Situation von Sexarbeiter*innen in Zeiten von Corona
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Marie Burneleit, Stefan Jagel, Thomas Lechner und Brigitte Wolf (DIE LINKE. / Die PARTEI Stadtratsfraktion) vom 14.9.2021
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Thomas Böhle:
Ihre Anfrage vom 14.10.2019 wurde im Auftrag von Herrn Oberbürgermeister Dieter Reiter in Federführung dem Kreisverwaltungsreferat zur Beantwortung zugeleitet.
Ihrer Anfrage schicken Sie folgenden Sachverhalt voraus:
„Am 27. März 2020 erließ die Landesregierung die Bayerische Infektionsschutzmaßnahmen
verordnung, mit der sie flächendeckend den Betrieb von konzessionspflichtigen Prostitutionsgewerben untersagte. Am 1.7.2017 trat das Gesetz zum Schutz von in Prostitution tätigen Perso- nen (Prostituiertenschutzgesetz – ProstSchG) in Kraft. Für das Kreisverwal- tungsreferat der Landeshauptstadt München ergaben und ergeben sich daraus diverse Aufgaben.
Die Einführung des ProstSchG wurde von unterschiedlichen Positionen begleitet. Vordergründig sollte es zum Schutz von Prostituierten und Sexarbeitenden sowie gegen Gewalt und Menschenhandel eingeführt werden. Doch es gab zugleich auch Zweifel an diesem Zweck. Der mit der Einführung des Gesetzes einhergehende sogenannte ‚Hurenpass‘ würde Sexarbeitende stigmatisieren, das Gesetz viele Betroffene kriminalisieren. Weiterhin erfasst das ProstSchG nicht die Anzahl der illegal tätigen Sexarbeiter*innen, der Minderjährigen, sowie der Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution. Der überwiegende Anteil der Sexarbeiter*innen stammt aus prekären Lebenslagen und/oder aus Osteuropa, insbesondere aus Rumänien, Bulgarien, Polen, Russland, Tschechien und Ungarn. Viele dieser Sexarbeiter*innen haben keine legale Aufenthaltserlaubnis, leben in Abhängigkeitsverhältnissen und sind allein von ihren Einnahmen abhängig. Der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen weist darauf hin, dass diese Sexarbeiter*innen keinen festen Wohnsitz und keine Krankenversicherung haben sowie in den Bordellen wohnen.“
Zu den im Einzelnen gestellten Fragen teile ich Ihnen Folgendes mit:
Frage 1:
Wie viele Anträge auf Erteilung einer Erlaubnis nach § 12 ProstSchG wurden seit dem Inkrafttreten im Juli 2017 bei der Landeshauptstadt München gestellt? Bitte aufschlüsseln nach Großbordellen/Laufhäusern, FKK- und Saunaclubs, Terminwohnungen, Privatwohnungen, Escortvermittlungen, sonstigen Anbahnungsorten von Prostitution.
Antwort:
Seit Inkrafttreten des ProstSchG wurden 186 Anträge auf Erteilung einer Erlaubnis nach §12 ProstSchG gestellt. Bei den Antragseingängen wird nicht zwischen den verschiedenen Arten von Prostitutionsgewerben unterschieden und auch bei der Erlaubniserteilung wird aufgrund unterschiedlicher zu erteilender Auflagen nur zwischen Prostitutionsstätten, Escortvermittlung und Tabledance (in Form von Private/Lap Dance) unterschieden.
Frage 2:
Wie viele Anträge auf Erteilung einer Erlaubnis wurden bisher bewilligt? Bitte aufschlüsseln nach den oben genannten Arten von Prostitutionsstätten.
Antwort:
Es wurden bisher 183 Anträge auf Erteilung einer Erlaubnis nach § 12 ProstSchG genehmigt. Eine Unterscheidung nach Art der Prostitutionsstätten ist nicht möglich (siehe Antwort zu Frage 1).
Frage 3:
In wie vielen Fällen wurde die Erlaubnis mit Auflagen verbunden und welcher Art waren diese Auflagen?
