Aufteilung in Eigentumswohnungen im Erhaltungssatzungsgebiet: Sonderrechte für luxemburgischen Immobilienspekulanten?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Marie Burneleit, Stefan Jagel, Thomas Lechner und Brigitte Wolf (DIE LINKE. / Die PARTEI Stadtratsfraktion) vom 7.7.2021
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr. (Univ. Florenz) Elisabeth Merk:
Mit Schreiben vom 7.7.2021 haben Sie gemäß § 68 GeschO folgende Anfrage an Herrn Oberbürgermeister gestellt, die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung, unter Mitwirkung des Sozialreferates, wie folgt beantwortet wird.
In Ihrer Anfrage führen Sie Folgendes aus:
Am Rande des Luitpoldparks seien die Bewohner*innen des Wohnblocks zwischen Schleißheimer-, Gernot- und Bamberger Straße von der Verdrängung bedroht, da ein „Immobilienspekulant“ den Wohnblock mit Luxus-Eigentumswohnungen nachverdichten wolle.
Seit 10. April 2020 sei der Wohnblock Teil des neu geschaffenen Erhaltungssatzungsgebiets Birnauer Straße. Eine Umwandlung in Eigentumswohnungen könne eigentlich durch das Umwandlungsverbot in Erhaltungssatzungsgebieten verhindert werden. Doch nach Recherchen der Bewohner sei die Aufteilung des Wohnblocks trotzdem Mitte Dezember 2020 vollzogen worden, deutlich nach Inkrafttreten der Erhaltungssatzung. In einer BA-Sitzung sei den Mitgliedern gemeldet worden, dass sie nicht über die Abgeschlossenheitsbescheinigung informiert worden seien, obwohl dies sonst so üblich sei. Es blieben deswegen Fragen offen, wie die Umwandlung durchgeführt werden konnte und ob sie rechtens sei. Darüber hinaus solle der Innenhof der Anlage für den Bau einer Tiefgarage weichen.
Jetzt würden alle Bäume im Oktober gefällt werden mit negativen Folgen für das Mikroklima.
Frage 1:
Wurde und falls ja, wann wurde für den betroffenen Wohnblock eine Abgeschlossenheitsbescheingung beantragt? Wann wurde diese genehmigt? Wann wurde der Bezirksausschuss Schwabing-West darüber informiert?
Antwort:
Der Antrag auf Abgeschlossenheitsbescheinigung für den betroffenen Wohnblock wurde am 7.10.2019 bei der Lokalbaukommission eingereicht. Die Abgeschlossenheitsbescheinigung wurde am 23.1.2020, deutlich vorInkrafttreten der Erhaltungssatzung, erteilt.
Der Bezirksausschuss Schwabing-West wurde hierüber nicht informiert.
Frage 2:
Wann wurde die Aufteilung des Wohnblocks in Eigentumswohnungen beantragt? Wann wurde die Aufteilung genehmigt?
Antwort:
Siehe hierzu die Äußerungen zu Frage 1.
Frage 3:
Wurde die Umwandlung durch das Sozialreferat geprüft und genehmigt? Wenn ja: Aus welchen Gründen wurde die Umwandlung bewilligt?
Antwort des Sozialreferates:
Die Anwesen Schleißheimer Straße 238-244 und Gernotstraße 1-9 liegen im Umgriff der Erhaltungssatzung „Birnauer Straße“. Diese trat am 10.4.2020 in Kraft und ist unbefristet gültig.
Nach den Erkenntnissen des Sozialreferates, Amt für Wohnen und Migration, erfolgte die Aufteilung der Anwesen Schleißheimer Straße 238-244 und Gernotstraße 1-9 gemäß §§ 3, 8 des Gesetzes über das Wohnungseigentum und des Dauerwohnrechts (WEG).
Die Umwandlung von Gemeinschafts- in Sondereigentum bedarf zur Gültigkeit der geplanten Umwandlung der Auflassung und Eintragung in das Grundbuch, vgl. § 4 Abs. 1 und 2 WEG; § 925 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
Das Grundbuchamt München teilte dem Sozialreferat auf Nachfrage mit, dass für die rechtssichere Eintragung der Umwandlung der Antragseingang der Teilungserklärung beim Grundbuchamt maßgeblich ist. Dieser Antrag ist am 9.3.2020, noch vor Erlass der Erhaltungssatzung „Birnauer Straße“, im Grundbuchamt eingegangen. Nach umfangreicher Prüfung durch das Grundbuchamt erfolgte dann die Eintragung der Teilung nach §§ 3, 8 WEG im Grundbuch am 10.12.2020 ohne die Genehmigung durch das Sozialreferat, Amt für Wohnen und Migration.
Frage 4:
Wie hoch beziffert die Stadt München den Bodenwertzuwachs des gesamten Grundstückes vom Zeitpunkt des Kaufs durch Jargonnant Partners 2018 bis heute?
Antwort:
Hierzu kann seitens des Referates für Stadtplanung und Bauordnung keine Aussage getroffen werden. Detaillierte Angaben zum Bodenwertzuwachswürden umfangreiche Untersuchungen voraussetzen, die im Rahmen einer Anfrage nicht geleistet werden können. Gegebenenfalls müsste hier das Kommunalreferat separat angefragt werden.
Frage 5:
Nach Angaben der Anwohner*innen stehen seit drei Jahren Wohnungen im Wohnblock leer – der Leerstand beläuft sich mittlerweile auf rund 20 Prozent. Was hat die Stadt gegen diesen Leerstand unternommen? Wieso wurden angesichts der Wohnungsnot in München die leerstehenden Woh- nungen nicht bis zum Beginn der Baumaßnahme befristet vermietet?
Antwort des Sozialreferates:
Eine Zweckentfremdung liegt insbesondere dann vor, wenn der Wohnraum länger als drei Monate leersteht, vgl. Art. 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 des Zweckentfremdungsgesetzes (ZwEWG) in Verbindung mit § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 der Satzung der Landeshauptstadt München über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZeS). Eine Zweckentfremdung liegt jedoch dann nicht vor, wenn Wohnraum nachweislich zügig umgebaut, instandgesetzt oder modernisiert wird oder alsbald veräußert werden soll und deshalb vorübergehend unbewohnbar ist oder leer steht (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 ZeS). In der o.g. Wohnanlage sind umfangreiche Umbau- und Renovierungsmaßnahmen geplant. Hierbei handelt es sich um die Aufstockung einer Wohnanlage mit dem Neubau von 29 Wohneinheiten, Anbau von Aufzügen, Balkonen und einer Notleiteranlage und den Neubau einer Tiefgarage mit 35 Stellplätzen. Eine entsprechende Baugenehmigung wurde im Februar 2021 durch das Referat für Stadtplanung und Bauordnung, Lokalbaukommission, erteilt.
Bedingt durch den Umfang der geplanten Umbau- und Renovierungsmaßnahmen kommt es zu den genannten Leerständen, die der Eigentümerin bei den Baumaßnahmen auch zugestanden werden müssen. Es handelt sich daher derzeit um gerechtfertigte Leerstände im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 2 ZeS.
Laut Mitteilung der Eigentümerin werden zum einen die leerstehenden Wohnungen nun zügig saniert, damit diese dem Wohnungsmarkt zeitnah wieder zur Verfügung gestellt werden können. Zum anderen sollen einige der leerstehenden Wohnungen als kurzfristige Ersatz- bzw. Ausweichwohnungen für die von den Baumaßnahmen unmittelbar betroffenen Mieter*innen der Wohnanlage bereit gestellt werden. Eine befristete Vermietung der leerstehenden Räumlichkeiten bis zum Beginn der Baumaßnamen ist daher nicht möglich und kann vom Sozialreferat auch nicht gefordert werden.Der Fortgang der Umbau- und Renovierungsmaßnahmen und die anschlie-ßende Wiederbelegung der momentan leer stehenden Wohnungen wird durch das Sozialreferat, Amt für Wohnen und Migration, engmaschig überwacht.
Frage 6:
Hätte der Bau der Tiefgarage durch Stellplatzablösebeträge für die neu entstehenden Wohnungen vermieden werden können? Hat der Investor die zugehörige Behörde mit diesem Anliegen angesprochen?
Antwort:
Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung weist darauf hin, dass für das genannte Bauvorhaben 63 Stellplätze für Kraftfahrzeuge erforderlich waren.
Für den Neubau wurden mit Stellplatzvertrag vom 5.10.2020 28 Stellplätze abgelöst und 1 Stellplatz muss real in der Tiefgarage hergestellt werden. Für den Bestand sind 34 Stellplätze in der neuen Tiefgarage nachzuweisen. Die Forderung von 34 Stellplätzen resultiert aus einer Stellplatzauflage des Bestandsgebäudes, die nie erfüllt wurde. Für den Neubau wurde annähernd 100% abgelöst. Die Größe und Lage der Tiefgarage wurde in Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde so umgeplant, dass möglichst wenig Bestandsbäume gefällt werden mussten.
Frage 7:
Warum hat sich die Verwaltung über zwei Beschlüsse des Bezirksausschusses hinweggesetzt und die Abholzung der Bäume im Innenhof genehmigt? Warum wurden in der Baugenehmigung so viele Ausnahmetatbestände (z.B. hinsichtlich Abstands- bzw. Überschattungsflächen) genehmigt?
Antwort:
Der durch das zulässige Bauvorhaben ausgelöste Stellplatzbedarf bzw. die Unterbringung der aus dem Bestand resultierenden Stellplätze war ohne Eingriff in den Baumbestand nicht möglich. Natürlich bedauert das Referat für Stadtplanung und Bauordnung die erforderlichen Baumfällungen. Der Baumbestand ist aber mit seiner Umgebung stark vernetzt. Diese Vernetzung ermöglicht daher auch für Tiere Ausweichhabitate zu finden. Auch die Ersatzpflanzungen werden in einigen Jahren wieder eine Wohlfahrtswirkung entfalten können. Ein weitergehender Baumerhalt konnte im Rahmen des geltenden Baurechts nicht gefordert werden. Eine vollständige Ablösung der Stellplätze ist bei einem Wohnungsbauvorhaben kein realistischer Ansatz. Deswegen wurden für den Neubau bis auf einen,alle Stellplätze abgelöst und für den Bestand der Stellplatznachweis in der neu zu errichtenden Tiefgarage geführt. Die Erteilung einer Abweichung hinsichtlich der Abstandsflächen wurde positiv beurteilt, da das Vorhaben planungsrechtlich gemäß § 34 BauGB zulässig ist. Die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse und eine ausreichende Belichtung der Wohn- und Aufenthaltsräume bleiben gewahrt. Nach Auffassung des Referates für Stadtplanung und Bauordnung war die Abweichung daher, da die Schutzziele des Art. 6 BayBO eingehalten sind, nach pflichtgemäßem Ermessen antragsgemäß zu erteilen.