Personal im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD)
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Marie Burneleit, Stefan Jagel, Thomas Lechner und Brigitte Wolf (DIE LINKE. / Die PARTEI Stadtratsfraktion) vom 15.3.2021
Antwort Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek:
Ihrer Anfrage liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
„Das Aufgabenspektrum der Beschäftigten im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) ist vielfältig und anspruchsvoll. Es reicht über den Katas- trophenschutz hinaus und beinhaltet Impfungen und Impfberatung, den schul-, jugend- und zahnärztlichen Dienst, Schwangeren- und Mütterberatung, Umwelt- und Seuchenhygiene, Überwachung von Hygienevorschriften in Arztpraxen und Krankenhäusern, Gutachten etc.. Trotz der tatkräftigen Unterstützung durch andere städtische Referate, Freistaatspersonal, etc. von ca. 393 VZÄ, sind im Referat (vormals Gesundheit und Umwelt) bis zum September 2020 40.371,33 Überstunden/Mehrarbeit angefallen. Der ÖGD muss deshalb aus unserer Sicht langfristig, auch nach der Bewältigung der Corona-Pandemie, gestärkt werden.“
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage zur Beantwortung zugeleitet. Zunächst darf ich mich für die geforderte Terminverlängerung bedanken.
Die einzelnen Punkte Ihrer Anfrage kann ich Ihnen wie folgt beantworten:
Frage 1:
Wie haben sich die Stellen im ÖGD in den letzten Jahren entwickelt (bitte den Zeitraum von 2011 bis 2021 einzeln nach Jahren und die Zahl der Ärzt*innen bzw. von weiterem Gesundheits- und Verwaltungspersonal jeweils getrennt aufführen)?
Antwort:
Gegenüber den Jahren 2011 und 2021 haben sich die Stellen im ÖGD dahingehend entwickelt, dass ein Wachstum zu verzeichnen ist. Die Entwicklung stellt sich von 2011 bis 2021 wie folgt dar:
31.12.2011:
- 57 Ärzt*innen (67,41 Stellen-VZÄ)
- 347 Personen Gesundheits- und Verwaltungspersonal (350,9 Stellen-VZÄ)31.12.2012:
- 66 Ärzt*innen (65,5 Stellen-VZÄ)
- 337 Personen Gesundheits- und Verwaltungspersonal (347,62 Stellen-VZÄ)
31.12.2013:
- 66 Ärzt*innen (69 Stellen-VZÄ)
- 356 Personen Gesundheits- und Verwaltungspersonal (381,87 Stellen-VZÄ)
31.12.2014:
- 72 Ärzt*innen (78,64 Stellen-VZÄ)
- 388 Personen Gesundheits- und Verwaltungspersonal (397,32 Stellen-VZÄ)
31.12.2015:
- 85 Ärzt*innen (87,02 Stellen-VZÄ)
- 409 Personen Gesundheits- und Verwaltungspersonal (405,96 Stellen-VZÄ)
31.12.2016:
- 96 Ärzt*innen (89,29 Stellen-VZÄ)
- 427 Personen Gesundheits- und Verwaltungspersonal (420,52 Stellen-VZÄ)
31.12.2017:
- 99 Ärzt*innen (94,73 Stellen-VZÄ)
- 433 Personen Gesundheits- und Verwaltungspersonal (444,45 Stellen-VZÄ)
31.12.2018:
- 99 Ärzt*innen (88,73 Stellen-VZÄ)
- 463 Personen Gesundheits- und Verwaltungspersonal (450,60 Stellen-VZÄ)
31.12.2019:
- 109 Ärzt*innen (89,41 Stellen-VZÄ)
- 488 Personen Gesundheits- und Verwaltungspersonal (474,67 Stellen-VZÄ)
31.12.2020:
- 102 Ärzt*innen (92,18 Stellen-VZÄ)
- 502 Personen Gesundheits- und Verwaltungspersonal (486,18 Stellen-VZÄ)
31.03.2021:
- 101 Ärzt*innen (90,18 Stellen-VZÄ)
- 485 Personen Gesundheits- und Verwaltungspersonal (479,74 Stellen-VZÄ )
Frage 2:
Wie viele Stellen im ÖGD sind derzeit nicht besetzt (bitte nach Berufsgruppen getrennt aufschlüsseln)?
