Vögel schützen – Glasverwendung an Münchner Gebäuden reduzieren – Glasflächen gegen Vogelkollisionen sichern
Antrag Stadtrats-Mitglieder Herbert Danner, Sabine Krieger und Angelika Pilz-Strasser (Fraktion Die Grünen – Rosa Liste) vom 20.2.2019
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr. (Univ. Florenz) Elisabeth Merk:
Zunächst möchten wir uns vorab für die lange Bearbeitungszeit Ihres Antrags entschuldigen.
Der von Ihnen gestellte Antrag „Vögel schützen – Glasverwendung an Münchner Gebäuden reduzieren – Glasflächen gegen Vogelkollisionen sichern“ enthält drei Zielrichtungen:
-Aktive Information des Themas in den Gremien der Münchner Fachwelt im Baubereich
-Selbstverpflichtung der LH München zum kritischen Umgang bei eigenen Bauvorhaben
-Forderung nach verpflichtenden Gutachten bei Wettbewerben und großen Bebauungsplänen. Bei kleineren Vorhaben soll eine artenschutzfachliche Stellungnahme jeweils durch die UNB erfolgen
Ihr Einverständnis vorausgesetzt, erlauben wir uns, Ihren Antrag vom 20.2.2019 als Brief zu beantworten.
Sie haben durch die Zielrichtung Ihres Antrags bereits dargelegt, dass das Thema in unterschiedlichen Planungsstufen von Relevanz ist, um letztlich erfolgreich bewältigt zu werden. Im folgenden wird das Thema beleuchtet und anhand der Forderungen Ihres Antrags gespiegelt:
1. Das Thema ist komplex und bekannt
Das Thema „Vogelschlag“ ist seit vielen Jahren in der öffentlichen Diskussion. Die Kollision mit Glas betrifft nach vorliegenden Erkenntnissen viele Millionen Vögel. Angesichts des Rückgangs der Arten- und Individuenzahlen ist es fachlich sinnvoll und rechtlich geboten, auch diesen Gefährdungsfaktor zu vermindern.
Durchsichtige Glasflächen suggerieren Vögeln eine freie Flugbahn oder es spiegeln sich Himmel oder Vegetation darin. Vögeln nehmen Glasflächen daher oftmals nicht als Hindernis wahr. Ferner können nächtliche (Innen-) Beleuchtungen eine Anlockungswirkung für Vögel ausüben, die dann das Glas oder das beleuchtete Bauwerk anfliegen.Das Kollisionsrisiko lässt sich in frühen Planungsphasen vielfach noch einfach vermeiden. Die effektivste Methode zur Verhinderung von Vogelschlag ist sicher der Verzicht auf große Glasflächen, verglaste Durchblicke. Soweit dies nicht möglich, kommen neben der Verwendung von entspiegeltem oder weniger lichtdurchlässigen Glas auch flächige Markierungen in Betracht.
Die Vorschriften des Artenschutzes zu beachten, ist eine eigenverantwortliche Verpflichtung der Bauherrnschaft. Das Thema ist in Bezug auf spiegelnde Glasfassaden, gläserne Lärmschutzwände, Bahnhofsarchitektur und Wartehäuschen im öffentlichen Nahverkehr überregional kommuniziert und in der Fachwelt der Architektur bekannt. Auf Unwissenheit zu diesem Thema können sich insbesondere Planer*innen heute nicht mehr berufen und stehen in der Pflicht, ihre Bauherr*innen vor derartigen Risiken zu bewahren. Insbesondere ist zu empfehlen, von Planer*innen und Lieferant*innen belastbare Nachweise zu verlangen, wie die „Vermeidung von Vogelkollisionen“ bewältigt wird.
Die Bauberatung der Lokalbaukommission stellt geeignete Unterlagen bereits heute zur Verfügung. Auch im Handbuch „Der vollständige Bauantrag“ wird auf die Gefahren für Vögel durch großflächige Glasflächen und auf das Informationsangebot des Landesbundes für Vogelschutz hierzu hingewiesen.
Die Untere Naturschutzbehörde beabsichtigt, im Rahmen einer Informationskampagne künftig noch stärker über das Thema zu informieren. Auf der Internetseite der Unteren Naturschutzbehörde sollen Informationen zur Vermeidung von Vogelverlusten durch Glasscheiben bereitgestellt werden. Auch die Erstellung einer Broschüre zum Thema Vogelschutz ist geplant.
