Grundwasserproblematik Osterwald-/Genter Straße
Anfrage Stadräte Alexander Reissl und Thomas Schmid (CSU) vom 7.8.2020
Antwort Christine Kugler, Referentin für Klima- und Umweltschutz:
Zunächst bitte ich die verzögerte Beantwortung zu entschuldigen. Ihrer Anfrage liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
„Seit längerem steht das Grundwasser in dem genannten Bereich sehr hoch. Dadurch werden Keller von Wohnhäusern überschwemmt. In dem Anwesen Genter Straße 13 tritt das Phänomen laut Bewohnern bereits seit 2015 auf, weitere Anwesen sind nach und nach dazugekommen. Unmittelbar nördlich der Anwesen an der Genter Straße verläuft ein 5m mächtiger Regenwasser-Entlastungskanal der Münchner Stadtentwässe- rung, genehmigt mit wasserrechtlichem Bescheid von 1987. Am Freitag, 17. Juli waren auf Einladung des Bezirksausschusses 12 Mitglieder des Stadtrates vor Ort.“
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage zur Beantwortung zugeleitet. Die darin aufgeworfenen Fragen beantworte ich unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Münchner Stadtentwässerung (MSE) und des Wasserwirtschaftsamtes München (WWA).
Über den Sachstand wurde zuletzt in der Sitzung des Umweltausschusses vom 8.12.2020 ausführlich berichtet und intensiv diskutiert. Außerdem wurde zu dieser Thematik ein Änderungsantrag beschlossen, der zu einer kostengünstigen und wenig langwierigen Bewertung der vorliegenden Rechts- und Fachgutachten, sowie mittels Mediationsverfahren zu einer außergerichtlichen Einigung führen soll.
Ihre Fragen beantworte ich vor diesem Hintergrund wie folgt:
Frage 1:
Wie hoch ist in dem Gebiet zwischen Isar, Isarhangkante Biederstein und Mittlerem Ring der HW 40?
Antwort:
Auf den für München und insbesondere im betroffenen Gebiet relevanten Höchstgrundwasserstand (HW1940) wurde in der Beschlussvorlage Nr. 20-26/V 02099 vom 8.12.2020 unter Punkt 2 „Hydrogeologische Situation und anthropogene Einflüsse“ ausführlich eingegangen. Darauf darf ich verweisen.
Frage 2:
Wie haben sich die Grundwasserstände an den vorhandenen Pegeln in den letzten Jahren entwickelt?
Antwort:
Auf diese Frage wurde in der Beschlussvorlage Nr. 20-26/V 02099 vom 8.12.2020 ebenfalls unter Punkt 2 ausführlich eingegangen. Daneben hat der von der Stadt München beauftragte Gutachter (vgl. Anlage 4 des Beschlusses) detaillierte Aussagen zu den relevanten Grundwassermessstellen getroffen. Die Grundwasserstände wurden ab 1982 im Gutachten vom 18.11.2020 betrachtet und bewertet.
Daneben erhalten Sie eine Graphik der neuesten Grundwasserstände zum Stand 7.12.2020, aus der eine grundsätzlich fallende Tendenz der Grundwasserstände sowohl am Kleinhesseloher See (EGP 100, 103 und 114), als auch im Bereich Imhofstraße/Beltweg (U 9 198 und NS 395) und Genter Straße (KP 1726) festzustellen ist.
Frage 3:
Gibt es dabei Auffälligkeiten, zum Beispiel in Bezug zu Starkregenereignissen, zu Isarhochwasser?
Antwort:
Aufgrund des geringen Grundwasserflurabstandes im Bereich der Osterwald-/Genter Straße reagiert der obere quartäre Grundwasserleiter bei Starkregenereignissen durch einen schnell ansteigenden Grundwasserstand. Dabei kann das Grundwasser um bis zu 40 cm (siehe Pegel NS 395) innerhalb weniger Tage ansteigen.
Generell spielen Wechselbeziehungen zwischen der Isar und dem Grundwasser eine Rolle in der jüngsten hier ausgebildeten geologischen Stufe, dem Isaralluvium. Im Gebiet zwischen der Isar, Isarhangkante Biederstein und Mittlerem Ring hat sich jedoch die Isar bereits in tiefere Schichten (dem sog. Tertiär) eingeschnitten, so dass sie hier allgemein als Grundwasservorfluter fungiert. Links der Isar tritt das Grundwasser meist diffus von den Schotterterrassen ins Alluvium über und fließt letztlich in die Isar hinein, so dass man von exfiltrierenden Verhältnissen ausgehen kann. Das große Isarhochwasser von August 2005 hatte daher keine Auswirkungen auf den Grundwasserstand der Messstelle NS 395. Daher geht das Referat für Gesundheit und Umwelt, seit dem 1.1.2021 das Referat für Klima- und Umweltschutz (RKU) davon aus, dass bei einem entsprechenden Isarhochwasser nur isarnahe Bereiche im Englischen Garten vom Isarhochwasserbetroffen wären. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass bei noch größeren Hochwasserereignissen weitere Gebiete betroffen wären.
Frage 4:
Die MSE baut nördlich und südlich des Regenentlastungskanals neue Pegel, wann können Stände dieser neuen Pegel übermittelt werden?