Antwort:
Im GSR sind neben freien Stundenresten durch Teilzeit folgende Stellen der jeweiligen Fachrichtung unbesetzt (Stichtag 1.6.2021):
- Gesundheitsdienst: 30 Stellen
- Sozialdienst: 3 Stellen
- sonstiger Dienst: 7 Stellen
- Verwaltungsdienst: 25 Stellen
- Betriebs- und Innendienst: 1 Stelle
- Informationstechnologie: 1 Stelle
Frage 3:
Wie viele Überstunden Mehrarbeit wurden im Bereich des ÖGD im Jahr 2020 oder im Januar 2021 ausbezahlt?
Antwort:
Zur Bewältigung der Corona-Pandemie sind im Januar 2021 im Bereich des ÖGD (ohne PEIMAN-Kräfte) 5.387 Überstunden bzw. Mehrarbeit ausbezahlt worden.
Frage 4:
Wie viele Mitarbeiter*innen haben während der Corona-Pandemie seit dem 1.3.2020 gekündigt bzw. sind in die Rente gegangen und wie viele wurden im selben Zeitraum neu eingestellt?
Antwort:
Im Zeitraum 1.3.2020 bis 1.6.2021 sind aufgrund von Kündigung bzw. Rente 52 Mitarbeiter*innen des Stammpersonals des GSR sowie 48 Mitarbeiter*innen, die im Rahmen der Corona-Pandemie befristet eingestellt wurden, ausgeschieden. Im selbigen Zeitraum wurden 33 Mitarbeiter*in-nen im GSR und zusätzlich 84 zeitlich befristete Mitarbeiter*innen zur Unterstützung der Contact Tracing Teams eingestellt.
Frage 5:
Welche Aufgaben/Tätigkeiten sind auf Grund der Corona-Pandemie beim ÖGD nachrangig bearbeitet worden bzw. konnten nicht bearbeitet werden?
Antwort:
Ein Großteil des Personals der Hauptabteilung Gesundheitsschutz sowie Teile des Bereichs Gesundheitsvorsorge sind noch der Sonderorganisation Corona zugewiesen. Die Vollzugsaufgaben sind noch reduziert und können nicht im gewohnten Umfang bearbeitet werden.
Unter anderem wurden die Aufgaben der Abteilung „Gesundheitsförderung von Anfang an“ in reduziertem Umfang aufrecht erhalten. Es wurden keine Gruppenangebote, Veranstaltungen oder Sprechstunden mit mehreren Personen auf Grund der Coronapandemie angeboten. Dringenden Anfragen in Bezug auf Kinderschutz wurde immer nachgegangen. Einige Aufgaben und Angebote der Abteilung „Gesundheitsvorsorge für Kinder und Jugendliche“ konnten noch gar nicht oder nur in quantitativ und qualitativ stark reduzierter Form wiederaufgenommen werden (Stand Juni 2021). Es handelt sich dabei vor allem um die besonders niederschwelligen Angebote vor Ort, wie die Kariesprävention durch Motivation und Instruktion und zahngesundheitliche Untersuchungen in Kindertageseinrichtungen und Schulen sowie schulgesundheitliche Sprechstunden und Untersuchungen vor Ort in Schulen (Konzept „Ärztin an der Schule“ für Mittelschulen). Andere Aufgaben fordern die Personalkapazitäten mehr als vor der Pandemie durch verstärkte Inanspruchnahme oder Komplexität der Fälle. Dabei handelt es sich besonders um (psychosoziale) Folgen der Pandemie bei Kindern und Jugendlichen. Die Gesundheitsuntersuchung zur Einschulung wurde als gesetzliche Aufgabe ab Sommer 2020 schrittweise wieder aufgenommen.
