Smart Mobility – Güterlogistik digital optimieren
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Rathaus Umschau 131 / 2021, veröffentlicht am 13.07.2021
Smart Mobility – Güterlogistik digital optimieren
Antrag Stadtrats-Mitglieder Sabine Bär, Manuel Pretzl und Dorothea Wiepcke (CSU-Fraktion) vom 6.3.2020
Antwort Mobilitätsreferent Georg Dunkel:
In Ihrem Antrag wird die Verwaltung gebeten, dem Stadtrat darzustellen, „wie die Zulaufsteuerung zu urbanen Logistikzentren (z.B. Markthallen München) mittels digitaler Unterstützung optimiert werden kann. Dabei sollen Erfahrungen aus anderen Großstädten, wie z.B. Duisburg und Hamburg, einfließen.“
Sie begründen dies folgendermaßen:
„Eine optimierte Verkehrssteuerung zu den urbanen Logistikzentren hat sowohl ökonomische als auch ökologische Vorteile. Logistikunternehmen steuern Ihre Fahrzeugflotte in der Regel mittels GPS und Geofencing. Dies ermöglicht ein genaue zeitliche Steuerung der Fahrtrouten. Durch eine digitale Steuerung des Zulaufes durch die urbanen Logistikzentren, können die verschiedenen Fahrzeuge entsprechend der zur Verfügung stehenden Be- und Entladekapazitäten mittels sogenannter Time-Slots gesteuert werden. Auch bei verkehrsbedingten Verzögerungen (z.B. Stau) können die Fahrzeuge frühzeitig umgeleitet, entschleunigt oder bis zum erneuten Abruf auf einen Parkplatz außerhalb der Stadt ‚zwischengeparkt‘ werden. Dies verringert die Verkehrsbelastung im städtischen Straßenraum, schont Ressourcen und senkt den Schadstoffausstoß.“
Ihr Einverständnis vorausgesetzt, erlauben wir uns, Ihren Antrag als Brief zu beantworten.
Wir bedanken uns für die gewährte Fristverlängerung bis zum 31.3.2021. Leider konnte auch diese Frist aufgrund der Neugründung des Mobilitätsreferates und der damit einhergehenden Übertragung Ihres Antrags nicht eingehalten werden. Wir bitten dies zu entschuldigen.
Zu Ihrem Antrag vom 6.3.2020 teilen wir Ihnen Folgendes mit:
Die Hansestadt Hamburg zählt aufgrund des Hamburger Hafens, welcher einer der größten Umschlaghäfen weltweit ist, zu den bedeutendsten Logistikstandorten in Deutschland. So wurden 2019 alleine im Hamburger Hafen insgesamt 136,6 Mio. t an Gütern umgeschlagen, wovon mehr als 44,1 Mio. t per LKW im Hinterlandverkehr transportiert wurden. Um den Verkehrsfluss zu optimieren, hat der Hamburger Hafen einen Prozess zur Steuerung von LKW-Verkehren eingeführt. Mithilfe eines Slotbuchungsverfahrens (SBV) für LKW-Fahrer*innen sollen Engpässe im Hamburger Ha-fen und an Kontrollinstanzen vermieden, das Verkehrsaufkommen besser planbar und das Verkehrssystem entlastet werden. Grundlage für das SBV ist eine Transportvoranmeldung bei der Hamburger Hafen und Logistik AG, einem Tochterunternehmen der Freien und Hansestadt Hamburg. Dies bedeutet, dass ein Logistikdienstleister die gewünschten Abhol- bzw. Anlieferzeiten buchen muss. Kommt ein*e Fahrer*in außerhalb des gebuchten Slots, erfolgt die Abfertigung erst, wenn freie Kapazitäten vorhanden sind. Bei größeren Verspätungen müssen neue Slots gebucht werden.
Auch Duisburg zählt mit dem weltweit größten Binnenhafen zu den wichtigsten deutschen Logistikstandorten. Hier wurden 2019 ca. 123,7 Mio. t an Gütern umgeschlagen. Aufgrund der Bedeutung als Logistikknotenpunkt wurde ein LKW-Verkehrsleitsystem eingeführt. Hier können sich LKW-Fahrer*innen über eine Smartphone-App im System anmelden und ihre Position via GPS ermitteln. Fahrer*innen, Logistikdienstleister*innen und Terminalbetreiber*innen können so erkennen, ob geplante Ankunftszeiten eingehalten werden können. Bei Verzögerungen, beispielsweise durch Stau, können Logistikdienstleister*innen und Terminalbetreiber*innen umdisponieren und einen anderen Slot erhalten. Sofern ein neuer Slot nicht sofort zur Verfügung steht, wird der Fahrer bzw. die Fahrerin über vorhandene Parkplätze informiert und er/sie kann die Fahrt zu einem späteren Zeitpunkt fortsetzen.
In einer Studie der Intraplan Consult GmbH im Auftrag der IHK wurde eine Datenbasis zum Lieferverkehr in München erstellt. Laut dieser Studie wurden 2019 insgesamt 43 Mio. t an Gütern mit LKW in, von oder nach München transportiert. Der Binnengüterverkehr umfasst dabei 7,1 Mio. t (17%), der Transport von München 18,56 Mio. t (43%) und der Transport nach München 17,3 Mio. t (40%). Der meiste Güterverkehr (Quelle & Ziel in München) fällt mit 19,2% in die Kategorie „Sonstigen Güter“, welche Containertransporte mit meist unbekanntem Inhalt umfasst, gefolgt von „Erze, Steine u. Erden, Bergbau“ mit 17,2% und „Sonstige Mineralerzeugnisse“ mit 10,6%. Beides sind vorwiegend Baustofftransporte. Auf dem vierten Platz rangiert die Beförderung von Nahrungs- und Genussmitteln mit 10,2%.
