MVV-Zeitkartentarife flexibler und zukunftsfähig gestalten!
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Alexandra Gaßmann und Hans Hammer (CSU-Fraktion) vom 12.8.2021
Antwort Clemens Baumgärtner, Referent für Arbeit und Wirtschaft:
In Ihrer Anfrage vom 12.8.2021 führten Sie als Begründung aus: „Die Corona-Pandemie hat das Leben jedes Einzelnen auf den Kopf gestellt und für viele zu großen Veränderungen geführt. Um Ansteckungen zu reduzieren bzw. ganz zu vermeiden, wurden die Arbeitgeber gebeten, ihre Arbeitnehmer überwiegend im Homeoffice arbeiten zu lassen. Der Trend zu mehr Arbeit im Homeoffice wird sich auch nach dem Ende der Pandemie fortsetzen und darauf sollten sich alle Beteiligten einstellen. So auch der Öffentliche Nahverkehr mit spezifischeren Zeitkartenangeboten, denn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden vielleicht nur noch an einigen Tagen der Arbeitswoche ins Büro fahren.“
Die MVV GmbH beantwortet Ihre Fragen in Abstimmung mit der MVG wie folgt:
Frage 1:
Stellt die MVV GmbH fest, dass es einen Rückgang von Zeitkartennutzerinnen- und nutzern gibt?
Antwort der MVV GmbH:
„Es gibt – über das gesamte MVV-Gebiet und alle Arten des Abonnements gesehen – einen Rückgang von etwa 15 bis 20 Prozent.“
Frage 2:
Könnten neue Fahrgäste gewonnen werden, indem spezifischere Zeitkartenangebote entwickelt werden, die die Auswirkungen der neuen Arbeitswelt einbeziehen?
Antwort der MVV GmbH:
„Der Gedanke, Mehrtages- , Wochen- oder Monatskarten bzw. ein Abonnement für differenzierte Nutzungstage mit abgestuften Preisen anzubieten, hätte für bestimmte Nutzergruppen, mit wenigen Fahrten pro Woche aufgrund von Homeoffice auf jeden Fall Vorteile und ist durchaus nachvollziehbar; es könnten nach unserer Einschätzung durchaus Neukunden für den ÖPNV gewonnen werden.Jedoch ist zu beachten, dass preislich reduzierte Angebote, sei es auch nur für eine bestimmte Anzahl an Nutzungstagen gebundene Angebote, zu Mindereinnahmen bei den Verkehrsunternehmen führen. Um diese Mindereinnahmen ausgleichen zu können, müssten folglich die Fahrpreise aller anderen Fahrkartenangebote neu kalkuliert werden – es sei denn, die öffentliche Hand übernimmt diesen Ausgleich; dies ist allerdings eine Frage der Politik. Leider ist aufgrund des hohen Vertriebsaufwands im konventionellen Vertrieb ein solcher Vorschlag für die Kunden nicht ohne weiteres flexibel umsetzbar. Allerdings gibt es bereits heute eine kundenfreundliche Lösung, die der MVV in den digitalen Vertriebskanälen testet: Das eTarif Pilotprojekt ‚swipe and ride‘, das bereits erfolgreich seit 20. Oktober 2020 läuft und speziell für dieses Kundensegment konzipiert wurde. Der Fahrpreis setzt sich hier aus einem Grundpreis pro Fahrt und der Anzahl Luftlinienkilometer x Entfernungspreis pro Luftlinienkilometer zusammen und es gibt einen Tagesdeckel sowie Boni für den Folgemonat ab der vierten Fahrt pro Monat (weitere detaillierte Informationen zum Pilotprojekt finden Sie unter www.mvv-muenchen.de/etarif).
Darüber hinaus gibt es Überlegungen zur Weiterentwicklung des Abonnements hin zu abgestuften Angeboten – ähnlich den Produkten von Anbietern aus anderen Branchen, z.B. Stromversorgung oder Telekommunikation. Auswählbare Zusatzoptionen erhöhen dabei die Flexibilität und Individualität für die Kunden. Diesen Überlegungen befinden sich aber noch im Anfangsstadium.“
Frage 3:
Sehen Sie Möglichkeiten der Einführung von Regentag-Zeitkarten (Fahrt an Regentagen, keine Nutzung an Sonnentagen) oder Zeitkarten, die sich z.B. zwei fix definierte Personen teilen können? Mit einem solchen Backup würde den Menschen der Umstieg auf den ÖPNV erleichtert.
Antwort der MVV GmbH:
„Die Einführung von speziellen Fahrkarten mit vergünstigten Preisen (z.B. die vorgeschlagene ‚Regentag-Zeitkarte‘) anzubieten, ist sicherlich eine interessante Idee – mit Blick auf das gesamte Tarifangebot stehen wir jedoch der Einführung solcher speziellen Karten skeptisch gegenüber. Dies liegt vor allem an den Folgewirkungen dieser Angebote, die wir nicht außer Acht lassen können:
-Jedes neue Angebot vergrößert das Fahrkartensortiment und macht damit den Tarif umfangreicher und tendenziell schwerer zu kommunizieren, und läuft unseren Bemühungen zuwider, einen einfachen, transparenten Zeitkartentarif anzubieten.-Dazu kommen Überlegungen zur Tarifgerechtigkeit, d.h. der Tarif muss für alle Fahrgäste einheitlich anwendbar sein. Dies ist z.B. bei einer ‚Regentag-Zeitkarte‘ aufgrund der schwierig exakt zu definierenden Voraussetzungen, die darüber hinaus zeitlich im Verlauf eines Tages und räumlich über das gesamte MVV-Tarifgebiet betrachtet in der Regel nicht konstant sind, nicht möglich.
Eine Zeitkarte, die sich zwei oder mehr Personen teilen, d.h. abwechselnd benutzen können, gibt es bereits in Form der übertragbaren IsarCard in verschiedenen Varianten. Darüber hinaus möchten wir darauf hinweisen, dass der MVV an der deutschlandweiten Aktion des VDV ‚Deutschland Abo-Upgrade‘ zur Stärkung des Abonnements teilnimmt. Die Aktion ist ein Dankeschön an alle, die den Öffentlichen während der Pandemie die Treue gehalten haben: Im Rahmen der Kampagne #BesserWeiter des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) können Abonnentinnen und Abonnenten des MVV vom 13. bis 26. September 2021 ohne zusätzliche Kosten das Bus- und Bahnangebot der teilnehmenden Verkehrsverbünde und Verkehrsunternehmen in ganz Deutschland nutzen.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass Ihre Idee, im Hinblick auf zurückgehende Abozahlen und das sich ändernde Mobilitätsbedürfnis ein zusätzliches Angebot für gelegentliche Fahrten und spezielle Ticketarten für einen leichteren Umstieg auf den ÖPNV anzubieten, durchaus begründet ist. Bei näherer Betrachtung dieser Problematik wird jedoch deutlich, dass nicht alle Vorschläge ohne Weiteres realisierbar sind; allerdings zeigen das laufende eTarif Pilotprojekt ‚swipe and ride‘ und die angestoßene Strategiediskussion aber bereits neue Wege auf, die allen Mobilitätsbedürfnissen Rechnung tragen werden. Dies kann man auch sehr gut an den neu eingeführten Angeboten anderer Verkehrsverbünde beobachten. Auf Grund der Tatsache, dass ein großer Teil der Kosten des ÖPNV von der öffentlichen Hand ausgeglichen werden muss, wird letztlich der Politik die Aufgabe zufallen, die Weichen für Veränderungen zu stellen, und deshalb ist eine gemeinsame Diskussion darüber in den entsprechenden Gremien auf jeden Fall begrüßenswert.“
Ich hoffe, dass Ihre Fragen hiermit zufriedenstellend beantwortet werden konnten.