Projekt Integrations-Brücke erhalten
Antrag Stadtrats-Mitglieder Anja Berger, Nimet Gökmenoglu, Sofie Langmeier, Marion Lüttig, Clara Nitsche, Bernd Schreyer (Fraktion Die Grünen – Rosa Liste) und Roland Hefter, Anne Hübner, Christian Köning, Christian Müller, Cumali Naz (SPD/Volt-Fraktion) vom 2.11.2020
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
Zu Ihrem Antrag vom 2.11.2020 teilen wir Ihnen mit, dass Ihrem Anliegen bereits durch Beschluss am 16.11.2020 im Sozialausschuss und am 19.11.2020 in der Vollversammlung des Stadtrats (Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 01753) entsprochen wurde.
Hinsichtlich der bisherigen Historie des Projekts Integrationsbrücke (PIB) ist festzustellen, dass es 2016 aus dem Vorprojekt Lotse hervorging und in den Jahren 2016 bis einschließlich 2020 vorwiegend aus Fördermitteln aus dem Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen (EHAP) und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) finanziert worden ist. Diese Förderung lief Ende 2020 aus, so dass es dringend einer Möglichkeit für eine Anschlussfinanzierung bedurfte. Mit dem o.g. Beschluss kann dies ab 2021 gewährleistet werden. Aufgrund der schwierigen Haushaltslage hat der Träger des Projekts, der Caritasverband München, die ursprünglichen Projektkosten in Höhe von 408.251 Euro auf knapp über die Hälfte reduziert. Damit einher geht auch eine gewisse Reduzierung der Leistungsmenge, nicht jedoch der qualitativen Angebote. Die Sicherstellung der Finanzierung in der vorliegenden Form ermöglicht, dass pro Jahr rund 150 Haushalte bedient werden können.
Ziel des Projekts ist die Verbesserung des Zugangs zur psychosozialen Versorgungslandschaft von neu zugewanderten EU-Bürger*innen (ab 18 Jahren) mit Symptomen einer psychischen Beeinträchtigung oder Anzeichen einer hohen psychosozialen Belastungssituation. Darunter sind insbesondere psychische Krisensituationen, komplexere psychosoziale Unterstützungsbedarfe oder das Vorliegen einer Suchtproblematik zu verstehen.
Unter den zugewanderten Personen befinden sich viele Menschen, die ihr Heimatland im europäischen Raum verlassen haben, um in München Arbeit und bessere Lebensbedingungen als in ihren Heimatländern zu finden. Im Prozess der Zuwanderung besteht jedoch ein stark erhöhtes Risiko, in soziale und psychische Problemlagen zu geraten, vor allem wenn ein niedriger sozioökonomischer Status und besondere Belastungen derMigration zusammentreffen. Erschwerend kommt hinzu, dass Angehörige verschiedener Kulturen häufig andere Erklärungsmuster und Bewältigungsstrategien für psychische Beeinträchtigungen und Krankheiten haben und ihnen das soziale und gesundheitliche Versorgungssystem in Deutschland oft fremd bzw. unverständlich ist.
Den Betroffenen wird durch niederschwellige, kultursensible, aufsuchende und nachgehende Unterstützung und Begleitung beim Zugang zur medizinischen und psychosozialen Versorgung geholfen. Die hauptamtlichen Beratungskräfte des Teams des Projektes PIB sind sozialpädagogische und psychologische Fachkräfte mit eigenem Migrationshintergrund sowie muttersprachlichen Kompetenzen und Fachkompetenzen in den Bereichen der Sozialpsychiatrie, Kinder- und Jugendhilfe und Gesundheitsversorgung. Durch die hauptamtlichen Kräfte werden folgende Sprachen abgedeckt: Bulgarisch, Russisch, Rumänisch, Portugiesisch, Spanisch, Polnisch, Griechisch, Englisch, Kroatisch, Serbisch, Bosnisch. Darüber hinaus stehen Honorarkräfte zur Verfügung für die Sprachen: Finnisch, Schwedisch, Türkisch, Italienisch.