Antwort:
Die Erlaubnisse werden in allen Fällen mit Auflagen verbunden. Dabei betreffen die Auflagen zum Betriebskonzept bei Prostitutionsstätten insbesondere die Zutrittsgewährung bei Kontrollen, die Anwesenheit/Erreichbarkeit des/der Betreibers/in, den zum Aufenthalt im Betrieb berechtigten Personenkreis, die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten, das Notrufsystem, die Zimmer und die Bereitstellung von Aufenthalts-/Pausenräumen.
Escortvermittlungen dürfen keine Betriebsräume für sexuelle Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Somit fehlen in diesen Bescheiden die o.g. Auflagen zu den Arbeitszimmern und Notrufsystemen. Bei Tabledancebetrieben (Private/Lap Dance) ist zudem eine Erlaubnis nach § 33 a Gewerbeordnung (GewO) für die Schaustellung von Personen mit den dafür vorgesehenen Auflagen erforderlich.
Frage 4:
Wie lange war bisher die durchschnittliche Wartezeit von der Antragstellung bis zur Bewilligung des Antrags einer Betriebserlaubnis?
Antwort:
Das ProstSchG fordert eine sehr detaillierte Zuverlässigkeitsüberprüfung sämtlicher auf Betreiber*innenseite involvierter Personen. Bereits die Übermittlung des erforderlichen Führungszeugnisses durch das Bundesamt für Justiz oder die Stellungnahme der Polizeibehörde kann je nach Arbeitsbelastung dieser Dienststellen bis zu 4 Wochen in Anspruch nehmen. Auch die baulichen sowie die technischen Anforderungen an die Prostitutionsstätten (z.B. an die Notrufsysteme) sind sehr hoch. Aufgrund fehlender Vorgaben auf Bundesebene mussten gerade die technischen Standards zum Teil erst erarbeitet werden.
Bisher dauerte ein Genehmigungsverfahren bei entsprechender Mitwirkung der Betreiber*innen daher durchschnittlich ca. 13 Wochen.
Frage 5:
Wie viele Anträge auf Erteilung einer Erlaubnis wurden bisher versagt? Bitte aufschlüsseln nach den oben genannten Arten von Prostitutionsstätten.
Antwort:
Es gab bisher 3 Versagungen.
Frage 6:
Aus welchen Gründen erfolgten Versagungen der Erteilung einer Betriebserlaubnis? Bitte die Gründe quantifizieren.
Antwort:
Die geringe Zahl der Versagungen ist auch darauf zurückzuführen, dass Antragsteller*innen zur Reduzierung der mit einer ablehnenden Entscheidung verbundenen Kosten ihren Antrag zurücknehmen können, wenn sich während des Antragsverfahrens unüberwindbare Hindernisse für eine Erlaubniserteilung zeigen.
Eine Versagung der Erlaubnis erfolgt, wenn die erforderliche Zuverlässigkeit des Betreibers oder die Zuverlässigkeit des zu prüfenden Personals nicht gegeben ist und/oder die Prostitutionsstätte nicht den rechtlichen Anforderungen genügt.
Frage 7:
Wie viele Mitarbeiter*innen (VZÄ) kümmern sich derzeit bei der zuständigen Stelle um die Bearbeitung von Anträgen zur Erlaubnis eines Prostitutionsgewerbes?
Antwort:
Insgesamt sind neben anderen Aufgaben insbesondere im Gaststättenrecht 20 Mitarbeiter*innen mit der Bearbeitung von Erlaubnisanträgen von Prostitutionsstätten bei der Abteilung Bezirksinspektionen des Kreisverwaltungsreferats betraut. Nach Abzug der anderweitigen Aufgaben stehen hierfür also ca. 6 VZÄ zur Verfügung. Näheres dazu wird unter Frage 8 ausgeführt.
Frage 8:
Hält das Kreisverwaltungsreferat die Zahl der mit der Erlaubnis von Prostitutionsgewerben befassten Mitarbeiter*innen für ausreichend?
Antwort:
Die mit dem Vollzug des ProstSchG betrauten Mitarbeiter*innen haben auch zahlreiche weitere Aufgaben: Die Genehmigung von Gaststättenanträgen, der Vollzug des Gaststättengesetzes, die Bearbeitung von Freischrankflächenanträgen sowie Kontrollen im Bereich Gaststättenwesen zählen ebenso zu deren Zuständigkeitsbereich wie die Mitwirkung bei der Organisation und Durchführung von Wahlen und Abstimmungen. Um die Einhaltung der derzeit immer noch bestehenden infektionsschutzrechtlichen Beschränkungen zu überwachen, müssen die Mitarbeiter*innen zudem regelmäßig Kontrollen auch außerhalb der regulären Dienstzeiten am Abend, nachts und am Wochenende leisten.
