Kommunaler Schutz vor Katzenjammer
Antrag Stadtrats-Mitglieder Marie Burneleit, Stefan Jagel, Thomas Lechner und Brigitte Wolf (DIE LINKE. / Die PARTEI Stadtratsfraktion) vom 12.4.2021
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Thomas Böhle:
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist.
Sie beantragen Folgendes:
„Die LHS prüft nach § 13 b TierSchG die Regulierung der Katzenpopulation im Stadtgebiet. Hierzu wird die verpflichtenden Sterilisationen, Kastrationen und das Kennzeichnen aller Katzen im Stadtgebiet genutzt, eine sogenannte ‚Katzenschutzverordnung‘, wie sie in anderen Städten (z.B. Paderborn) bereits umgesetzt wird. Zur Erhebung der Münchner Katzenpopulation werden der Münchner Tierschutz e. V. (Tierheime), Tierschutzvereine und Tierärzt*innen angesprochen.“
Das Kreisverwaltungsreferat trifft als Ordnungsbehörde Anordnungen und Maßnahmen nach den Bestimmungen des Tierschutzgesetzes (TierSchG). Der Vollzug des TierSchG ist damit eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 Nr. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.
Zu Ihrem Antrag vom 12.4.2021 teilen wir Ihnen aber Folgendes mit: Mit § 13 b TierSchG werden die Landesregierungen ermächtigt, durch Rechtsverordnung zum Schutz freilebender Katzen eine Kastrations-, Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht für Halter*innenkatzen, denen unkontrolliert Auslauf gewährt wird, einzuführen. Die Bayerische Staatsregierung hat den Kreisverwaltungsbehörden die Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen zum Schutz freilebender Katzen übertragen. In der Landeshauptstadt München liegt hierfür die Zuständigkeit beim Kreisverwaltungsreferat.
Große Populationen verwilderter und streunender Katzen stellen für Kommunen zunehmend ein Problem dar. Die hohe Fruchtbarkeit der domestizierten Hauskatze trägt entscheidend zu diesem Problem bei. Bei weiblichen Katzen tritt die Geschlechtsreife mit 4 bis 5 Monaten, bei Katern mit 5 bis 6 Monaten ein. In der Regel haben Katzen zwei Würfe pro Jahr (auchdrei Würfe pro Jahr sind möglich). Dabei bringen sie durchschnittlich vier bis fünf Welpen je Wurf auf die Welt.
Vor allem Tierheime werden aufgrund der sich unkontrolliert vermehrenden Katzenpopulation vor immer größere Herausforderungen gestellt. Verwilderte Katzen leben meist ohne direkten Kontakt zum Menschen und sind im Allgemeinen sehr scheu, sie einzufangen und zur Weitervermittlung in Tierheime aufzunehmen, ist daher nicht hilfreich. Vor allem ausgewachsene Katzen, die während der Sozialisierungsphase in Freiheit lebten, lassen sich in der Regel nicht mehr an ein Leben in häuslicher Gemeinschaft gewöhnen. Streunende Katzen (üblicherweise ausgesetzte Katzen) leben im Gegensatz dazu eher in der Nähe der Menschen, meistens in Abhängigkeit vom Futterangebot.
Verwilderte und streunende Katzen haben ein erhöhtes Risiko, an Infektionskrankheiten, wie z.B. Katzenschnupfen, Katzenseuche, Leukose (auch Katzenleukämie genannt), Bauchfellentzündungen oder Mykosen (eine durch Pilze verursachte Infektionskrankheit), zu erkranken. Besonders Jungkatzen sind gefährdet; so manche Katzenwelpen kommen bereits krank auf die Welt. Fehlende Impfungen (z.B. gegen Katzenschnupfen, Katzenseuche) machen diese Katzen besonders empfänglich für diese Infektionskrankheiten. Die Katzen leiden sehr unter diesen Erkrankungen. Im schlimmsten Fall, wenn keine Selbstheilung eintritt, enden diese Erkrankungen tödlich. Erkrankte Tiere stellen wiederum eine Gefahr für andere Katzen dar, indem sie die Erreger weiterverbreiten und gesunde Katzen infizieren. Neben den Infektionskrankheiten sind diese Katzen zudem einem verstärkten Endo- und Ektoparasitenbefall (z.B. Magen-, Darmwurmbefall, Floh-, Zecken-, Milbenbefall) ausgesetzt, der die Tiere schwächt und damit anfälliger für andere Infektionskrankheiten macht.