Seit Beginn des Projekts besteht zwischen dem Projektträger, dem Caritasverband der Erzdiözese München und Freising e. V., und dem Sozialreferat der Landeshauptstadt München sowie mit dem Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU) eine Kooperationsvereinbarung. Zudem gibt es eine enge Zusammenarbeit mit der Bahnhofsmission, der Organisation Ärzte der Welt (Open.Med.) und zahlreichen weiteren Institutionen (z.B. Krankenkassen, Migrationsberatungsstellen).
Wie im Antrag erwähnt, wurde das Projekt durch eine vom Sozialreferat finanzierte Evaluation begleitet. Wesentliche Ergebnisse waren u.a.
-PIB hat einen guten Zugang zur Zielgruppe aufgrund seiner Niederschwelligkeit, der zeitlichen und örtlichen Flexibilität sowie seiner spezifischen Ressourcenstruktur (muttersprachliche Kompetenzen, eigene Migrationserfahrung der Beratungskräfte, großes Fachwissen). -PIB erreicht die Menschen, die (im Sinne der EU-Kriterien) als arm gelten und eine hohe soziale/gesundheitliche Problemdichte (Multiprobleme) wie auch große Sprachbarrieren haben (50% der Klient*innen können kein Deutsch).
-PIB hat eine starke präventive Wirkung, indem zu einem großen Teil diejenigen Personen erreicht werden, bei denen die hohen psychosozialen Belastungen noch nicht zur Chronifizierung psychischer Störungengeführt hat. Dies hat laut SIM auch einen „hohen ökonomischen Mehrwert“.
-PIB hat eine sehr hohe Vermittlungsquote der Betroffenen in die Regeldienste (90%) und eine sehr geringe Abbruchquote (4,5%).
Im ersten Projektzeitraum 2016 bis 2018 konnten EU-Bürger*innen Hilfe erfahren, von der auch deren Kinder profitiert haben. Für den Folgezeitraum 2019 bis 2020 wurde die Zielgruppe auf Eltern mit ihren Kindern im Vorschulalter bis zu 7 Jahren sowie auf wohnungslose oder von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen aus EU-Staaten erweitert. Kinder von 0 bis 7 Jahren werden bei der Vermittlung einer Tagesbetreuung unterstützt. Über dieses Alter hinaus erfolgt bei Bedarf eine Anbindung an die Kinder- und Jugendhilfe. Durch den Einsatz von Eigenmitteln baute die Caritas das Angebot auch für Migrant*innen aus Nicht-EU-Staaten aus.
Aufgrund der positiven Ergebnisse und Wirkungen des Projekts unterstützt auch das Sozialreferat ausdrücklich die weitere Förderung. Die Hilfsmaßnahmen des PIB haben sich bewährt. Aus fachlicher Sicht ist die Begleitung von allen Menschen mit Migrationshintergrund, auch aus Nicht-EU-Staaten dauerhaft notwendig. Das PIB stellt als einzige Fachstelle in dieser Form in Muttersprache eine Überleitung zu Angeboten der Regelversorgung her, ersetzt diese aber nicht. Der Umfang der Aufgabe beinhaltet die bestmögliche Vernetzung und zielgerichtete Vermittlung in bestehende Angebote.
Das Sozialreferat begrüßt das mit Ihrem Antrag intendierte Fortbestehen des PIB und wird auch weiterhin im Rahmen der getroffenen Kooperationsvereinbarung mit den Akteuren des Projekts zusammenarbeiten. Ich bin zuversichtlich, dass die Integration und die gesundheitliche sowie psychosoziale Versorgung von Migrant*innen aus EU-Ländern und darüber hinaus dauerhaft auf ein stabiles Fundament gestellt werden kann.
In der Hoffnung, auf Ihr Anliegen hinreichend eingegangen zu sein, gehe ich davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.