Durch die Einsparungsmaßnahmen im Zuge der Haushaltskonsolidierung kommt es auch hier zu personellen Engpässen. Daher muss teilweise eine Priorisierungen bei der Aufgabenerfüllung vorgenommen werden, wovon auch der Bereich Vollzug des ProstSchG betroffen ist. Dies spiegelt sich auch in der Dauer der Antragsbearbeitung wider (siehe Antwort zu Frage 4).
Frage 9:
Wie oft wurden bisher im Zusammenhang mit der beantragten Erlaubnis von Prostitutionsgewerben Kontrollen gemäß § 29 ProstSchG durchgeführt? Bitte aufschlüsseln nach den oben genannten Arten von Prostitutionsstätten.
Antwort:
Von 2018 bis Oktober 2021 wurden insgesamt 1.712 Kontrollen durchgeführt. Es gilt der Grundsatz, dass für jede Art von Prostitutionsstätte entsprechend dem Stadtratsbeschluss Nr. 14-20/V 09018 vom 26.9.2017 im Jahr 4 Regelkontrollen angestrebt werden.
Frage 10:
Wie oft wurden bisher Kontrollen gemäß § 31 ProstSchG durchgeführt?
Antwort:
Kontrollen, bei denen es um den Verdacht der illegalen Prostitution geht, werden im Regelfall von dem zuständigen Kommissariat der Polizei durchgeführt, da hier der Einsatz verschiedener Ermittlungstaktiken notwendig ist.
Frage 11:
Wie viele Ordnungswidrigkeitsverfahren nach § 33 ProstSchG wurden bislang gegenüber Betreiber*innen eines Prostitutionsgewerbes eingeleitet beziehungsweise mit welchen Ergebnissen abgeschlossen? Bitte entsprechend den Tatbeständen nach § 33 ProstSchG aufschlüsseln.
Antwort:
Nach Auswertung der Bußgeldstelle des Kreisverwaltungsreferats können folgende Daten zur Verfügung gestellt werden (aufgeschlüsselt nach Jahr und Tatbestand):
Für das Jahr 2018:
Verstoß gegen § 25 Abs. 1 Nr. 4 ProstSchG:
- Anzahl der eingegangenen Anzeigen insgesamt: 8
- Anzahl der Bußgeldbescheide: 4
- Anzahl der Einstellungen: 4
Verstoß gegen § 27 Abs. 2 ProstSchG:
- Anzahl der eingegangenen Anzeigen insgesamt: 2
- Anzahl der Bußgeldbescheide:1
- Anzahl der Einstellungen: 1
Für das Jahr 2019:
Verstoß gegen § 25 Abs. 1 Nr. 4 ProstSchG:
- Anzahl der eingegangenen Anzeigen insgesamt: 7
- Anzahl der Bußgeldbescheide: 4
- Anzahl der Einstellungen: 3Verstoß gegen § 27 Abs. 2 ProstSchG:
- Anzahl der eingegangenen Anzeigen insgesamt: 3
- Anzahl der Bußgeldbescheide: 3
- Anzahl der Einstellungen: 0
Verstoß gegen § 12 Abs. 1 ProstSchG:
- Anzahl der eingegangenen Anzeigen insgesamt: 9
- Anzahl der Bußgeldbescheide: 4
- Anzahl der Einstellungen: 5
Verstoß gegen § 17 Abs. 1 ProstSchG:
- Anzahl der eingegangenen Anzeigen insgesamt: 1
- Anzahl der Bußgeldbescheide: 1
- Anzahl der Einstellungen: 0
Verstoß gegen § 28 Abs. 1 ProstSchG:
- Anzahl der eingegangenen Anzeigen insgesamt: 4
- Anzahl der Bußgeldbescheide: 1
- Anzahl der Einstellungen: 3
Für das Jahr 2020:
Verstoß gegen § 25 Abs. 1 Nr. 4 ProstSchG:
- Anzahl der eingegangenen Anzeigen insgesamt: 16
- Anzahl der Bußgeldbescheide: 7
- Anzahl der Einstellungen: 8
Verstoß gegen § 12 Abs. 1 ProstSchG:
- Anzahl der eingegangenen Anzeigen insgesamt: 6
- Anzahl der Bußgeldbescheide: 3
- Anzahl der Einstellungen: 3
Verstoß gegen § 17 Abs. 1 ProstSchG:
- Anzahl der eingegangenen Anzeigen insgesamt: 2
- Anzahl der Bußgeldbescheide: 0
- Anzahl der Einstellungen: 2
Für das Jahr 2021 (Stand: 14.10.21):
Verstoß gegen § 25 Abs. 1 Nr. 4 ProstSchG:
- Anzahl der eingegangenen Anzeigen insgesamt: 1
- Anzahl der Bußgeldbescheide: 0
- Anzahl der Einstellungen: 1Verstoß gegen § 12 Abs. 1 ProstSchG:
- Anzahl der eingegangenen Anzeigen insgesamt: 25
- Anzahl der Bußgeldbescheide: 2
- Anzahl der Einstellungen: 10
Frage 12:
Wie viele Sexarbeiter*innen sind aufgrund der Angaben in den Anträgen für die Erlaubnis eines Prostitutionsgewerbes in München insgesamt tätig? Bitte aufschlüsseln nach den oben genannten Arten von Prostitutionsstätten.
Antwort:
In den von den Antragssteller*innen verpflichtend vorzulegenden Betriebskonzepten wird die durchschnittliche Anzahl der im Betrieb tätigen Prostituierten und die Anzahl der maximal gleichzeitig im Betrieb tätigen Prostituierten abgefragt. Auch wenn diese Angaben nicht gesetzlich verpflichtend sind, dienen diese den Sachbearbeiter*innen als Orientierungswerte für die Beurteilung, ob eine angemessene Zahl an Arbeitszimmern und Sozialräumen zur Verfügung gestellt wird. Es handelt sich hierbei um Durchschnittswerte, die dementsprechend schwanken können. Zudem kann eine Person in verschiedenen Bordellen tätig sein. Aus den in den Betriebskonzepten gemachten Angaben können daher keine belastbaren Rückschlüsse auf die Gesamtzahl der in München tätigen Prostituierten gezogen werden.
Frage 13:
Wie viele „Informations- und Beratungsgespräche“ gemäß § 7 ProstSchG wurden seit Juli 2017 in München durchgeführt? Bitte quartalsweise aufgelistet darstellen.
Antwort:
Im Zeitraum von Juli 2017 bis September 2021 wurde die nachfolgend dargestellte Anzahl von Informations- und Beratungsgespräche durchgeführt:
2017:
3. Quartal: 440 Informations- und Beratungsgespräche
4. Quartal: 889 Informations- und Beratungsgespräche
2018:
1. Quartal: 687 Informations- und Beratungsgespräche
2. Quartal: 402 Informations- und Beratungsgespräche
3. Quartal: 413 Informations- und Beratungsgespräche
4. Quartal: 298 Informations- und Beratungsgespräche
2019:
1. Quartal: 319 Informations- und Beratungsgespräche
2. Quartal: 251 Informations- und Beratungsgespräche
3. Quartal: 282 Informations- und Beratungsgespräche
4. Quartal: 215 Informations- und Beratungsgespräche
2020:
1. Quartal: 354 Informations- und Beratungsgespräche
2. Quartal: 0 Informations- und Beratungsgespräche (Bordellschließungen während des Lockdowns vom 20.3.2020 bis 27.7.2020)
3. Quartal: 218 Informations- und Beratungsgespräche
4. Quartal: 164 Informations- und Beratungsgespräche
2021:
1. Quartal: 25 Informations- und Beratungsgespräche (Bordellschließungen während des Lockdowns vom 2.11.2020 bis 22.6.2021)
2. Quartal: 45 Informations- und Beratungsgespräche (Bordellschließungen während des Lockdowns vom 2.11.2020 bis 22.6.2021)
3. Quartal: 388 Informations- und Beratungsgespräche
Frage 14:
Wie viele dieser Beratungen waren Erstberatungen? Wie viele waren Fol- geberatungen?