Wie aus den oben genannten Zahlen ersichtlich ist, hat das Güterkraftverkehrsaufkommen in München im Vergleich zu den beiden im Antrag genannten Städten daher ein geringeres Volumen. Allein die Menge der vom Hamburger Hafen per LKW im Hinterlandverkehr transportierten Güter ist höher als der gesamte Güterkraftverkehr in München. Zudem ist Quelle/ Ziel der Transporte in München, anders als etwa in Hamburg oder Duis-burg, nicht so eindeutig an einem Ort festgelegt. Eine Buchung von Slots müsste aber ein bestimmtes, fest umrissenes Gebiet vorgeben.
Dies ist nur bei wenigen Orten in München der Fall, wie bspw. bei der Messe München, wo zu den Spitzenzeiten des Auf- und Abbaus der Messen eine hohe Anzahl an LKWs in kurzer Zeit auf dem Messegelände abgefertigt werden müssen. So müssen bei den größten Messen an einem Tag bis zu 1.500 LKW Waren anliefern oder abholen. Um die Belastung des öffentlichen Raums durch wartende LKW zu reduzieren und die Ladehöfe der Messe optimal zu nutzen, wurde ein digitales Slotbuchungssystem namens Fairlog zur Steuerung der Logistikverkehre eingeführt. Hier können in einem zweiphasigen Modell im ersten Schritt die Slots durch Logistikunternehmen bereits mehrere Wochen im Voraus gebucht und in einem zweiten Schritt die Anfahrt der LKWs sowie deren Einfahrt in das Messegelände genau gesteuert werden. Dies bietet für die Messe München einen sehr hohen Mehrwert zur Verwaltung des enormen Spitzenaufkommens von LKW-Verkehren, ist aber auch mit hohen Kosten in der Entwicklung, Implementierung und Anwendung des Systems verbunden.
In Ihrem Antrag werden die Markthallen München als potenzielle Nutzerin eines solchen Systems genannt.
In der Großmarkthalle München, dem einzigen größeren urbanen Logistikknotenpunkt in München, werden jährlich ca. 800.000 bis 850.000 t Waren umgeschlagen, was weniger als 2% des Münchner Güterkraftverkehrs entspricht. Die Anlieferung und Abholung erfolgt dabei zwar nahezu ausschließlich per LKW, diese finden jedoch überwiegend in den Nacht- bzw. frühen Morgenstunden statt. Damit einher gehen zwar zum Teil hohe Lärmemissionen, bedingt durch die Aktivitäten zu Tagesrandzeiten hat dies jedoch nur eine geringe verkehrliche Auswirkung.
Auf Nachfrage teilten die Markthallen München mit Schreiben vom 22.4.2021 Folgendes mit:
„Zu dem Antrag (...) können wir Ihnen als Betreiberin der Markthallen München mitteilen, dass wir als ausschließliche Immobilienplattform für den Obst- und Gemüsehandel keine Fachkenntnisse zum Thema Güterlogistik besitzen und keinen Einfluss auf die Warenlieferungen des Handels haben und uns diesbezüglich jeglicher Einblick fehlt. Wir führen lediglich an unserer Zentraleinfahrt das Gebühreninkasso des Lieferverkehrs durch und stellen unseren Lkw-Platz (Stellplatzanlage) den Markteilnehmern*innen zur Verfügung.Zudem ist zu berücksichtigen, dass der städtische Großmarkt – wie er heute betrieben wird – ein Auslaufmodell darstellt. Der Stadtrat hat entschieden, dass die städtische Einrichtung im Wege der Vergabe eines Erbbaurechtes an einen Investoren privatisiert werden soll; entsprechende Verhandlungen laufen. Eine Umstrukturierung des Geländes ist geplant. Nach heutigem Stand soll der private Neubau im Jahr 2030 in Betrieb gehen. Auf dem heutigen, städtischen Großmarkt werden hingegen nur noch unabdingbare Maßnahmen zum Erhalt des Bestandsbetriebes ergriffen. Insoweit wäre ggf. die Einbindung des zukünftigen Marktbetreibers sinnvoll, sobald dieser rechtsverbindlich feststeht.“
Der Stadtrat hat am 8.4.2020 im Zuge des oben angesprochenen Be-
schlusses zur Neuentwicklung des Großmarktgeländes (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 18054) dafür gestimmt, ein umweltgerechtes und energieeffizientes Mobilitätskonzept für das Gesamtquartier zu entwickeln. Es soll gewährleistet werden, dass das zu erwartende Verkehrsaufkommen verträglich abgewickelt und für ausreichend Lärmschutz gesorgt wird. Eine digitale Unterstützung für die Zulaufsteuerung sollte bei der Erstellung eines Mobilitätskonzeptes vom Erbbaurechtsnehmenden mit betrachtet werden.
Aufgrund der oben beschriebenen Charakteristika des Güterkraftverkehrs in München sowie der Einschätzung durch die Markthallen München wird der Nutzen eines solchen Systems von Seiten des Mobilitätsreferates als gering eingeschätzt. Hohe ökonomische und/oder ökologische Effekte könnten voraussichtlich nicht realisiert werden. Durch die in jedem Fall kostenintensive Einführung eines Systems, wie es im Antrag vorgeschlagen wurde, könnten somit kaum Verbesserungen erzielt werden.
Somit raten wir derzeit von einer weiteren Untersuchung durch das Mobilitätsreferat ab. Es wird jedoch empfohlen, das System einer digitalen Zulaufsteuerung bei der Erstellung des Mobilitätskonzeptes durch den Erbbaurechtsnehmenden im Zuge der Neuentwicklung des Großmarktgeländes einer Kosten-Nutzen-Analyse zu unterziehen.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.