2. Rechtliche Grundlagen
Die Thematik „Schutz vor Vogelschlag an Glasflächen“ findet seine Rechtsgrundlage in § 44 Absatz 1 Nr. 1 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG). Danach ist es verboten, wild lebende Tiere der besonders geschützten Arten, hierzu gehören auch alle Europäische Vogelarten, zu verletzen und zu töten. Unerheblich ist, ob dies absichtlich, vorsätzlich, fahrlässig oder ohne Sorgfaltsverstoß begangen wird. Das Tötungsverbot des § 44 Absatz 1 Nr. 1 BNatSchG ist individuenbezogen zu verstehen und grundsätzlich schon dann erfüllt, wenn die Tötung eines Exemplars der besonders geschützten Art sich als unausweichliche Konsequenz eines im Übrigen rechtmäßigen Handelns erweist.Dass in einer Großstadt einzelne Exemplare besonders geschützter Arten durch Kollisionen mit Glasflächen zu Schaden kommen können, lässt sich bei lebensnaher Betrachtung jedoch nie völlig ausschließen. Dem trägt u.a. die für Bauvorhaben geltende artenschutzrechtliche Privilegierung des § 44 Abs. 5 S. 2 Nr.1 BNatSchG Rechnung, in dem eine Signifikanzschwelle festgelegt ist. Danach liegt das Tötungs- und Verletzungsverbot u.a. für Bauvorhaben nach § 29 BauGB nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Art nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei der Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann. Bei der Planung und Zulassung öffentlicher Infrastrukturvorhaben oder privater Bauvorhaben ist daher davon auszugehen, dass unvermeidbare Tötungen und Verletzungen einzelner Individuen als Verwirklichung sozialadäquater Risiken nicht unter den Verbotstatbestand fallen.
Eine Zurechnung erfolgt nur dann, wenn sich das Verletzungs- und Tötungsrisiko durch das Vorhaben aufgrund der besonderen Umstände etwa der Konstruktion der Anlage, der topographischen Verhältnisse, häufiger Frequentierung des betroffenen Bereichs oder artspezifischer Verhaltensweisen signifikant erhöht wird. Dabei sind auch Maßnahmen zur Risikovermeidung und -verminderung in die Beurteilung einzubeziehen.
Die entsprechende Unvermeidbarkeit setzt jedoch die sachgerechte Anwendung der „gebotenen, fachlich anerkannter Schutzmaßnahmen“ voraus. Zudem sollten auch Tötungs- und Verletzungsrisiken unterhalb der Signifikanzschwelle möglichst „durch die gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen“ vermieden werden.
Der konkrete Nachweis über die „signifikante Risikoerhöhung des Vogelschlags“ durch die gewählten Baumaterialien ist in der Regel nur mit einer aufwändigen Einzelfallbetrachtung zu führen. Standardisierte Herangehensweisen sind rechtlich nicht ausreichend. Der konkrete Nachweis von regelmäßigen und umfangreichen Vogelkollisionen über das übliche Maß hinaus setzt die Durchführung eines Monitorings (d.h. Suche nach Kollisionsopfern und Anflugspuren) über einen längeren Zeitraum voraus, um den „Schaden“ konkret für das einzelne Gebäude quantifizieren zu können.
Für eine valide Risikoeinschätzung sind auch in der Planungsphase neben dem Faktor „Glasflächen“ eine Vielzahl weiterer Faktoren – wie Lichtver-hältnisse, Transparenz, Reflexion, Vegetation und Umgebung – zu berücksichtigen.
3. Bekanntermaßen problembehaftete Entwurfselemente und Münchens räumliche Schwerpunktbereiche
Die häufigsten Entwurfselemente mit Bezug zur Tötung von Vögeln: 1. Offene aufgeglaste Gebäudeecken
2. Spiegelnde Glasfassaden mit Baumbepflanzung vor oder hinter dem Glas
3. Gläserne Hofschließungen mit Baumpflanzung, haushohe gläserne Ver - bindungswände zwischen Gebäuden
4. Gläserne Laufbrücken zwischen Gebäuden
5. Gläserne Brüstungen, insbesondere deren Ecken
6. gläserne Kuben im ansonsten flugfreien Straßenraum („Wartehäus chen“)
7. breite, raumhohe Panoramascheiben oder großflächige Aufglasungen in der Fassade
8. Dachgauben und Fachflächenfenster mit Spiegelung des Himmels oder der Bepflanzung aus Dachgärten
Während das Tötungsrisiko für Vögel grundsätzlich stadtweit besteht, wird es durch eine besondere Lage des Objektes nochmals gesteigert: Grund hierfür ist das höhere Lebensraumangebot folgender Strukturen für Vögel:
- Lage neben einer Grünanlage, Stadtpark, regionaler Grünzug, Gewässer - Lage an einer Allee oder mehrreihigen Allee mit alten Bäumen - Lage in der Nähe von höherrangigen Schutzgebieten, geschützten Land- schaftsbestandteilen oder Naturdenkmalen.
