Ausbau und Sicherung der beruflichen Gleichstellungsprojekte für Frauen* zur langfristigen Bewältigung der ökonomischen Krisenfolgen der Pandemie
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Marie Burneleit, Stefan Jagel, Thomas Lechner und Brigitte Wolf (DIE LINKE. / Die PARTEI Stadtratsfraktion) vom 21.5.2021
Antwort Clemens Baumgärtner, Referent für Arbeit und Wirtschaft:
In Ihrer Anfrage vom 21.5.2021 führten Sie als Begründung aus: „Arbeitsstellen- und Minijobverlust, Kurzarbeit, Homeschooling und andere Care-Arbeiten sind Belastungen, die seit Beginn der Pandemie in Deutschland 2020 verschärft Frauen* treffen. Von den schwierigen Themen des ‚beruflichen Wiedereinstiegs nach der Elternzeit‘ sind Frauen* deutlich häufiger betroffen als Männer. Auch hier ist davon auszugehen, dass die ökonomischen Folgen der Pandemie insbesondere die Berufsrückkehr für Frauen* deutlich erschweren. Im Sinne der Gleichstellungspolitik der LH München und mit der Zielsetzung einer sozialen Chancengleichheit für Frauen*, Männer, Diverse und nicht-binäre Personen, sollten demzufolge Arbeitsförderprojekte und berufliche Gleichstellungsprojekte insbesondere für Frauen* ausgebaut, sicher finanziert sowie langfristig angelegt und verstetigt werden.“
Bei den ökonomischen Folgen der Pandemie für die Berufstätigkeit von Frauen* ist für den Arbeitsmarkt München eine differenzierte Betrachtung erforderlich. Im Zeitraum März 2020 bis März 2021 sind mehr Männer arbeitslos geworden als Frauen, der Anstieg der Arbeitslosigkeit bei Männern war um zwei Prozentpunkte höher als bei Frauen (statistisch werden bisher nur Frauen – Männer erfasst). Dies hat Auswirkungen auf den Gender Pay Gap, der sich zunächst verkleinert hat, wie Forschungsergebnisse des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung auf Bundesebene zeigen. Allerdings steigt der Gender Time Gap, da insbesondere Frauen mit Care-Aufgaben ihre durchschnittliche Erwerbsarbeitszeit in höherem Umfang als Männer reduzieren. Auch Frauen, die ihren beruflichen Wiedereinstieg geplant haben, stellten diesen wegen der unsicheren Kinderbetreuung zurück.
Zu den gestellten Fragen kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Frage 1:
Wie viele Projekte innerhalb des Münchner Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogramms (MBQ) zur beruflichen Gleichstellung von Frauen* gibt es aktuell?
Antwort:
Im Jahr 2021 werden durch das Münchner Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogramm (MBQ) 23 Projekte gefördert, die vorrangig als Ziel die berufliche Gleichstellung von Frauen haben. Davon zählen sechs Projekte zu den sog. „Sozialen Betrieben“, 17 Projekte sind Beratungs- und Qualifizierungsprojekte. Die Zielgruppen sind je nach Projekt langzeitarbeitslose Frauen, Alleinerziehende, Frauen mit Migrationshintergrund, Wiedereinsteigerinnen nach einer Familienphase (Pflege/Kindererziehung), Gründerinnen und Frauen in einer Neuorientierungsphase.
Im gesamten MBQ machen die Projekte der beruflichen Gleichstellung rund ein Viertel der knapp 100 geförderten Projekte aus. Auch in den anderen drei Schwerpunkten (Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit, Übergang von Schule und Studium in die Arbeitswelt und Kompetenzentwicklung in Unternehmen) werden Frauen unterstützt. In fast allen geförderten Projekten sind Frauen mit unterschiedlichen Anteilen vertreten. Grundsätzlich stehen die MBQ-Projekte Frauen, Männern, Diversen und nicht-binären Personen offen.
Frage 2:
Wie viele davon sind in der Regelförderung der LH München? Wie viele davon sind von Drittmitteln abhängig? Ist der Fortbestand von Projekten durch ausstehende oder fehlende ESF Bundes- und Bayern-Mittel gefährdet?
Antwort:
Von den o.g. 23 Projekten zur beruflichen Gleichstellung werden 14 Projekte im Rahmen der jährlichen MBQ-Beschlüsse durch den Stadtrat bewilligt.
Zusätzlich kofinanziert das Referat für Arbeit und Wirtschaft über das MBQ neun ESF-Projekte (ESF=Europäischer Sozialfonds) und sichert diese EU-Mittel für München. Dies betrifft die Projekte „guide Beratung und Unterstützung für Existenzgründerinnen“ und „MOVE! Servicestelle München“, die durch den ESF Bayern gefördert werden sowie den Projektverbund „power_m Perspektive Wiedereinstieg“ mit sechs Teilprojekten und „Stark im Beruf – Mütter mit Migrationshintergrund“, die durch ein ESF Bundesprogramm finanziert werden. Damit konnte das RAW EU-Mittel in Höhe von jährlich knapp 1,2 Mio Euro für Projekte der beruflichen Gleichstellung für München gewinnen. Diese Vorhaben werden in der auslaufenden ESF-Förderphase bis zum 31.12.2021 finanziert.Die Zukunft der ESF-Förderung für München und damit dieser Projekte für das Jahr 2022 ist zur Zeit ungewiss. Das operationelle Programm des ESF Bayern wird ab Juli 2021 mit der EU-Kommission abgestimmt. Das RAW rechnet mit einer Antragstellung frühestens zum Herbst/Winter 2021 bzw. im Jahr 2022. Das Bundesprogramm Perspektive Wiedereinstieg endet zum 31.12.2021.
