dieses Berichts. Der Bericht liefert einen detaillierten Überblick über die Aus- und Weiterbildungsangebote in München und geht auf erste Erkenntnisse zu den Folgen der Corona-Pandemie für die berufliche Bildung ein. Der „Münchner Bildungsbericht Berufliche Bildung“ liefert wichtige Datengrundlagen für die weitere Entwicklung des beruflichen Bildungsangebots in der Stadt. Der gesamte Bericht steht unter www.muenchen.de/bildungsbericht online zur Verfügung.
Stadtschulrat Florian Kraus betont, wie wichtig es nach wie vor ist, Bildungsungleichheit entgegenzuwirken: „Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit sind die Leitziele aller städtischen Aktivitäten im Bildungsbereich. Der vorliegende Bildungsbericht zeigt zum Beispiel auf, dass wir bei der Unterstützung von Jugendlichen in der Phase der Berufsorientierung nicht nachlassen dürfen. Besonders wichtig ist mir, die Digitalisierung im Bildungsbereich weiter voranzubringen und dabei gleiche Chancen für alle Schüler*innen sicherzustellen. Wir wollen alle integrieren und zu einem erfolgreichen Bildungsabschluss führen – kein junger Mensch soll in Schule oder Ausbildung abgehängt werden.“
Wesentliche Erkenntnisse des aktuellen Berichts sind:
Höhere Jugendarbeitslosigkeit durch Corona
Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie führten zu einem Anstieg der (Jugend-)Arbeitslosigkeit, so dass im Dezember 2020 gut 1.000 Jugendliche mehr arbeitslos gemeldet waren als im Jahr zuvor. Die Jugendarbeitslosenquote stieg auf 3,0 Prozent (Vorjahr: 1,9 Prozent). Zudem wurden deutlich weniger Ausbildungsverträge abgeschlossen. Hier ist klar zu differenzieren: Während manche Branchen nur geringe Rückgänge oder gar Zuwächse zu verzeichnen hatten, gab es in einigen Ausbildungsberufen massive Einbrüche der Ausbildungszahlen (Tourismuskauffrau -65 Prozent, Hotelkauffrau -52 Prozent, Hotelfachmann -73 Prozent, Fachkraft für Veranstaltungstechnik -41 Prozent).
Nach wie vor gibt es Berufe, in denen die Auszubildenden fast ausschließlich weiblich oder männlich sind (zum Beispiel 99,1 Prozent Männeranteil bei den Elektroniker*innen / 95,0 Prozent Frauenanteil bei den Zahnmedizinischen Fachangestellten). Dies verstärkt sich bei ausländischen Ausbildungsanfänger*innen nochmals. Hier gilt es, in den allgemeinbildenden Schulen in der Berufsfindungsphase das unvoreingenommene und umfangreiche Kennenlernen verschiedenster Berufe zu verstärken.
Neu Zugewanderte decken Ausbildungsbedarf in vielen Berufen
Unabhängig von der Corona-Pandemie wird durch die Zahlen des Berichts deutlich, dass der Bedarf an Pflege- und anderen Fachkräften in München ohne Zuwanderung aus dem Ausland nicht zu decken wäre: 3.681 duale Auszubildende sind erst innerhalb der letzten sechs Jahre nach Deutschland neu zugewandert. Der Anteil der neu Zugewanderten an allen Auszubildenden im dualen System ist bis zum Schuljahr 2018/19 auf 10,0 Prozent gestiegen (Schuljahr 2013/14: 2,7 Prozent). In einigen Berufen ist ihr Anteil besonders hoch, wie bei den Fachkräften im Gastgewerbe (61,1 Prozent), den Fachkräften für Systemgastronomie (54,6 Prozent), den Fachverkäu- fer*innen im Lebensmittelhandwerk (Fleischerei) (52,9 Prozent) sowie den Bäcker*innen (43,1 Prozent). An den Berufsfachschulen des Gesundheitswesens ist der Anteil an Neuzugewanderten noch höher (2018/19: 23,4 Prozent). Besonders hoch liegt hier der Anteil in der Altenpflege (57 Prozent), der Krankenpflegehilfe (50 Prozent) und der Altenpflegehilfe (47 Prozent).