Die stadträumlichen Schwerpunkte in München beinhalten: - Lärmschutzeinrichtungen:
Alle Bahnstrecken, Mittlerer Ring, Ausfallstraßen und Autobahnen - Lebensraum für Vögel:
Schloss Nymphenburg, Isaraue und Würmaue
sowie Friedhöfe, Parks, Grünzüge und ältere Alleen sowie alle Gartenstädte und gartenstadtähnlichen Siedlungsbereiche we- gen deren überwiegend alten Baumbestandes mit Bruthöhlen, Gebäude im Außenbereich oder an und in Schutzgebieten.
Bereits frühzeitig einbezogen und erfolgreich umgesetzt wurden Maßnahmen beim Neubau der Paulaner Brauerei in Langwied (Gebäudefassadeund Panoramafenster am Sudhaus). Frühzeitig adressiert wurden Planungshinweise zu den folgenden laufenden Vorhaben:
- Neuer Gasteig
- Interimstandort Gasteig in Sendling
- Volkstheater
- Neuer Konzertsaal
Bei sonstigen Maßnahmen im öffentlichen Raum, z.B. neuen Wartehäuschen mit Werbung wurde der Belang bislang nicht ausreichend berücksichtigt. Da diese Einrichtungen keiner behördlichen Genehmigungspflicht unterliegen, trägt hierfür der Aufsteller und Betreiber die Verantwortung.
Die Stadtwerke München haben unsere Anregungen zu flächendeckenden Markierungen an den Wartehäuschen bedauerlicherweise zurückgewiesen. Das Thema ist dort bereits seit 2012 bekannt, eine Nachrüstung der Wartehäuschen wird von den Stadtwerken mit Verweis auf die dort schon immer priorisierte Transparenz und aus Kostengründen abgelehnt. Da es rechtlich keine Handhabe gibt einzuschreiten, sollte aus unserer Sicht ein Umdenken bei den Stadtwerken auf politischer Ebene angestrengt werden.
Die Deutsche Bahn AG hingegen hat bei der Gestaltung ihrer neuen Wartehäuschen im S-Bahn-Bereich die Aspekte des Vogelschutzes hingegen zwischenzeitlich gut umgesetzt.
4. Berücksichtigung in Wettbewerben und im Bauleitplanverfahren
Die Möglichkeiten, das Thema einzubringen, ist im besonderen Maße bei eigenen Bauprojekten und eigenen Wettbewerben der LH München gegeben. Entsprechende Hinweise oder Anforderungen in Wettbewerbs- auslobungen, Ausschreibungstexten oder Pflichtenheften, z.B. dem ökologischen Kriterienkatalog der LH München sind geeignet, die Berücksichtigung auch in entwurfslenkender Form frühzeitig zu platzieren.
Da dabei jedoch zunächst die Grundzüge der Architektur bestimmt werden, können konkrete Gefährdungslagen in diesen Verfahrensschritten häufig noch nicht abschließend beurteilt werden.
Bei anstehenden Wettbewerben kann jedoch über die Mitwirkung als Gutachter*in oder in einer öffentlich-rechtlichen Befassung, z.B. in der Stadtgestaltungskommission, auf den Belang dennoch wirkungsvoll hingewiesen werden.