Aufgrund der aktuell schwierigen Haushaltslage und der zu erwartenden Kürzungen des Etats des Münchner Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogramms kann das Referat für Arbeit und Wirtschaft eine evtl. notwendige Kompensation fehlender EU-Projektfördergelder aus kommunalen Mitteln nicht garantieren. Für 2022 ist möglicherweise eine Überbrückungsfinanzierung durch kommunale Mittel erforderlich. Dazu steht das Referat für Arbeit und Wirtschaft im Austausch mit den betroffenen Trägern und plant im Herbst 2021 eine Beschlussvorlage zur Weiterförderung der Projekte im Ausschuss für Arbeit und Wirtschaft vorzulegen.
Frage 3:
Wie hoch ist das Finanzvolumen des Münchner Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogrammes (MBQ) mit dem das Referat für Arbeit und Wirt- schaft innerhalb des Gesamtetats diese Projekte finanziell unterstützt?
Antwort:
Das Finanzvolumen des Münchner Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogrammes für Projekte mit dem vorrangigen Ziel der beruflichen Gleichstellung beträgt im Jahr 2021 5,066 Mio. Euro Damit fließen rund 22% aller MBQ-Mittel in Projekte mit dem Schwerpunkt berufliche Gleichstellung. Wie bei Antwort zu Frage 1 dargelegt, unterstützen auch die anderen MBQ-Projekte Frauen als Teil der Zielgruppen bzw. werden Frauen in Sozialen Betrieben beschäftigt. In einigen Projekten beträgt der Anteil von Frauen mehr als 50% (z.B. in den Projekten ReFIT, Nähwerk, AMIGA, PLATFORM).
Frage 4:
Plant das Referat für Arbeit und Wirtschaft, angepasst an die aktuellen ökonomischen Pandemiefolgen für Frauen* sowie in Vorbereitung auf die digitale Transformation der Arbeitswelt für Frauen*, derzeit einen Ausbau und/oder Ressourcenerweiterung der beruflichen Gleichstellungsprojekte für Frauen*?
Antwort:
Die Vorbereitung auf die digitale Transformation ist – soweit inhaltlich passend – bereits in die geförderten Projekte integriert, z.B. durch den Test und Erwerb von digitalen Kompetenzen in den Projekten „power_m“ und „JobFit“. Das Projekt der ReDI School München („Rekrutieren und Qualifizieren von Flüchtlingen und Migranten mit IT-Potenzialen – ReFIT“) vermittelt in dem Teilprogramm „Digital Women Program“ insbesondere Frauen* mit Flucht- und Migrationshintergrund digitale Kompetenzen und technische Fähigkeiten.
Während der Corona-Pandemie und dem Verbot von Präsenzveranstaltungen haben viele Träger ihre Angebote digitalisiert und um digitale Qualifizierungen erweitert. Diese Angebote sollen beibehalten und dort, wo notwendig, ausgebaut werden. In der Pandemie haben sich auch die bekannten Nachteile von geringfügigen Beschäftigungen besonders stark gezeigt. Minijobber*innen waren am stärksten von Arbeitsplatzverlust betroffenen und hatten keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Da der Frauenanteil bei geringfügiger Beschäftigung höher ist, sind sie hier stärker betroffen. Mehrere MBQ-Projekte unterstützen Frauen* bei der Entwicklung aus dem Minijob in existenzsichernde Beschäftigung (z.B. power_m Perspektive Wiedereinstieg, „Ich will mehr“ bei Frau und Beruf).
Eine Erweiterung der Ressourcen und Projekte ist angesichts der städtischen Haushaltslage schwierig und aktuell nur durch Einsparung bei anderen Angeboten möglich.
Frage 5:
Mit welchen zusätzlichen Maßnahmen innerhalb des Münchner Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogrammes (MBQ) plant das Referat für Arbeit und Wirtschaft kurz-, mittel- und langfristig die Umsetzung zur Erreichung der Zielsetzungen im Themenfeld berufliche Gleichstellung für Frauen* Männer, Diverse und nicht-binäre Personen weiterzuentwickeln?
Antwort:
Die berufliche Gleichstellung ist seit Beginn (1993) einer der vier zentralen Schwerpunkte des Münchner Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogramms (MBQ). Die dafür entwickelten, erfolgreichen Projekte und Angebote gilt es kurzfristig angesichts der Haushaltskonsolidierungen und wegfallender Drittmittel weiter aufrecht zu erhalten. Dazu zählen auch Aktivitäten wie die Durchführung des Girls‘ Day in München und die Verleihung des Münchner Wirtschaftspreis für Frauen LaMonachia, mit denen Berufsbilder vermittelt und Rollenmodelle präsentiert werden. Gerade derPreis „LaMonachia“ steht für eine erfolgreiche Karriere außerhalb stereotypischer Rollenmodelle und trägt dazu bei, dass die Preisträgerinnen der beruflichen Gleichstellung in der Öffentlichkeit ein Gesicht geben.
Mittel- und langfristig bleibt der Abbau von nach wie vor existierenden geschlechtsspezifischen Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt ein Förderschwerpunkt bei Beratungs- und Qualifizierungsprojekten im MBQ. Das RAW sieht dabei auch Handlungsbedarf zur Schließung des Digital Gender Gap und fördert hier bereits gezielt Projekte. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie werden in manchen Tätigkeitsfeldern und Branchen den Strukturwandel am Münchner Arbeitsmarkt beschleunigen. Dazu analysiert das RAW fortlaufend die Entwicklungen am Arbeitsmarkt München und wird bei klar erkennbarem Handlungsbedarf entsprechende Maßnahmen dem Stadtrat vorschlagen.
Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen hiermit zufriedenstellend beantworten konnte.