Gericht kassiert Entscheidung des Umweltreferats – Fragen zur Genehmigungspraxis im RKU
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Professor Dr. Jörg Hoffmann, Gabriele Neff, Richard Progl und Fritz Roth (FDP BAYERNPARTEI Stadtratsfraktion) vom 19.8.2021
Antwort Christine Kugler, Referentin für Klima- und Umweltschutz:
Ihrer Anfrage liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
„Auf unsere Anfrage vom 7.4.2021 („Kein Sauter-Rabatt: Zweite Genter- Straße in der Schillerstraße verhindern und wasserrechtliche Genehmigungen gründlich prüfen“) antwortete die Stadtbaurätin, dass es keine Bevorzugung von Klienten bekannter Promikanzleien gäbe und jeder Zweifel an einer rechtsstaatlichen Verwaltungspraxis strikt zurückgewiesen werde. Die Presseberichterstattung vom 7.8. und 10.8.2021 wirft jedoch Zweifel an dieser Antwort auf.
Danach hat das Verwaltungsgericht München (VG) am 4.8.2021 genau diejenige wasserrechtliche Erlaubnis des Referats für Klima- und Umweltschutz (RKU), deren Erlass der Anlass zu unserer Anfrage war, als rechtswidrig qualifiziert, weil diese den Nachbarn gegenüber rücksichtslos sei. Das RKU hatte diese rechtswidrige Erlaubnis zudem entgegen den gesetzlichen Vorgaben mit Sofortvollzug versehen, weil dem Investor angeblich andernfalls finanzielle Schäden entstünden. Das VG hat diese Rechtsauffassung als nicht vertretbar bezeichnet. Sonst stünde der risikofreudige Bauherr immer besser da als derjenige, der sich an Recht und Gesetz hält. Uns liegen Informationen vor, dass der Investor zunächst beantragt hatte, einen Grundwasseraufstau in die Kanalisation abzuleiten, obwohl die Sat- zung der MSE (Münchner Stadtentwässerung) dies unter § 15, Abs. 2, Punkt 7 ausdrücklich verbietet. Auch soll von der Leitungsebene des RKU vehement Druck auf die MSE ausgeübt worden sein, damit diese dem Verstoß gegen die eigene Satzung zustimmt. Befremdlich ist darüber hinaus, dass eine Führungskraft auch die – vom VG kassierte – Erlaubnis selbst unterzeichnet haben soll, obwohl üblicherweise der Sachbearbeiter die Genehmigung ausfertigt. Als Chef der Stadtverwaltung ist der Oberbürgermeister auch für die Einhaltung von Recht und Gesetz in den Referaten zuständig.“
Die aufgeworfenen Fragen beantwortet das Referat für Klima- und Umweltschutz wie folgt:
Frage 1:
Wie oft wurde in den letzten 10 Jahren von der Stadtverwaltung eine wasserrechtliche Erlaubnis mit Sofortvollzug erteilt?
Antwort:
In den letzten 10 Jahren wurden ca. 5 wasserrechtliche Bescheide mit Sofortvollzug versehen, wovon einer vor dem Verwaltungsgericht angefochten wurde. Der Bescheid hielt aber der gerichtlichen Überprüfung stand.
Frage 2 (korrigiert aufgrund E-Mail vom 23. September 2021):
Wurde seitens des RKU bzw. RGU in den letzten 10 Jahren ein Verwal- tungsakt erlassen und mit Sofortvollzug versehen, weil der Erlaubnisempfänger angab, andernfalls wirtschaftliche Einbußen zu erleiden?
Antwort:
Neben der Schillerstraße 3/3a wurden vier weitere wasserrechtliche Erlaubnisse für Bauvorhaben im Grundwasser in den letzten 10 Jahren erteilt, bei denen ein Sofortvollzug angeordnet wurde. Bei allen vier Anordnungen waren mögliche finanzielle Belastungen das Hauptargument für den Sofortvollzug.
Darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass das RGU/RKU in den letzten 10 Jahren zahlreiche solche „Verwaltungsakte…mit Sofortvollzug“ erlassen hat, nicht nur im Wasserrecht, sondern auch in den übrigen Rechtsgebieten, in denen das RGU/RKU für den Vollzug von Umweltgesetzen zuständig ist.
Frage 3:
War das RKU im Vorfeld der Erlaubniserteilung vom 10.5.2021, die nun vom VG kassiert worden ist, informiert, dass die Anordnung in Sofortvoll- zug rechtswidrig wäre?
Antwort:
Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann die sofortige Vollziehung durch die Behörde angeordnet werden, wenn diese im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten liegt.
Bei der Frage, ob die sofortige Vollziehung angeordnet wird, handelt es sich immer um eine Einzelfallentscheidung. Im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung sind dabei durch die Behörde die für den Sofortvollzug sprechenden Interessen der Allgemeinheit bzw. Beteiligter und dasAufschubinteresse des Rechtsbehelfsführers einander gegenüber zu stellen und miteinander abzuwägen (vgl. auch BeckOK VwGO/Gersdorf, VwGO § 80 Rn. 101).
Dass das VG in dem Beschluss vom 4.8.2021 in diesem konkreten Einzelfall dem Aufschubinteresse des Rechtsbehelfsführers ein größeres Gewicht beigemessen hat, kam für das RKU unerwartet, da es insbesondere auch in der Vergangenheit bereits wirtschaftliche Nachteile eines Beteiligten als überwiegendes Vollziehungsinteresse einer wasserrechtlich beschränkten Erlaubnis anerkannt hat (VG München, Beschluss vom 26.9.2014 – M 2 SN 14.3784).
Frage 4:
Treffen die uns vorliegenden Informationen zu, dass die Leitungsebene im RKU Druck auf die MSE ausgeübt hat, damit diese der Einleitung in Grundwasser in die Kanalisation zustimmt?
Antwort:
Es ist nicht zutreffend, dass die Leitungsebene im RKU Druck auf die MSE ausgeübt hat, damit diese der Einleitung von Grundwasser in die Kanalisation zustimmt. Die MSE teilte hierzu mit:„Die Ihnen vorliegenden Informationen treffen nicht zu.“
Frage 5:
Wie viele wasserrechtliche Erlaubnisse wurden in den vergangenen Monaten von der Leitungsebene unterzeichnet?
Antwort:
In 2021 wurden bisher ca. 150 wasserrechtliche Bescheide erlassen. In den vergangenen Monaten wurden ca. 11 Bescheide von der Leitungsebene unterzeichnet.
Frage 6:
Nach welchen Kriterien wird entschieden, ob der Sachbearbeiter oder eine Führungskraft die Erlaubnis unterzeichnet?
Antwort:
Für die Leistung von Unterschriften besteht die Möglichkeit der Delegation von der Leitungsebene auf die nachgeordneten Ebenen im RKU gemäß der Allgemeinen Geschäftsanweisung (AGAM) der Landeshauptstadt München. Deren Vorgaben wurden im RKU umgesetzt und werden dement-
sprechend gehandhabt.
Frage 7:
Wie stellen Sie sicher, dass das RKU den Beschluss des VG München vom 4.8.2021 umsetzt und nicht mehr wasserrechtliche Erlaubnisse mit Sofortvollzug versehen werden?
Antwort:
Der Beschluss des VG München vom 4.8.2021 im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist noch nicht rechtskräftig, da sowohl das RKU als Antragsgegnerin als auch die Beigeladene Beschwerde beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) eingelegt haben. Im einstweiligen Rechtsschutz entscheidet das Gericht darüber hinaus nur im Rahmen einer überschlägigen, summarischen Prüfung und ohne Beweisaufnahme. Die endgültige Entscheidung wird erst im Hauptsacheverfahren durch ein Urteil getroffen. Über das Hauptsacheverfahren wurde bislang noch nicht entschieden.
Ob eine wasserrechtliche Erlaubnis mit Sofortvollzug versehen wird, muss stets im Einzelfall geprüft werden (vgl. Frage Nr. 3). Ein grundsätzlicher Ausschluss eines behördlichen angeordneten Sofortvollzugs wäre mit der Maßgabe einer Einzelfallprüfung nicht vereinbar.