Bei Bebauungsplänen wird im Regelverfahren nach § 2 Abs. 4 BauGB eine Umweltprüfung durchgeführt. In deren Rahmen sind die voraussichtlichenerheblichen Umweltauswirkungen in einem Umweltbericht zu beschreiben und zu bewerten, wobei auch der Artenschutz berücksichtigt werden muss. Maßnahmen zur Konfliktvermeidung (sog. cef-Maßnahmen) werden in Bebauungspläne aufgenommen, wenn sie der Vermeidung von Konflikten mit den artenschutzrechtlichen Verbotstatbeständen dienen und der Bebauungsplan ansonsten nicht umgesetzt werden könnte. Insofern kommt derartigen Festsetzungen originäre planungsrechtliche Funktion zu, so dass sie aus städtebaulichen Gründen erfolgen und die Anforderungen des § 9 Abs. 1 BauGB insoweit erfüllen.
5. Berücksichtigung im Baugenehmigungsverfahren
Wünschenswert wäre es zudem, wenn im Baugenehmigungsverfahren Belange des Vogelschutzes rechtssicher gewährleistet werden könnten. Das Naturschutzrecht selbst kennt jedoch kein eigenständiges artenschutzrechtliches Genehmigungsverfahren. Lediglich im Falle der Nichteinhaltung der artenschutzrechltichen Verbotstatbestände ist von Bauherr*innen in einem formellen Verfahren die Erteilung einer artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung nach § 45 BNatschG bei der hierfür zuständigen Regierung von Oberbayern zu beantragen.
Im Übrigen ist die Prüfung der artenschutzrechtlichen Anforderungen nur im Rahmen anderer Genehmigungsverfahren möglich. Im Baugenehmigungsverfahren nach der Bayerischen Bauordnung ist sonstiges öffentliches Recht, wozu auch das Artenschutzrecht als Teilgebiet des Naturschutzrecht gehört, von der Lokalbaukommission als Bauaufsichtsbehörde grundsätzlich nur zu überprüfen, soweit die Baugenehmigung andere nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften erforderliche Entscheidungen entfallen lässt oder diese ersetzt. Nur wenn dies der Fall ist, ist ohne Einschränkung das jeweilige Fachrecht Teil des Pflichtprüfprogramms (sog. aufgedrängtes Recht). Die Baugenehmigung bestätigt somit gerade nicht die Vereinbarkeit einer Anlage mit dem gesamten für sie maßgeblichen öffentlichen Recht und bildet nicht den Schlusspunkt einer umfassenden öffentlich-rechtlichen Prüfung (sog. Schlusspunkttheorie).
Eine verdrängende Wirkung gegenüber anderen Gestattungen kommt der Baugenehmigung somit nur zu, als Regelungen anderer Verfahren explizit vorsehen, dass die Anforderungen des anderen Gestattungsverfahrens im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren mitzuprüfen sind (in Naturschutzrecht z.B. § 17 Absatz 1 BNatSchG, Artikel 18 Absatz 1 BayNatSchG, Artikel 24 S. 3 BayNatSchG). Damit trägt das jeweilige Fachrecht auch die rechtspolitische Verantwortung dafür, ob und in welchem Umfang deren bauordnungsrechtliche Genehmigungsverfahren die Prüfung von Fachrecht auferlegt wird, und dafür, in welchem Maße fachrechtliche Anlagenzulas-sungsverfahren mit baurechtlichen Genehmigungsverfahren verknüpft und koordiniert werden. In den §§ 44, 45 BNatschG ist eine solche Regelung für das Artenschutzrecht jedoch nicht zu finden.
Nur ausnahmsweise darf eine Baugenehmigung, obwohl gem. Artikel 68 Absatz 1 S. 1 Hs. 1 BayBO und damit nach den im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften ein Anspruch auf sie bestünde, aufgrund fehlenden Sachbescheidungsinteresses versagt werden, wenn sie dem Bauantragsteller keinen Vorteil brächte und für ihn nutzlos wäre, weil er von ihr wegen eines schlechthin nicht auszuräumenden Hindernisses ohnehin keinen Gebrauch machen könnte.
Für Bauvorhaben im Außenbereich, in naturschutzrechlichen Schutzgebieten oder im Nähebereich von 50 m an FFH-Gebieten (Fauna-Flora-Habitat) können Auflagen zum Vogelschutz: „Vogelkollision an Glas“ dagegen rechtssicher beauflagt und auch vollzogen werden. Hier zählt das Artenschutzrecht zum Prüfprogramm (wegen § 17 Absatz 1 BNatSchG, Artikel 18 Absatz 1 BayNatSchG bzw. Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege als zu beachtender öffentlicher Belang nach § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB). Der Anteil solcher Bauvorhaben ist allerdings mengenmäßig gering.