Veränderte Angebote zur Berufsorientierung und Berufswahl
Vor Corona wurden Jugendliche bei der Berufswahl in ihren Schulen und in persönlichen Gesprächen bei der Berufs- und Bildungsberatung unterstützt. Durch die Kontaktreduzierungen während der Pandemie stellten die Beratungsstellen auf telefonische oder digitale Angebote um, der Unterricht an den Schulen wechselte in den Distanzmodus. Diese Veränderungen führten dazu, dass junge Menschen nicht mehr in den Genuss einer optimalen Unterstützung bei der Berufswahl kamen. Nicht alle Jugendlichen verfügen über die technische Ausstattung, um an den neuen Angeboten im vollen Umfang teilhaben zu können. Zudem fehlt es teils an der notwendigen Medienkompetenz. Eine besondere Problemstellung ist die Erreichbarkeit benachteiligter und abgehängter Jugendlicher. Diese Zielgruppe braucht eine direkte Ansprache, ihr Vertrauen muss durch Beziehungsarbeit gewonnen und ihr Weg beim Übergang oft begleitet werden. Alternativ zu berufsorientierenden Präsenzveranstaltungen, die aufgrund der Infektionsschutzmaßnahmen nicht mehr möglich waren, haben die Wirtschaftskammern verschiedene Maßnahmen etabliert. Zum einen wurden die telefonische Beratung beziehungsweise Chat-Sprechstunden stärker genutzt. Zum anderen wurde den Schüler*innen in Kooperation zwischen Landeshauptstadt München und Agentur für Arbeit München ein virtuelles Berufsorientierungs- und Ausbildungsstellenvermittlungsangebot unterbreitet. Den virtuellen Ausbildungsmessen kommt aus Sicht der Unternehmen während der Pandemie eine besondere Bedeutung zu, da aufgrund der Kontaktbeschränkungen auch die Möglichkeiten von Betriebspraktika deutlich eingeschränkt sind.
Digitalisierungsschub in der beruflichen Bildung
Allgemein gewinnen digitale Formate bei der Wissensvermittlung zunehmend an Bedeutung. Auch in der Berufswelt hat die Digitalisierung zu einem tiefgreifenden Wandel geführt, darauf muss die Berufsausbildung reagieren. Die veränderten Gegebenheiten und Erfordernisse, die aufgrund der Corona-Pandemie entstanden sind, haben zu einem großen Sprung bei den angebotenen digitalen sowie hybriden Bildungsangeboten geführt. Die Digitalisierung hat mit der Corona-Pandemie einen Schub in allen Bildungseinrichtungen erfahren. Diesen zu verstetigen und auf sich wandelnde Berufsprofile und Qualifikationsbedarfe mit passenden Bildungsangeboten zu reagieren, wird eine dauerhafte Aufgabe für alle Bereiche der beruflichen Bildung sein. Für die beruflichen Schulen hat der Stadtrat in den letzten Jahren mit mehreren Beschlüssen den Grundstein für die Ausstattung der Schulen, die Entwicklung und Implementierung von Medienkonzepten sowie die Qualifizierung der städtischen Mitarbeiter*innen gelegt. Es bleibt eine dauernde Herausforderung, dafür zu sorgen, dass benachteiligte Jugendliche und junge Erwachsene auch unter schwierigeren Rahmenbedingungen nicht abgehängt werden. Für Jugendliche, die während der Corona-Pandemie den Anschluss verloren haben, gilt es, diese durch geeignete Unterstützungsmaßnahmen (wieder) in berufliche Bildungsangebote zu integrieren und langfristig ihre Bildungsteilhabe zu gewährleisten.