Kinder und Jugendliche, die in Haushalten leben, die arm sind oder von Armut bedroht, sind von der Pandemie besonders betroffen. Auch deshalb steht die zweite Münchner Armutskonferenz am Mittwoch, 21. Juli, unter dem Titel „Junge Menschen stärken – Was brauchen junge Menschen in einer teuren Stadt“.
Bürgermeisterin Verena Dietl: „Armut ist in München ein sehr präsentes Thema bei jungen Menschen. Das zeigen die Rückmeldungen aus der Stadtverwaltung, von den Trägern der freien Wohlfahrt, aber vor allem auch die der jungen Menschen selbst. In der Online-Jugendbefragung haben mehr als 90 Prozent rückgemeldet, dass sie Angst haben, dass ihnen das Leben in München zu teuer ist oder bald zu teuer wird. Da geht es um die hohen Mieten, die Lebenshaltungskosten aber auch Eintrittspreise für Clubs, Konzerte, Kino. Das sind alles Themen, die wir sehr sehr ernst nehmen und weiterhin nehmen müssen. Denn durch die Corona-Pandemie haben sich diese Probleme und Schwierigkeiten weiter verschärft.“
In rund 34 Prozent der SGB II-Haushalte in München leben Kinder. Zu beachten ist hierbei, dass die Familien mit Kindern im Leistungsbezug nur das sogenannte Hellfeld darstellen. Familien, Kinder und junge Menschen die nicht im Leistungsbezug sind, weil sie knapp unter dem Berechtigungssatz liegen oder sich nicht an „das Amt“ wenden möchten, erscheinen in keiner Statistik.
Mangelnde Bildung gilt als einer der gewichtigsten Faktoren, die in Armut führen können. Bildung ist entscheidend für die Selbstverwirklichung, die Selbstentfaltung und die Teilhabe an der Gesellschaft. Nach wie vor hat die soziale Herkunft in Deutschland maßgeblichen Einfluss auf den Bildungsweg. Bürgermeisterin Verena Dietl: „Die Verantwortung für den Schulbildungsbereich liegt ganz klar beim Freistaat. Deshalb ist eine zentrale Forderung der Stadt München, dass der Freistaat insbesondere jetzt, mit dem Blick auf die langfristigen Auswirkungen der Schulschließungen im Zuge der Pandemiebekämpfung ein gezieltes und umfassendes Bildungspaket auflegt. Die bisher bereits ,benachteiligten´ Kinder und Jugendlichen drohen andernfalls komplett abgehängt zu werden.“
Die Stadt München investiert viel, um junge Menschen auf ihrem Bildungs- und Ausbildungsweg zu begleiten. Dazu zählt zum Beispiel JADE, ein Kooperationsprojekt der Landeshauptstadt München, der Agentur für Arbeit, des Jobcenter München und des Staatlichen Schulamtes, das an allen staatlichen Mittelschulen in München durchgeführt wird. In diesem Programm arbeiten die Jugendhilfe, die Schulen und die Berufsberatung der Agentur eng zusammen, um die Schüler*innen bei der berufliche Orientierung, der Berufswahl und dem Übergang von der Mittelschule in die Berufswelt zu unterstützen.
Die Einrichtungen der Berufsbezogenen Jugendhilfe sind eine besondere Form von Jugendsozialarbeit und damit ein eigenständiger Bestandteil der Jugendhilfe. Sie fördern die Entwicklung der jungen Menschen in einer auf die Arbeitswelt bezogenen Praxis. Auch die offene Kinder- und Jugendarbeit, das Jugendkulturwerk, die Ferienangebote und der Jugendschutz bilden einen festen Teil der sozialen Infrastruktur in München. Mit ihren Angeboten können sie gezielt sozialer Chancenungleichheit und dem Entstehen (präventiv) sowie den Auswirkungen (proaktiv) von Armutsrisiken entgegenwirken. Jugendsozialarbeit (zum Beispiel Schulsozialarbeit, berufsbezogene Jugendhilfe, Streetwork) unterstützt die schulische, berufliche und soziale Integration benachteiligter junger Menschen.
Zur Sicherung der materiellen Existenz und sozialen Teilhabe von Kindern und Jugendlichen werden von der Landeshauptstadt München neben den staatlichen Sozialleistungen auch Stiftungsmittel und sogenannte „freiwillige Leistungen” zur Verfügung gestellt. Dazu gehören unter anderem Gebührenermäßigungen mit dem München-Pass, einkommensabhängige Gebühren in Kindertageseinrichtungen bis hin zu vollständiger Gebührenbefreiung und kostenlose Freizeitveranstaltungen (Ferienpass, Familienpass).
Sozialreferentin Dorothee Schiwy: „Die Stadt München hat es immer auch als kommunale Aufgabe gesehen, die Menschen in der Stadt zu unterstützen, die finanziell schlechter gestellt sind. Es kann aber nicht sein, dass Kommunen ständig Defizite bundesgesetzlicher Regelungen ausgleichen müssen. Wir fordern deshalb weiterhin – wie viele unserer Kooperationspartner*innen im sozialen Bereich auch – eine Regionalisierung der Regelsätze und eine Erhöhung des Mindestlohns. Arbeiten muss sich lohnen. Niemand sollte trotz Vollzeitarbeit noch auf soziale Unterstützung angewiesen sein. Außerdem müssen wir im Bereich Bildung und Teilhabe wegkommen von der Notwendigkeit, ständig verschiedene Anträge stellen zu müssen. Stattdessen brauchen wir Bürokratieabbau und eine Förderung direkt an Schulen oder Vereine.“
Das Aufwachsen in Armut kann zu Beeinträchtigungen oder Benachteiligungen sowohl in der materiellen Grundversorgung als auch in der gesundheitlichen, sozialen und kulturellen Lage von Mädchen und Jungen führen.
Jugendamtsleitung Esther Maffei: „Kinder und Jugendliche in Armutslagen müssen auf zahlreiche Aktivitäten verzichten. Besonders im Bereich Freizeitverhalten ist ein deutlicher Effekt zu beobachten: Kinder in Deutschland, deren Alltag von Armut mitgeprägt ist, sind signifikant seltener Mitglied in einem Verein als der Durchschnitt ihrer Altersgenossen. Sie können keine Freundinnen und Freunde zum Essen einladen, mit Freundinnen und Freunden ins Kino gehen und auch nicht mit ihren Familien Urlaub außerhalb der eigenen Wohnung machen. Das Jugendalter ist eine Entwicklungsphase, in der der Übergang zwischen Kindheit und Erwachsenenalter stattfindet. Junge Menschen bauen in dieser Zeit einen eigenen Freundeskreises auf. Ebenso beginnt die Auseinandersetzung mit der Berufsfindung und das Entwickeln von Vorstellungen über Partnerschaft und Familie sowie von eigenen Weltanschauungen und Zukunftsperspektiven. Bei jungen Menschen, die in Armut aufwachsen, sind alle diese Aspekte geprägt durch die Erfahrungen von einem Mangel an fundamentalen Verwirklichungschancen.“
Mit den Armutskonferenzen will die Landeshauptstadt München noch intensiver in die sozialpolitische Diskussion zum sozialen Sicherungssystem, insbesondere zum Thema „Armut“ einsteigen. Sie werden in München alle zwei Jahre stattfinden. Zum Start in diesem Jahr wurden zwei Armutskonferenzen geplant. Die erste Armutskonferenz am 19. Mai hat sich mit dem Schwerpunktthema Regelsatz beschäftigt. Bei der zweiten Armutskonferenz am 21. Juli sollen ganz bewusst die jungen Menschen im Mittelpunkt stehen.