Eine zu große Population wildlebender und streunender Katzen kann im Einzelfall eine Gefahr für die Gesundheit des Menschen darstellen. Diese Katzen können mit Erregern verschiedenster Krankheiten infiziert sein, welche über ihre an öffentlichen Plätzen hinterlassenen Ausscheidungen auf den Menschen übertragen werden können. Zu den auch als Zooanthroponosen bezeichneten Erkrankungen zählen insbesondere die Toxoplasmose, die Katzenkratzkrankheit (cat-scratch-disease) und Orthopoxvirusinfektionen. Erreger wie Salmonellen, Campylobacter oder Endoparasiten (Haken-, Spul-, Bandwürmer) und Ektoparasiten (wie Flöhe, Räudemilben) sind auf Menschen übertragbar. Diese Krankheitserreger können grundsätzlich auch durch Kontakt mit freilaufenden Hauskatzen in Haushalte eingeschleppt werden.Die Wahrscheinlichkeit einer Infizierung erhöht sich, wenn sich verwilderte und streunende Katzen bei einem sehr hohen Populationsdruck und bei vermindertem Futterangebot immer mehr menschlichen Aufenthaltsplätzen wie Erholungsflächen, Schulhöfen und Spielplätzen nähern, um dort an Lebensmittelabfälle zu gelangen. Sandkästen werden von Katzen ausgewählt, um Kot abzusetzen. Sie gelten daher als wichtigste Ansteckungsquelle. Gefahren bestehen unter anderem für schwangere Frauen, bei welchen es durch die Infektion mit Toxoplasmoseerregern zu Erkrankungen des Ungeborenen bis hin zu Fehl- und Totgeburten kommen kann.
Durch eine zu hohe Katzendichte lässt sich zudem nicht ausschließen, dass freilebende Katzen eine gewisse Gefahr für die heimische Fauna (Vögel, Kleinsäuger und Reptilien) darstellen und auch den Bestand gefährdeter Arten beeinträchtigen. Verlässliche Zahlen darüber, wie viele Beutetiere durch Katzen in Deutschland erjagt und getötet werden, liegen jedoch nicht vo r.
Ziel einer Katzenschutzverordnung ist der Schutz freilebender Katzen in Gebieten, in denen sie in hoher Anzahl auftreten und infolge von Krankheiten, Verletzungen, Unterernährung und/oder erhöhter Welpensterblichkeit erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden ausgesetzt sind. Sie dient dem Schutz des Lebens, Wohlbefindens und der Unversehrtheit der Tiere, sie stellt hingegen nicht auf den Schutz der Gesundheit des Menschen ab. Mit Einführung einer Kastrationspflicht kann die Anzahl von Jungtieren eingedämmt und somit das auf die hohe Katzenpopulation zurückzuführende Leid (Schmerzen, Leiden, Schäden) auf lange Sicht verringert werden. Eine Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht würde zudem die Halter*innenermittlung erheblich vereinfachen.
Eine Katzenschutzverordnung, die ein Kastrationsgebot für alle Katzen mit Freilauf sowie eine Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht dieser Katzen beinhaltet, stellt allerdings einen schwerwiegenden behördlichen Eingriff dar.
Voraussetzungen für den Erlass einer Katzenschutzverordnung sind Nachweise über eine hohe Anzahl freilebender Katzen in einem bestimmten, abgrenzbaren Gebiet sowie an ihnen diagnostizierte Schmerzen, Leiden oder Schäden, die auf die hohe Population zurückzuführen sind. Hierzu ist eine Dokumentation über die hohe Katzenpopulation sowie die hieraus resultierenden Tierschutzprobleme (z.B. Daten über tierärztliche Befunde und Behandlungen freilebender Katzen) nötig. Es muss die Annahme begründet sein, dass sich die Schmerzen, Leiden oder Schäden der Katzendurch eine Verminderung ihrer Anzahl innerhalb des jeweiligen Gebietes verringern lassen. Dazu bedarf es vorher der Feststellung, dass andere gezielte Maßnahmen in Bezug auf die freilebenden Tiere, wie z.B. Einfangen, Kastrieren und Freisetzen oder Aufklärungsmaßnahmen, nicht ausreichend waren.