Die Abteilung „Angebote für sucht- und seelisch erkrankte Menschen“ ist weiterhin stark eingeschränkt. Die Infektionsschutzmaßnahmenverordnung und die Dienstanweisung der LHM erschweren die Beratung und Unterstützung im Sozialpsychiatrischen Dienst und der Suchtberatung erheblich. Es kann aktuell nur auf dringendes Tagesgeschäft reagiert werden. Bei der Abteilung „Kommunale Gesundheitsplanung und -koordinierung“ wurde die Gesundheitsberatungsstelle im Hasenbergl geschlossen, ein niederschwelliges gesundheitliches Angebot, das sich vor allem an Familien richtet. Programme und Maßnahmen zur Gesundheitsförderung in Stadtbezirken wurden ausgesetzt, dies betrifft vor allem Maßnahmen imBereich Bewegung, Ernährung, Präventionsangebote zur psychischen Gesundheit (Moosach, Hasenbergl, Neuperlach und Riem). Es konnten nur vereinzelt online-Angebote gemacht werden. Der Start der vier Schwerpunktprogramme in den Stadtbezirken ist verschoben. Die Fachstelle „Gesund im Alter“ konnte nicht besetzt werden; der Auftrag an das zuständige Sachgebiet, sich insbesondere um die Gesundheit dieser Zielgruppe zu kümmern, konnte nicht ausgeführt werden. Die Fachstelle „Migration und Gesundheit“ kam praktisch vollständig zum Erliegen. Daher konnten z.B. keine Konzepte zur Flüchtlingsgesundheit in Pandemiezeiten entwickelt werden oder auf deren aktuellen Bedarf reagiert werden. Da die Netzwerkarbeit nicht mehr stattfand, konnten z.B. Bedarfe zur Gesundheit von Flüchtlingen nicht mehr an die zuständige Stelle in der Regierung von Oberbayern weitergegeben werden, bzw. mit dieser beraten werden. Vom Stadtrat bewilligte Maßnahmen im Bereich Frauengesundheit und Gendermedizin gehen nur sehr verzögert in die Umsetzung z.B Prävention von FGM oder Genderaspekte in der der Notfallmedizin sowie verzögerte Planung der Gyn. Sprechstunde für mobilitätseingeschränkte Frauen und Mädchen.
Bei der Hauptabteilung Gesundheitsschutz ist die Beratungsstelle für sexuell übertragbare Erkrankungen derzeit nur eingeschränkt an zwei halben Tagen/Woche (ein halber Beratungstag und ein halber Tag zur Befundmitteilung) geöffnet und die Beratungsstelle gem. § 10 Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) ist derzeit in eingeschränkter Form (3 halbe Tage/Woche) geöffnet, ab 1.7.2021 vier halbe Tage. Die sexualpädagogische Projektarbeit, z.B. für Jugendliche mit Migrationshintergrund, wird voraussichtlich im September wieder aufgenommen, die Projekte werden derzeit vorbereitet.
Belehrungen nach § 43 IfSG (gewerbsmäßiger Umgang mit Lebensmitteln) werden seit März 2021 online angeboten; voraussichtlich im Juli sollen in eingeschränktem Umfang auch wieder Präsenz-Belehrungen aufgenommen werden.
Amtsärztliche Gutachten wurden bis Jahresanfang nur in einem sehr begrenztem Umfang und in Ausnahmefällen erstellt, seither wurden die Kontingente schrittweise wieder aufgebaut.
Routinemäßige infektions- und umwelthygienische Überprüfungen werden nicht durchgeführt, ebenfalls keine routinemäßigen Überwachungen des Betäubungsmittelverkehrs.
Untersuchungen nach § 62 Asyl-Gesetz werden ebenfalls derzeit nicht durchgeführt und werden derzeit von der Regierung von Oberbayern übernommen, hier ist eine Wiederaufnahme im Spätsommer geplant. Untersuchungen nach § 36 IfSG (Lungentuberkulose vor Aufnahme in einer Ge-meinschaftsunterbringung) werden nur eingeschränkt durchgeführt, auch hier ist eine Erhöhung der Kontingente im Sommer geplant.
Frage 6:
Wie viele Personalstellen sind derzeit im ÖGD ausgeschrieben?