Antwort:
Im Zeitraum Juli 2017 bis September 2021 wurden 4.592 Erstberatungen und 798 Folgeberatungen durchgeführt.
Frage 15:
Werden die „Informations- und Beratungsgespräche“ für Sexarbeiter*innen von im Themenfeld Sexarbeit, Trauma und Diskriminierung geschulten Mitarbeiter*innen durchgeführt?
Antwort:
Die beratenden Mitarbeiter*innen wurden und werden laufend durch die Fachberatungsstellen, (insbesondere Jadwiga und Mimikry/Marikas) sowie durch behördeninterne Maßnahmen und die Polizei zum Themenfeld, Trauma, Stigmatisierung, Diskriminierung und Gewalt gegen in der Prostitution Tätige sowie Zwangsprostitution und Menschenhandel geschult.Zudem findet zu den vorgenannten Themenfeldern ein regelmäßiger Erfahrungs- und Informationsaustausch zwischen der Fachdienststelle im Kreisverwaltungsreferat, den Fachberatungsstellen sowie der Gleichstellungsstelle für Frauen im Direktorium, dem Gesundheitsreferat, dem Sozialreferat, der Polizei und dem Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales statt.
Frage 16:
Müssen Frauen* einen Mann als „Berater“ in den „Informations- und Beratungsgesprächen“ akzeptieren oder können Sexarbeiter*innen auch eine sie beratende Person* der eigenen geschlechtlichen Identität wählen?
Antwort:
In der Prostitution Tätige können eine sie beratende Person der eigenen geschlechtlichen Identität wählen.
Frage 17:
Wie viele Anmeldebescheinigungen für Prostituierte wurden seit Juli 2017 erstmals ausgehändigt, wie viele wurden verlängert?
Antwort:
Siehe Antwort zu Frage 14.
Frage 18:
In wie vielen Fällen mussten seit Inkrafttreten des ProstSchG „Maßnahmen bei Beratungsbedarf“ gemäß § 9 ProstSchG initiiert werden?
Antwort:
Das Kreisverwaltungsreferat hat seit Inkrafttreten des ProstSchG in 140 Fällen Maßnahmen bei Beratungsbedarf nach § 9 Absatz 1 ProstSchG durchgeführt und in 24 Fällen Maßnahmen nach § 9 Absatz 2 ProstSchG veranlasst.
Frage 19:
Wie viele Fälle von Zwangsprostitution konnten seit Inkrafttreten des ProstSchG durch die Teilnahme von Sexarbeiter*innen an Beratungen gemäß § 10 bzw. § 7 ProstSchG festgestellt werden?
Antwort:
Das Kreisverwaltungsreferat konnte seit Inkrafttreten des ProstSchG im Rahmen der Beratungen nach § 7 ProstSchG maßgeblich zur Aufklärung von bislang 11 Fällen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für Zwangs-prostitution vorlagen, und von 13 Fällen mutmaßlicher Zwangsprostitution beitragen. Nach Auskunft des Gesundheitsreferates wurden im Rahmen der Beratungen nach § 10 ProstSchG einzelne Fälle von Zwangsprostitution festgestellt. Diese sowie weitere Verdachtsfälle wurden zur Beratung und Betreuung an die Fachberatungsstelle Jadwiga weitergeleitet.
Frage 20:
Welche Staatsangehörigkeiten haben die Sexarbeiter*innen, die in München ihre Tätigkeit angemeldet und eine Anmeldebescheinigung für Prostituierte erhalten haben?
Antwort:
Die Staatsangehörigkeiten der in der Prostitution Tätigen, die sich in München angemeldet und eine Anmeldebescheinigung erhalten haben, setzen sich wie folgt zusammen:
- rumänische Staatsangehörigkeit 31%
- deutsche Staatsangehörigkeit 15%
- ungarische Staatsangehörigkeit 11%
- spanische/südamerikanische Staatsangehörigkeit 9%
- tschechische Staatsangehörigkeit 6%
- bulgarische Staatsangehörigkeit 4%
- sonstige Staatsangehörigkeiten 24%
Frage 21:
Welche neuen Unterstützungsbedarfe ergeben sich für die Landeshauptstadt München aus dem Verbot der Ausübung von Sexarbeit vom 27. März 2020 für die Betreuung während der Corona-Pandemie von Sexarbeiter*innen?