In Bayern gibt es bislang nur zwei Landkreise, die eine Katzenschutzverordnung erlassen haben (Landkreis Pfaffenhofen ab 1.1.2020 und Landkreis Dachau ab 1.5.2020). In beiden Landkreisen müssen jedoch noch die Gebiete festgelegt werden, in denen die Registrierungs- und Kastrationspflichten für freilaufende Katzen gelten sollen.
Auch in München werden die Fallzahlen in Bezug auf unkastrierte freilebende Katzen und die betroffenen Gebiete durch örtliche Tierschutzorganisationen im Stadtgebiet München in regelmäßigen Abständen erhoben. Der Tierschutzverein München e. V. (TSV) geht in München von knapp 500 freilebenden Katzen aus. Im Vergleich dazu sollen z.B. in Berlin mehr als 10.000 verwilderte Katzen leben. Bislang wurde in München auch kein gehäuftes Auftreten von herrenlosen, verwilderten, unkastrierten Katzen in bestimmten Stadtgebieten („Brennpunkte“) ausgemacht.
Darüber hinaus liegen dem Städtischen Veterinäramt auch durch Anzeigen aus der Bevölkerung keine Daten vor, die belegen, dass bei freilebenden Katzen festgestellte erhebliche Schmerzen, Leiden und Schäden auf die hohe Anzahl dieser Tiere zurückzuführen sind.
Der TSV führt regelmäßig Kastrationen und Kennzeichnungen an herrenlosen, verwilderten Hauskatzen im Stadtgebiet München durch. Mit Hilfe von rund 35 ehrenamtlichen Helfer*innen kümmert sich der Verein um verwilderte Katzen in München (Quelle: Mitgliederzeitschrift Dezember 2020). Sie werden an rund 60 Futterplätzen nicht nur gefüttert und bei Bedarf tierärztlich versorgt, sondern gegebenenfalls auch kastriert. In den letzten drei Jahren wurden rund 600 freilebende Katzen im Tierheim kastriert. Die dafür anfallenden Kosten übernimmt auf freiwilliger Basis die LHM (derzeitige Pauschale 30.000 Euro jährlich).
Auf Grund der Kastrationsaktionen wird eine unkontrollierte Vermehrung streunender Katzen bereits im Ansatz weitestgehend vermieden, so dass nach derzeitigem Stand auch weiterhin der Erlass einer „Katzenschutzverordnung“ nicht notwendig ist. Unabhängig davon wäre eine Verordnung rechtlich auch nicht möglich, da die Voraussetzungen des § 13 b TierSchG nicht erfüllt sind.Zur Information und Sensibilisierung der Münchner Bevölkerung verweist das Städtische Veterinäramt unter
https://www.muenchen.de/rathaus/Stadtverwaltung/Kreisverwaltungsreferat/Verbraucherschutz-und-Veterinaerwesen/Tierschutz/Private-Tierhaltungen.html auf den informativen Flyer des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit.
Auch der Tierbeirat der LHM hat sich am 26.11.2019 bereits mit dem Thema Katzenschutzverordnung auseinandergesetzt. Das Gremium kam in seiner Beratung dabei zum Ergebnis, dass aufgrund der regelmäßigen Kastrationsaktionen durch den TSV und der geringen Anzahl von verwilderten Katzen im Stadtgebiet derzeit kein weiterer Handlungsbedarf durch die LHM besteht. Insbesondere wurde auch die vorhandene Öffentlichkeitsarbeit als ausreichend betrachtet.
Das Gesundheitsreferat wurde eingebunden und ist mit den obigen Ausführungen zu den möglichen auf Menschen übertragbaren Krankheiten einverstanden.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.