Antwort:
Derzeit (Stichtag 1.6.2021) ist keine Bestandsstelle im Gesundheitsreferat ausgeschrieben. Für die zur Pandemiebekämpfung eingerichteten befristeten „Corona-Stellen“ ist eine Dauerausschreibung veröffentlicht worden.
Frage 7:
Mit welchen Maßnahmen versucht die Stadtverwaltung die offenen Stellen zeitnah zu besetzen?
Antwort:
Bei den Bestandsstellen hat sich durch den Pakt für den öffentlichen Gesundheitsdienst eine neue Lage ergeben. Nach Lesart der Verwaltungsvereinbarung, die derzeit mit dem Freistaat über den Pakt öGD getroffen wird, muss sich der Personalstand bis zum 31.12.21 um 25 VZÄ erhöhen, Stichtag der Bemessung ist dabei der 31.1.2020. Es werden, sowohl bei der Ausgangsbetrachtung als auch bei der Umsetzung nur die unbefristeten und besetzten Stellen betrachtet. Nach Rücksprache mit der Stadtkämmerei und dem zuständigen Personal- und Organisationsreferat wird, um an den Fördermitteln zu partizipieren, der Personalstand (VZÄ) des GSR (ohne Bestattung und Friedhöfe) mit Stand 1.2.20 eingefroren, erhöht um die 25 VZÄ aus dem Pakt öGD. Diese neugeschaffenen Stellen werden in 2021 aus vorliegenden Initiativ-Bewerbungen und im Rahmen von Stellenausschreibungen besetzt werden. Ob Akquisemaßnahmen nötig sind und wie diese aussehen können, wird derzeit gemeinsam mit dem POR ermittelt. Die im GSR gesondert und befristet eingerichteten Corona-Stellen sind nicht betroffen und werden weiterhin ausgeschrieben und besetzt.
Frage 8:
Wie viel Personal im ÖGD geht bis 2030 in Rente/Pension (bitte jährlich nach dem jeweiligen Jahr des Renten- oder Pensionseintritts und getrennt nach Berufsgruppen aufführen)?
Antwort:
Folgende Anzahl an Mitarbeiter*innen im GSR treten bis 2030 in den Ruhestand ein:
(VD = Verwaltungsdienst, GD = Gesundheitsdienst, TD = Technischer Dienst, SO = Sonstiger Dienst, SZ = Sozialdienst, BE = Betriebs- und Innendienst, IT = Informationstechnologie, WB = Wahlbeamte, HT = Handwerkliche Tätigkeiten)
Frage 9:
Welche Schritte hat die Landeshauptstadt München in den letzten fünf Jahren unternommen, um den Öffentlichen Gesundheitsdienst zu stärken? Welche Schritte zur Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes plant die Verwaltung bis 2026?
Antwort:
In den letzten Jahren wurden einige Beschlüsse mit wichtigen Gesundheitsthemen im Rahmen des Eckdatenbeschlusses in den Stadtrat eingebracht um den öffentlichen Gesundheitsdienst zu stärken. Die vielfältigen Betätigungsfelder spiegeln sich in den Beschlussvorlagen wider (z.B. Einführung der reformierten Schuleingangsuntersuchung für alle Kinder, Umsetzung des Masernschutzgesetzes). Zusätzlich konnte der ÖGD durch unterschiedliche Projekte in der Hauptabteilung Gesundheitsvorsorge mittels Drittmittelförderung gestärkt werden (z.B. Frühe Hilfen für die Hebammenförderung, München – Gesund vor Ort, SPDI – Sozialpsychiatrischer Dienst zur Versorgung Psychisch Kranker und Behinderter). Diese Maßnahmen hatten z.T. die unter Frage 1 dargestellten Personalzuwächse zur Folge.Um den Öffentlichen Gesundheitsdienst auch für die weiteren Herausforderungen und Aufgaben zu stärken, vereinbarten Bund und Länder einen „Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst“. Bis Ende 2026 stellt der Bund zur Umsetzung des Paktes Mittel in Höhe von 4 Milliarden Euro zur Verfügung.