Umgestaltung im Straßenbegleitgrün – mehr heimische Blumenwiesen für den Ausbau des städtischen Lebensraumes von Kleinsttieren und Insekten
Antrag Stadtrats-Mitglieder Sonja Haider, Nicola Holtmann, Dirk Höpner, Hans-Peter Mehling und Rudolf Schabl (Fraktion ÖDP/FW) vom 2.3.2021
Antwort Baureferentin Rosemarie Hingerl:
Sie haben am 2.3.2021 Folgendes beantragt:
„Die Stadtgärtnerei ersetzt in allen Münchner Stadtbezirken, in Zusammenarbeit/auf Vorschlag des jeweiligen Bezirksausschusses, in einem Pilotprojekt zunächst jeweils ca. 10% des Straßenbegleitgrüns gegen heimische Blumenwiesen, um den städtischen Lebensraum von Kleinsttieren und Insekten zu stärken und auszubauen.
Die Bezirksausschüsse werden aufgefordert, bis Herbst 2021 aus ihrer Sicht vor Ort besonders geeignete Anteile des Straßenbegleitgrüns für das Pilotprojekt zu benennen. Die Stadtgärtnerei wählt daraus die aus fachli- cher Sicht bestgeeigneten Anteile aus (die angestrebte Flächenmenge liegt dabei in jedem Stadtbezirk bei jeweils ca. 10% der existenten Flächen im Straßenbegleitgrün). Die Umsetzung der Bepflanzungsänderung erfolgt im Winter/Frühjahr 2021/22. Eine Evaluierung der Pflanzänderungen unter Berücksichtigung der erfolgten Mehrung von Kleinsttieren und Insekten sowie ggf. einer Erhöhung von Menge und Artenvielfalt heimischer Vögel erfolgt in 2024 mit dem Ziel, den Anteil an heimischen Blumenwiesen in der Stadt zu Lasten von und/oder ergänzend zu Straßenbegleitgrün weiter deutlich auszuweiten.“
Der Intention Ihres Antrages wurde bereits mit Antwort auf den Antrag Nr. 14-20/A 06722 der ÖDP vom 11.2.2020 „Artenvielfalt auch in München IX – Ein Jahr Volksbegehren Rettet die Bienen! – Mähkonzepte auf alle städtischen Grünflächen ausdehnen“ stattgegeben. In dieser haben wir Folgendes dargestellt:
„Öffentlichen Grünanlagen kommt in einer hochverdichteten Großstadt neben ihrer ökologischen und klimatischen Funktion eine vorrangige Erholungs- und Freizeitfunktion für unterschiedliche Nutzungsgruppen zu. Trotz ihrer zentralen Funktion als Erholungsflächen für die Stadtgesellschaft beherbergen öffentliche Grünanlagen aber auch wichtige Lebensräume für zahlreiche wildlebende Tiere und stellen einen großen Teil an naturschutzfachlich bedeutenden Flächen dar. In München dienen etwa 35% der Grünflächen in öffentlichen Grünanlagen der intensiven Freizeit- und Erho-lungsnutzung, 45% der Flächen bestehen aus Gehölzflächen (30% Bäume und Sträucher) und artenreichen Wiesen (15%). Mit der praktizierten Flächenaufteilung kann ein Strukturreichtum zur Förderung der Artenvielfalt und zugleich die erforderliche Erholungs- und Freizeitnutzung gewährleistet werden.
Entsprechend dem Leitbild der von der Vollversammlung des Stadtrates am 19.12.2018 beschlossenen ‚Biodiversitätsstrategie München‘ (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 13218) werden die Grünflächen in den städtischen Grünanlagen und Parks vom Baureferat unter Berücksichtigung der Nutzungsintensität so naturnah wie möglich angelegt und gepflegt. Die ‚Biodiversitätsstrategie München‘ stellt im Handlungsfeld 10 (‚Biodiversität im öffentlichen Grün‘) insbesondere darauf ab, dass auf Flächen mit geringer Nutzungsintensität innerhalb öffentlicher Grünflächen alle Potenziale genutzt werden sollten, um den Anteil an naturnahen Wiesen weiter zu erhöhen. Dort wird vom Baureferat in enger Abstimmung mit den Bezirksausschüssen kontinuierlich überprüft, ob eine Reduktion der Mahdhäufigkeit möglich ist. Auf diese Weise stehen heute in den öffentlichen Grünanlagen und Ausgleichsflächen rund 700 ha arten- und blütenreiche Langgraswiesen als Habitate für Insekten und andere Lebewesen zur Verfügung. […]
Vor dem Hintergrund der fortschreitenden Abnahme der Strukturvielfalt der Landschaft in Deutschland gewinnt die ökologische Aufwertung des Straßenbegleitgrüns eine immer höhere Bedeutung. Mit dem Ziel, die Artenvielfalt zu fördern, wurde am 17.7.2019 infolge des Volksbegehrens ‚Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern – Rettet die Bienen!‘ das Zweite Gesetz zugunsten der Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern (Gesamtgesellschaftliches Artenschutzgesetz – Versöhnungsgesetz) beschlossen. Der Berücksichtigung naturschutzfachlicher Ziele bei der Anlage und der Unterhaltung des Straßenbegleitgrüns wurde in diesem Zuge durch die Ergänzung des Artikels 30 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes um folgenden neuen Absatz 2 ein wesentlich stärkeres Gewicht als bisher eingeräumt:
,(2) Begrünte Teile der Trenn-, Seiten-, Rand- und Sicherheitsstreifen, Böschungen und sonstige straßenbegleitende Grundstücksteile (Straßenbegleitflächen) sind bei Staatsstraßen mit dem Ziel zu bewirtschaften, die Luftreinhaltung, die Artenvielfalt und den Biotopverbund zu fördern. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeit und vorbehaltlich der Verkehrssicherheit sollen bei Staatsstraßen die Straßenbegleitflächen als Magergrünland bewirtschaftet und Lärmschutzanlagen begrünt werden. Den Landkreisenund Gemeinden wird empfohlen, bei Kreis- und Gemeindestraßen entsprechend zu verfahren.‘
Häufigkeit, Zeitpunkt und Arbeitsverfahren, also die Art der Pflege, beeinflussen die Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren des Straßenbegleitgrüns. Bereits in der Vergangenheit hat das Baureferat im Straßenbegleitgrün auf geeigneten, größeren zusammenhängenden Flächen wie z. B. an der Willy-Brandt-Allee, Magerstandorte mit artenreichen Wildblumen
wiesen entwickelt. Die Entwicklung von bestehenden Rasenflächen hin zu artenreichen Wildblumenwiesen erfolgte dabei durch eine Reduzierung der Mahd auf ein- bis dreimal jährlich mit Schnittgutaufnahme und ggf. durch eine zusätzliche sogenannte Impfung der Flächen mittels Aufreißens der Grasnarbe und Einbringung entsprechenden Saatgutes. Dabei hat sich gezeigt, dass eine artenreiche Wildblumenwiese nur auf gut besonnten Flächen entstehen kann. Das Aufreißen der Grasnarbe und die Impfung mit Saatgut ist in Baumwurzelbereichen nicht möglich.
Der Großteil des innerstädtischen Straßenbegleitgrüns in München bietet wegen der Bepflanzung mit Bäumen, der dadurch resultierenden Durchwurzelung des Bodens sowie der Verschattung durch Bäume und durch anliegende Gebäude nicht die notwendigen Voraussetzungen für die Entwicklung von artenreichen Wildblumenwiesen. Allerdings könnten bei extensiver Mahd mit Mähgutaufnahme im Straßenbegleitgrün Langgraswiesen als Magergrünland entstehen, welche zwar nicht die gleiche ökologische Wirkung erzielen wie artenreiche Wildblumenwiesen, jedoch im Vergleich zu mehrfach gemähten, kurzen Rasenflächen unter ökologischen Gesichtspunkten eine wesentliche Verbesserung als Habitate für Insekten und Kleinlebewesen darstellen können.
Das Straßenbegleitgrün ist kraft Gesetzes ein Bestandteil der Straße. Die Art der Pflege des Straßenbegleitgrüns muss daher neben ökologischen Zielen immer auch weitere Aspekte zwingend berücksichtigen. Zu nennen sind hier insbesondere die Sicherstellung der Funktion des Straßenbegleitgrüns für die Straße, die Verkehrssicherheit, die Wirtschaftlichkeit sowie die Arbeitssicherheit für die Beschäftigten. Alle diese Aspekte sind bei der Entwicklung und Konzeptionierung von Pflege- und Unterhaltsmaßnahmen des Straßenbegleitgrüns in Einklang zu bringen. Aus Verkehrssicherungsgründen sind beispielsweise notwendige Sichtbeziehungen unter den Verkehrsteilnehmern sicherzustellen oder bei Starkregenereignissen ist zu verhindern, dass Langgras auf die Fahrbahnen kippt. Sowohl zur Reduzierung des Gefahrenpotenzials bei der Durchführung von Pflegearbeiten für Verkehrsteilnehmer*innen und Betriebspersonal als auch aus wirtschaftli-chen Gründen sollten diese vorrangig maschinell und mit möglichst wenig Arbeitsschritten durchgeführt werden.
Das Baureferat beabsichtigt, die Entwicklung und Pflege von Langgraswiesen im innerstädtischen Straßenbegleitgrün im kommenden Jahr zu erproben. Da bestehende Verträge zur Pflege des Straßenbegleitgrüns im Stadtbezirk Schwabing-West kommendes Jahr auslaufen, sollen dort unterschiedliche Pflege- und Mähmethoden im Rahmen eines Pilotversuches erprobt werden, um die notwendigen Erkenntnisse betreffend Mähhäufigkeit, ökologischer Wirksamkeit und Kosten zu gewinnen. Die Erprobung erfolgt in enger Abstimmung mit dem örtlichen Bezirksausschuss. Abhängig vom Ergebnis beabsichtigt das Baureferat, ein entsprechendes Mähkonzept für das gesamte Straßenbegleitgrün dann stadtweit weiterzuentwickeln.“
Mit dem dargestellten Vorgehen ist die Intention Ihres Antrages vom 2.3.2021 bereits aufgegriffen.
Der oben beschriebene Pilotversuch läuft seit diesem Frühjahr (siehe Meldung in der Rathaus Umschau vom 21.6.2021). Ende Juli hat der erste von zwei Mähgängen mit anschließender Entfernung des Mähgutes begonnen. Die zweite Mahd wird voraussichtlich im Oktober durchgeführt. Der Bezirksausschuss sowie die Kreisgruppen München des BUND Naturschutz e.V. und des Landesbundes für Vogelschutz e.V. sind in die Vorgehensweise eingebunden (siehe Meldung in der Rathaus Umschau vom 26.7.2021).
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass der Antrag damit abschließend behandelt ist.