Antwort:
Nach Erkenntnissen des Kreisverwaltungsreferates konnten die noch 2019 in München rund 2.900 in der Prostitution Tätigen bei Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 mehrheitlich rechtzeitig in ihre Heimatländer zurückkehren. Ein weit geringerer Teil der von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie betroffenen Frauen kam in München in den rund 150 Bordellbetrieben (siehe auch Antwort zu Frage 22) oder vermutlich privat unter. Die Fachberatungsstellen beraten in der Prostitution Tätige zu allen prostitutionsspezifischen Themen und waren auch während der Lockdowns 2020 bzw. 2021 niederschwellig erreichbar. Sie informieren und unterstützen Prostituierte in ihren unterschiedlichen Belangen wie auch bei der beruflichen Neuorientierung, beim Ausstieg aus der Prostitution sowieder Entwicklung neuer Lebensperspektiven. Diese Angebote werden und wurden von den Beratungsstellen flexibel und individuell an die aktuelle Situation angepasst.
Die Fachberatungsstellen, Mimikry/Marika, Jadwiga und Solwodi berichten, dass die in der Prostitution Tätigen die Fachberatungsstellen während der pandemiebedingten Ausübungsverbote der Prostitution insbesondere hinsichtlich des neu entstandenen Unterstützungbdarfes bei der Beantragung wirtschaftlicher Corona-Hilfen und sonstiger finanzieller Überbrückungsmittel aufsuchten.
Frage 22:
Welche Bedarfe ergeben sich aus Sicht der Verwaltung aus dem Verbot der Ausübung von Sexarbeit vom 27. März 2020 für die Sexarbeiter*innen?
Antwort:
Die pandemiebedingten Schließungen der Prostitutionsstätten, Bordelle und ähnlicher Einrichtungen hat für alle Betroffenen auch längerfristige existenzbedrohende Auswirkungen mit sich gebracht. Diese Situation führte bei den Fachberatungsstellen in einem hohen Maße zu Beratungsleistungen zu sozialrechtlichen, psychosozialen und insbesondere wirtschaftsabsichernden Bedarfen von in der Prostitution Tätigen (siehe auch Antwort zu Frage 21). Darüber hinaus konnten die Fachberatungsstellen, insbesondere Jadwiga, Mimikry und Solwodi Mittellose mit dem Notwendigsten für den Alltag versorgen.
Das Kreisverwaltungsreferat fertigte flankierend mehrsprachige Handzettel, die Hinweise und Informationen zu Rückführungen in die Heimatländer, Anlaufstellen zu wirtschaftlichen Hilfen und Notversorgungen enthielten, und händigte diese anlässlich von Außendiensten sowie über die Fachberatungsstellen und die Polizei an die von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie Betroffenen aus.
Vor dem Hintergrund der beginnenden Corona-Krise 2020 hat das Kreisverwaltungsreferat darüber hinaus in enger Abstimmung mit dem Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales eine Neubewertung der Auslegung des Übernachtungsverbotes in Prostitutionsstätten nach § 18 Abs. 2 Nr. 7 Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) vorgenommen. Damit konnten die wenigen in München verbliebenen, in der Prostitution Tätigen in einigen der rund 150 Bordellbetriebe, teilweise unentgeltlich oder vergünstigt, unterkommen und so eine Wohnungslosigkeit vermieden werden.
Frage 23:
Wurde für Sexarbeiter*innen in München eine Aufhebung des Zwangs zum persönlichen Erscheinen beim Gesundheits- und beim Kreisverwaltungsreferat erlassen?
Antwort:
Während der Lockdowns 2020 und 2021 war die Ausübung der Prostitution als nicht privilegierte körpernahe Dienstleistungen nach allen Fassungen der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung untersagt. Nachdem zu dieser Zeit kein Bedarf für Neuanmeldungen nach
§ 3 ProstSchG oder Verlängerungen von Anmeldebescheinigungen nach § 5 Abs. 5 ProstSchG bestand, hat sich die Frage nach der Aufhebung der persönlichen Anmeldepflicht nach § 3 Abs. 1 ProstSchG in dieser Zeit nicht gestellt.
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten.