Die vergessenen Mittelschulen: wie können schulische Sozialarbeit und Sachausstattung an Mittelschulen verbessert werden?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Marie Burneleit, Stefan Jagel, Thomas Lechner und Brigitte Wolf (DIE LINKE. / Die PARTEI Stadtratsfraktion) vom 9.7.2021
Antwort Stadtschulrat Florian Kraus:
Auf Ihre Anfrage vom 9.7.2021 nehme ich Bezug.
Für die gewährte Fristverlängerung bedanke ich mich.
Sie haben Ihrer Anfrage folgenden Text vorausgeschickt:
„In einer Eingabe an den Stadtrat über den Bezirksausschuss 09 Neuhausen-Nymphenburg, vom 15. März 2021, beklagten sich die Mittelschulen im Schulverbund Neuhausen – Schwabing über die mangelnde Sachausstattung in Corona-Zeiten, insbesondere über die mangelhafte Ausstattung mit Laptops. Zudem zeigten die Gespräche mit Schulleitungen, dass die Lernsituation der Schüler*innen an den Mittelschulen vor allem durch zwei Merkmale geprägt sind: die Schüler*innen kommen überwiegend aus finanzschwachen und bildungsfernen Haushalten und der Anteil der Schüler*innen mit Migrationshintergrund schwankt zwischen 50 bis 80 Prozent. Um soziale Benachteiligungen und die aus der Corona-Pandemie entstandenen Härten auszugleichen braucht es einerseits an Mittelschulen eine gute digitale Sachausstattung. Zum anderen ist jedoch insbesondere für eine gute Unterstützung, einen guten Betreuungsschlüssel der Schüler*in- nen durch Schulsozialarbeit zu sorgen. In besonderem Maße gilt dies für Abschlussklassen, in denen sich z.B. Sozialarbeiter*innen, welche durch das Programm JADE gefördert werden, um einen reibungslosen Übergang der Schüler*innen von der Schule in die (betriebliche) Ausbildung bemü- hen.“
Zu den von Ihnen gestellten Fragen kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Frage 1:
Wie hoch ist die Anzahl der Schüler*innen an Mittelschulen, die aktuell über die von der LHM München zur Verfügung gestellten digitalen Endgeräte verfügen können? Angabe bitte in Prozent und je nach Stadtbezirk
Antwort:
Prozentual betrachtet findet sich bei den Mittelschulen eine Spreizung bzgl. verteilter Tablets von 0% bis zu 62,9%. Im Schnitt liegt die Leihtab-let-Quote bei 22,9%. Die geringe Quote ist in den unterschiedlichen Rückmeldungen der Schulen begründet. Manche Schulen sind bzgl. der Anwendung/Einbeziehung digitaler Medien in den Unterricht noch nicht so weit, bei anderen fehlt es an der Ausstattung um diesen Unterricht anzubieten. Die Tablets/SoLe Geräte wurden unter dem Fokus der Ermöglichung von Homeschooling für Schüler*innen angeschafft.
Frage 2:
Warum findet derzeit kaum Beachtung, dass die eingereichten Medien- pläne und die entsprechenden digitalen Unterrichtskonzepte eine weit höhere Abdeckung mit Tablets nahelegt?
Antwort:
Durch das Referat für Bildung und Sport (RBS) sind mehrere Abfragen an den Münchner Schulen zur Ermittlung des Bedarfs an Leihgeräten erfolgt. Mit der Auslieferung der vierten Tranche konnten die Bedarfe der Mittelschulen vollumfänglich erfüllt werden. Um auch Schüler*innen, die zuhause über kein geeignetes Endgerät verfügen, die Partizipation am Distanzunterricht zu ermöglichen, haben das RBS und die LHM Services GmbH den Schulen zunächst in drei Tranchen 8.220 Tablets – davon 4.220 mit SIM-Karte – bereitgestellt. Zur Deckung der durch die weiterhin anhaltenden Schulschließungen zu einem Stichtag gemeldeten Bedarfe erfolgte Mitte Februar 2021 die Freigabe zur Beschaffung von weiteren 8.372 Leihgeräten. Aus dem Förderprogramm „Sonderbudget Leihgeräte“ stehen der Landeshauptstadt München Fördermittel in Höhe von 10.342.273,92 Euro zur Verfügung. Diese wurden bereits vollständig ausgeschöpft bzw. verplant. Zur Beschaffung der 8.372 zusätzlichen Leihgeräte der 4. Tranche wurden seitens der Landeshauptstadt München bereits finanzielle Eigenmittel in Höhe von 5.206.100 Euro berücksichtigt. Neben der Beschaffung von Leihgeräten sind an einigen Schulen bereits mobile Endgeräte für Schüler*innen zur Nutzung vorhanden. Zudem wurde das Jobcenter ab dem 1.2.2021 angewiesen, Kosten für Tablets, Laptops oder auch Drucker zu übernehmen, damit Kinder in Familien, die auf Grundsicherung angewiesen sind, entsprechende Geräte bekommen.
Frage 3:
Wie und in welchem Zeitrahmen kann die Versorgung der Mittelschulen mit digitalen Endgeräten, unter Beachtung der Eingabe des Schulverbunds Neuhausen – Schwabing vom 15. März 2021 und angepasst an die tatsächlichen Bedarfe, sichergestellt werden?
Antwort:
Alle von den Schulen fristgerecht gemeldeten Bedarfe an digitalen Endgeräten, konnten nach mündlicher Aussage der LHM Services GmbH gedeckt werden. Dies gilt auch für die Bedarfe der freien Träger. Ebenso wurden Bedarfe die dem Referat für Bildung und Sport im Nachgang gemeldet wurden (276 Geräte) mit digitalen Endgeräten versorgt. Somit konnte auch der Bedarf des Schulverbunds Neuhausen-Schwabing vollumfänglich gedeckt werden.