Nach den Regelungen der BayBO hat die zuständige Baurechtsbehörde somit nur in bestimmten Verfahren einen Prüfauftrag, der auch das Artenschutzrecht umfasst. Bei Bauvorhaben ist jedoch unabhängig, ob dies im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen ist, der Bauherr dafür verantwortlich, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften einschließlich die des Artenschutzrechts über den gesamten Zeitraum eines Gebäudes (Bau- und Betrieb) eingehalten werden. Auch bei verfahrensfreien Vorhaben sind die öffentlich-rechtlichen Vorschriften einschließlich des Artenschutzrechts einzuhalten, etwa bei bestimmten Sanierungs- oder Umbaumaßnahmen an privaten Gebäuden, von denen gebäudebrütende Vögel und Fledermäuse betroffen sein können.
Bei artenschutzrechtlichen Verstößen können u. a. ordnungs- oder strafrechtliche Konsequenzen (Bußgeld- und Strafvorschriften des BNatSchG §§ 69 ff) drohen, aber auch z. B. Baueinstellungen unterschiedlicher Dauer sind möglich. Soweit es zu Umweltschäden an geschützten Arten gekommen sein sollte oder solche drohen, besteht die Verpflichtung zu bestimmten Maßnahmen (§ 19 BNatSchG). Dabei kann die Baurechtsbehörde etwa die Einstellung von Arbeiten anordnen, wenn bauliche Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder abgebrochen werden. Bei Verstößen gegen artenschutzrechtliche Verbote kann dies auch unmittelbar durch die Naturschutzbehörde erfolgen.
6. Nachrüstungsmöglichkeiten
Die Anordnung zusätzlicher Maßnahmen ist durch die Naturschutzbehörde auch in dem Fall möglich, dass erst nachträglich ein artenschutzrechtlicher Verstoß festgestellt wird. Eine erteilte Baugenehmigung steht dem in der Regel nicht entgegen. Als Rechtsgrundlage kommt die naturschutzrechtliche Generalklausel gemäß § 3 Absatz 2 BNatSchG hier in Verbindung mit § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatschG in Betracht. Nach dieser Vorschrift überwachen die zuständigen Behörden die Einhaltung der Vorschriften des BNatSchG und der auf seiner Grundlage erlassenen Vorschriften und treffen nach pflichtgemäßem Ermessen die im Einzelfall erforderlichen Maßnahmen, um deren Einhaltung sicherzustellen. Davon ist auch das tierschutzrechtliche Tötungsverbot für Europäische Vogelarten nach § 44 Absatz 1 Nr. 1 BNatSchG umfasst.
Hierfür bedarf es artenschutzrechtlicher Untersuchungen, die in ihrem methodischen Vorgehen und der Ermittlungstiefe ausreichen, um die Behörde in die Lage zu versetzen, die Voraussetzungen der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände sachgerecht zu überprüfen. Dies beinhaltet, wie bereits erörtert, ein Monitoring und die Erhebung von Daten, denen sich in Bezug auf das maßgebliche Gebiet die Häufigkeit und Verteilung der geschützten Arten sowie deren Lebensstätten entnehmen lassen.
In Bezug auf größere Rückbaumaßnahmen oder die bauliche Nachrüstung von gläsernen Lärmschutzwänden oder ganzen Glasfassaden – zumal bei fortlaufender Nutzung des Gebäudes – ist jedoch auch der Aufwand zur Umsetzung zu berücksichtigen. Die Grenze der Unzumutbarkeit darf jedenfalls nicht überschritten werden.
7. Fazit:
Es gibt in München gute Beispiele, wo im laufenden Genehmigungs- und Bauverfahren der Belang „Vogelschlag“ gut gelungen und mit eigenen gestalterischen Möglichkeiten bewältigt wurde. Die Bedruckung von Glasfassaden oder geätztes Glas kann hier zugleich für eine zeitgemäße künstlerische Außenwirkung und den erforderlichen Sonnenschutz genutzt werden. Das Referat für Stadtplanung für Bauordnung ist bestrebt über die Vermeidung von Vogelverlusten an Glasscheiben noch breiter zu informieren und zu sensibilisieren und dem Belang gerade auch bei eigenen Bauvorhaben einen noch stärkeren Fokus einzuräumen.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.