Wieso braucht es für den Standort Neuperlach nochmal 64 Millionen Euro?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Marie Burneleit, Stefan Jagel, Thomas Lechner und Brigitte Wolf (DIE LINKE. / Die PARTEI Stadtratsfraktion) vom 26.5.2021
Antwort Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek:
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage zur Beantwortung zugeleitet. Zunächst bedanke ich mich für die Fristverlängerung und kann jetzt die einzelnen Punkte Ihrer Anfrage wie folgt beantworten.
Ihrer Anfrage liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
„Die Süddeutsche Zeitung berichtete am 27. April 2021 über die enorme Finanzlücke bei der München Klinik. In dem Artikel findet sich folgender Satz: ‚Ende 2020 meldete die München Klinik in der Kämmerei an, dass auch im Krankenhaus Neuperlach nochmals 64 Millionen Euro für die Sanierung im Bestand nötig sein werden‘. Dieser Satz löste durchaus, nicht nur bei den ehrenamtlichen Stadträt*innen, großes Erstaunen aus. Der Informationsstand war bis zu diesem Datum, dass die Sanierung am Klinikum Neuperlach abgeschlossen gewesen wäre.“
Für den operativen Geschäftsbetrieb ist die Geschäftsführung der München Klinik gGmbH (MüK) zuständig. Zum Sachverhalt und den im Einzelnen gestellten Fragen habe ich die MüK befragt. Bevor die Fragen beantwortet werden, wird zum besseren Verständnis die Ausgangslage seitens der MüK wie folgt beschrieben:
Für eine sachliche und vollständige Beurteilung des Status der Gebäudeinfrastruktur in Neuperlach und der jetzt aufgestellten ersten Kostenabschätzung sowie der Handhabung innerhalb der München Klinik sind zwei Bereiche zu betrachten.
Mit Beschluss des Stadtrats im Jahr 2015 zum Sanierungsumsetzungskonzept wurde eines der größten und komplexesten Krankenhausbauprogramme der Republik gestartet. In den laufenden Beteiligungsberichten an den Stadtrat wurden danach die Ursachen für die zeitlichen Verzögerungen und die Kostensteigerungen detailliert und umfassend dargelegt.
Wie aus der o.a. Beschreibung hervorgeht, wurden im Rahmen von Sanierungsmaßnahmen in Neuperlach ausschließlich Pflege- und Funktionsebenen bearbeitet. Nach 50 Jahren Betrieb im 24/7-Modus muss davon ausgegangen werden, dass in den nächsten 10 Jahren wesentliche Teile dertechnischen Infrastruktur, die das Herz- und Nervensystem des Gebäudes darstellen, grundsätzlich erneuert werden müssen.
Bei der zu erwartenden Höhe der Ertüchtigung der technischen Gebäudeinfrastruktur ist weiterhin zu berücksichtigen, dass die baulichen Gegebenheiten im Klinikum Neuperlach für eine derartige Maßnahme schwierig sind. Bei der Erstellung des Gebäudes wurden die technischen Gewerke ins Innere des Hauses ohne entsprechende Austauschflächen verortet.
Insofern wird eine sehr exakte Planung erforderlich, wie der Austausch der technischen Gewerke erfolgen wird. Darüber hinaus ist die Statik dieses 1972 erstellten Gebäudes auch nicht auf die grundsätzlich höheren Lasten moderner Medizintechnik ausgerichtet, was jeweils zu zusätzlichem Aufwand bei technischen Installationen im Gebäude führt.
Beim BayStMGP wurde schon für die Zeit nach 2025 grundsätzlich der Bedarf für das Klinikum Neuperlach benannt. Nachdem zu diesem Zeitpunkt die bisherigen Fördermaßnahmen bis auf Bogenhausen abgeschlossen sein werden, hat der Freistaat hier keine grundsätzlichen Bedenken angemeldet, sondern empfiehlt, das Projekt nach Vorlage der entsprechenden Unterlagen frühzeitig in die Diskussion zur Bedarfsplanung anzumelden.
Neben den o.a. Großbaumaßnahmen sind in den letzten Jahren an den Standorten der MüK weitere, durch den Geschäftsbereich Bau und Technik der MüK gesteuerte Maßnahmen fortgeführt bzw. initiiert worden. Neben den bekannten Maßnahmen zur Brandschutzsanierung an den Standorten gehört hierzu auch die 1999 mit Beschluss der Vollversammlung begonnene schrittweise Sanierung der 1972 erstellten Gebäudeinfrastruktur des Standortes Neuperlach. Verabschiedet wurden bis heute der Bauabschnitt 1 (2001; förderfähige Gesamtkosten von 20,2 Mio. Euro) mit Sanierung von Räumen auf den Ebenen 1 bis 6, dem Umbau der OPs und der Neugestaltung des nördlichen Zugangs mit einer Stahlfachwerk-Glaskonstruktion sowie der Bauabschnitt 2 (2009; geplante Gesamtkosten 42 Mio. Euro) mit Umstrukturierung der Pflegestationen, Neuordnung der Erweiterung der Notaufnahme und Konzentrierung der Intensivpflege auf die Ebene 3. Der Umbau der Intensivstation wird als Einzelmaßnahme mit Abschluss in 2022/2023 fortgeführt. Die Baumaßnahmen am BA 2 waren beeinflusst von ungeplanten Schadstoffsanierungsmaßnahmen und Insolvenzen von Planern und bauausführenden Unternehmen.
In der jetzt erstellten 10-Jahresplanung wurde die MüK dann beauftragt, im Rahmen eines Risikoszenarios mögliche, in dem Planungszeitraum möglicherweise relevante Sachverhalte darzustellen. In diesem Zusammenhangwurden natürlich auch eventuell erforderliche und absehbare Maßnahmen aufgenommen.
Die einzelnen Fragen beantwortet die MüK wie folgt:
Frage 1:
Wie begründen sich die Kosten in Höhe von 64 Millionen Euro und welche konkreten Maßnahmen stehen dahinter?
Antwort:
Nach 50 Jahren Betrieb im 24/7-Modus muss davon ausgegangen werden, dass in den nächsten 10 Jahren wesentliche Teile der technischen Infrastruktur, die das Herz- und Nervensystem des Gebäudes darstellen, grundsätzlich erneuert werden müssen. Nachdem die technische Infrastruktur über 40% der Kosten eines Krankenhausbaus ausmacht, wurde anhand von Kennwerten im Rahmen der Unternehmensplanung eine Schätzung möglicher Kosten abgeleitet. Wenn man für einen Krankenhausneubau in der Größe des Klinikums Neuperlach in der 2. Hälfte dieses Jahrzehnts mit einem Volumen von ca. 200 Mio. Euro ausgehen muss, ergibt sich ein Richtwert von ca. 80 Mio. Euro. In dem Risikoszenario wurde davon ein Abschlag von 20 Prozent wegen dem vorhandenen Bestand als Erfahrungswert geschätzt.
Frage 2:
Hätten diese Maßnahmen bei der Sanierung nicht mit eingeplant und erledigt werden können?
Antwort:
Im Jahr 1999 wurde für das Klinikum Neuperlach mit Beschluss der Vollversammlung die schrittweise Sanierung der 1972 erstellten Gebäudeinfrastruktur begonnen. Verabschiedet wurden bis heute der Bauabschnitt 1 (2001; förderfähige Gesamtkosten von 20,2 Mio. Euro) mit Sanierung von Räumen auf den Ebenen 1 bis 6, dem Umbau der OPs und der Neugestaltung des nördlichen Zugangs mit einer Stahlfachwerk-Glaskonstruktion und der Bauabschnitt 2 (2009; geplante Gesamtkosten 42 Mio. Euro) mit Umstrukturierung der Pflegestationen, Neuordnung der Erweiterung der Notaufnahme und Konzentrierung der Intensivpflege auf die Ebene 3. Der Umbau der Intensivstation wird als Einzelmaßnahme mit Abschluss in 2022/2023 fortgeführt. Die Baumaßnahmen am BA 2 waren beeinflusst von ungeplanten Schadstoffsanierungsmaßnahmen und Insolvenzen von Planern und bauausführenden Unternehmen. Insofern handelt es sich beiden in den nächsten Jahren anstehenden Maßnahmen um einen 3. Bauabschnitt.
Frage 3:
Wenn die Maßnahmen zum Zeitpunkt der Sanierung schon bekannt waren, wer trägt die Verantwortung dafür, dass sie nicht schon im Voraus mit geplant und durchgeführt wurden?
Antwort:
Die jetzt anstehenden Maßnahmen liegen außerhalb des zum damaligen Zeitpunkt betrachteten Zeitraums. Dieser endete ursprünglich mit dem geplanten Abschluss der Sanierung des Klinikums Bogenhausen im Jahr 2025.
Ein Gebäude, das 365 Tage im Jahr 24 Stunden in Betrieb ist, ist üblicherweise nach 30 Jahren zu ersetzen. Das Klinikum Neuperlach ist schon 50 Jahre in Betrieb. Dies ist nur bei einer kontinuierlich durchgeführten, sachgerechten Wartung und Instandhaltung möglich. Trotzdem kommt es aber zu dem Bedarf an größeren Sanierungsmaßnahmen, die nunmehr ab der 2. Hälfte dieses Jahrzehnts zu erwarten sind. Wann und wie diese konkret in eine Planung einfließen, wird nach der Vorlage der Zielplanung zu entscheiden sein.
Frage 4:
Bereits Ende 2020 meldete die München Klinik die zusätzlichen Kosten an: warum wurde der Stadtrat erst Ende April/Anfang Mai über die erhebliche Kostensteigerung informiert?
Antwort:
Im Rahmen der Erstellung des Unternehmensplans für den Zeitraum 2021 bis 2030 wurde die MüK beauftragt, ein Szenario mit möglichen Risiken, die zu einem weiteren Kapitalbedarf führen können, zu erstellen. Mit diesem Ansatz wurden alle Standorte nochmals betrachtet. Für Schwabing lag im Oktober 2020 eine Zielplanung vor, die auch in der Planung berücksichtigt wurde. Für Neuperlach wurde die o.a. Kalkulation durchgeführt und als Teil der Unternehmensplanung zuerst mit dem seinerzeit zuständigen Betreuungsreferat Stadtkämmerei und dann mit dem Aufsichtsrat der MüK beraten. Die daraus erforderlichen Beschlüsse der Gesellschafterin wurden dann im geordneten Geschäftsablauf beantragt und gefasst.