Nachdem es sich bei den Fragen 4 bis 8 Ihres Antrages um Angelegenheiten handelt, die sich im originären Zuständigkeitsbereich des Sozialreferats befinden, hat das RBS das Sozialreferat um Beantwortung Ihrer Fragen gebeten. Folgende Antworten haben wir erhalten:
Frage 4:
Wie kann die Landeshauptstadt auch unter Corona-Bedingungen für eine verbesserte Ausstattung der Mittelschulen mit „begleiteter Sozialarbeit“ analog zur Bezirkssozialarbeit (BSA) – und aus dem Programm JADE sorgen?
Antwort:
An allen Mittelschulen in München gibt es sowohl das Angebot der Schulsozialarbeit/Jugendsozialarbeit an Schulen, wie auch das Programm JADE (Jugendliche an die Hand nehmen und begleiten). Ein weiteres Angebot, analog der BSA, ist für Schulen nicht vorgesehen. Unter der Voraussetzung, dass mit begleitender Schulsozialarbeit das Aufsuchen von Schüler*innen in den Familien gemeint ist, ist anzumerken, dass schon jetzt in vielen Fällen die Mitarbeiter*innen der Schulsozialarbeit/Jugendsozialarbeit an Schulen Schüler*innen daheim aufsuchen, die weder digital noch analog erreichbar sind. Die sozialpädagogischen Fachkräfte unterstützen nach Kräften, damit Schüler*innen angebunden bleiben und somit an Bildung teilhaben können.
Bei JADE handelt es sich um ein eigenständiges Angebot mit eigenständigem Konzept, das anders als bei der Schulsozialarbeit, vorrangig auf die berufliche Orientierung ausgerichtet ist. Auch während der Corona-Pandemie waren die JADE-Fachkräfte in regelmäßigem Austausch (per Telefon oder per Mail) mit den Schüler*innen. Die Unterstützung im Übergang Schule/Beruf war auch während dieser Zeit, soweit möglich, gewährleistet. Allerdings ist festzustellen, dass in den höheren Klassen der Mittelschule mit einem Migrationsanteil von ca. 80% einige Familien während des Corona-Lockdowns in ihrem Herkunftsland die Pandemie abgewartet haben und nur schwer für Schule und Sozialarbeit bzw. JADE erreichbar waren.
Frage 5:
An wie vielen Mittelschulen sind derzeit Schulsozialarbeitsstellen eingerichtet?
Antwort:
An allen 44 staatlichen Mittelschulen und an einer privaten Mittelschule gibt es das Angebot der Schulsozialarbeit oder Jugendsozialarbeit an Schulen. Die vor Ort geleisteten Stunden richten sich nach den Maßgaben des im Stadtrat beschlossenen Rahmenkonzepts der Landeshauptstadt München für die Schulsozialarbeit an Grund-, Mittel-, Förder- und Realschulen. Dieser beträgt für den Bereich der Mittelschulen aktuell 17 Stunden bei 100 Schüler*innen.
Frage 6:
Wie viele Schulsozialarbeitsstellen sind für Mittelschulen bereits bewilligt jedoch nicht besetzt oder nachbesetzt?
Antwort:
Lediglich an einer Mittelschule ist die Schulsozialarbeit im Moment nicht besetzt. Das Besetzungsverfahren ist jedoch abgeschlossen und ab September 2021 beginnt die neue Fachkraft. An einem Standort beendet eine Fachkraft zum Schuljahresende ihre Tätigkeit, ein Stellenbesetzungsverfahren wird umgehend eingeleitet werden. Insgesamt ist den Träger*innen der Schulsozialarbeit/Jugendsozialarbeit an Schulen die Nachbesetzung offener Stellen im Bereich der Mittelschulen in der Vergangenheit immer zügig, manchmal sogar nahtlos gelungen, so dass eine Stelle in der Regel nicht länger als durchschnittlich 3 Monate unbesetzt blieb.
Frage 7:
Sind (entgegen tatsächlicher Bedarfe) Kürzungen im Rahmen der Haushaltskonsolidierung im Bereich der Schulsozialarbeit an Mittelschulen geplant?
Antwort:
Die Bedeutung der Schulsozialarbeit/Jugendsozialarbeit an Schulen als niederschwelliges Angebot der Jugendhilfe gerade auch im Hinblick auf den Kinderschutz ist unbestritten groß. Eine Planung, dieses Angebot zu kürzen, steht daher nicht im Raum und wäre auch nicht im Sinne der Jugendhilfe.
Frage 8:
Sind Stunden- bzw. Stellenkürzungen innerhalb des JADE-Programms geplant?
Antwort:
Entsprechend der Beschlussfassung des Stadtrats vom 19.11.2020 zur „Weiterführung von JADE...“ (Sitzungsvorlage 20-26/V 01426) konnte der Status Quo von JADE erhalten bleiben. Stellenkürzungen sind für die Schuljahre 2021/2022 und 2022/2023 nicht vorgesehen.
Die seit Jahren geplante Ausweitung von JADE auf Klassen, die an den Mittelschulen zum mittleren Bildungsabschluss führen, musste allerdings aufgrund von Sparmaßnahmen wieder zurückgestellt werden. Auch für die Abschlussklassen für den mittleren Bildungsabschluss und Vorbereitungsklassen wäre eine intensive Begleitung des Übergangs in den Beruf sinnvoll und dringend notwendig.