Antwort:
Von der MSE wurden die Grundwassermessstelle KP 1723, 1726 und 1727 im August 2020 errichtet und die Auswertung der Messwerte im Gutachten vom 18.11.2020 berücksichtigt. Allerdings weist der Gutachter darauf hin, dass aufgrund der kurze Datenreihe von Mitte August bis Mitte November 2020 die Interpretation der Werte im Kontext mit längeren Messwertreihen erfolgen sollte, um seriöse Bewertungen treffen zu können.
Frage 5:
Ist es technisch und rechtlich möglich, das Wasser, das aus Kellern abgepumpt wird, provisorisch und temporär in den Regenwasser-Entlastungskanal einzuleiten?
Antwort:
Es ist technisch grundsätzlich möglich, aus Kellern abgepumptes Grundwasser temporär in den Regenauslasskanal einzuleiten. Dies könnte über einen bestehenden Schacht erfolgen. Ob dadurch die erwünschte Wirkung einer vorübergehenden Trockenlegung der Keller erreicht werden kann (das Wasser dürfte stetig in die Keller nachfließen, solange der Grundwasserstand über der Kellersohle liegt) und ob dies den dafür erforderlichen technischen und finanziellen Aufwand rechtfertigt, ist fraglich. Gleiches gilt für die Auswirkungen einer solchen Maßnahme insbesondere auf die bestehenden Anlagen, die Statik der betroffenen Gebäude sowie Auswirkungen auf die Ökologie und das Grundwasserregime.
Zudem muss geprüft werden, ob das aus Kellern und Garagen abgepumpte Wasser aufgrund der nicht auszuschließenden und möglicherweise gewässerschädigenden Verschmutzung einer Vorreinigung bedarf. Die wasserrechtliche Genehmigung des Regenauslasskanals umfasst die Entlastung von Schmutz- und Niederschlagswasser im Starkregenfall. Hierbei handelt es sich um seltene Einzelereignisse, bei denen stark verdünntes Mischwasser in die Isar eingeleitet wird. Eine dauerhafte Einleitung oder die Einleitung von Grundwasser ist auf Grundlage der vorhandenen Genehmigung grundsätzlich nicht zulässig. Tolerierbar und wasserrechtlich genehmigungsfähig wäre allenfalls eine vorübergehende, temporär begrenzte Einleitung zur Abwendung einer Notsituation.
Frage 6:
Ist es technisch und rechtlich möglich, das Wasser, das aus Kellern abgepumpt wird, provisorisch und temporär in den Schwabinger Bach und die Schwarze Lacke einzuleiten?
Antwort:
Prinzipiell ist es technisch möglich, das aus Kellen abgepumpte Wasser in ein Oberflächengewässer einzuleiten, sofern auch der Unterhaltungspflichtige (Freistaat Bayern bzw. Baureferat) dem Vorhaben zustimmt. Dabei muss aber berücksichtigt werden, dass es sich um verschmutztes Grundwasser handelt, das länger in Garagen bzw. Kellern stand. Aus wasserrechtlicher und wasserwirtschaftlicher Sicht ist daher eine Vorreinigung zwingend erforderlich, um den Lebensraum verschiedener Arten im Gewässer vor einer Verschmutzung und deren Folgen zu bewahren (Verschlechterungsverbot). Eine derartige Reinigungsanlage über Schwebstoff- und Aktivkohlefilter müsste nachweislich nicht nur Schwermetalle und Kohlenwasserstoffe, sondern auch weitere chemische Parameter abhalten und zunächst in einem Probebetrieb mit einer Einleitung in den Abwasserkanal betrieben werden. Das WWA geht von einer Wassermenge von mindestens 320 m³/Tag und Kosten inklusive Strom und dem Austausch bzw. der Entsorgung der Filteranlage von mehreren Tausend Euro während der gesamten Laufzeit einer Anlage aus. Darüber hinaus geht das WWA davon aus, dass mehrere dieser Anlagen erforderlich wären, um einen nachhaltigen Erfolg zu erzielen.
Im Übrigen steht das WWA diesem Vorschlag kritisch gegenüber, da ein Schadstoffdurchbruch nicht völlig auszuschließen ist.
Frage 7:
Kann die Stadt oder andere öffentliche Stellen den betroffenen Anwohnern technisch helfen?
Antwort:
Das RKU hat leider keinerlei eigene technische Mittel um die Anwohner*innen zu unterstützen. Das WWA hat aber angeboten, in der Angelegenheit beratend tätig zu sein.
Ein Einsatz des THW scheitert daran, dass das THW nur bei Gefahr in Verzug tätig wird und eine derartige Grundwasserabsenkung nur betreiben darf, wenn dies nicht von Privatfirmen geleistet werden kann. Ähnliches gilt für die Feuerwehr, die nur im Katastrophenfall tätig werden kann, einsolcher liegt angesichts des zu hohen, aber eben nicht „katastrophalen“ Grundwasserstands (s.o. Fragen 1 + 2 ) nicht vor.
Vom RKU und WWA werden aktuell privat organisierte Brunnenbauten zur Absenkung des Grundwassers in den betroffenen Anwesen, als schnelle und effektive Lösung, favorisiert. Derzeit sind drei Anwesen hierzu in der näheren Betrachtung, wobei ein Anwesen gegen den erteilten wasserrechtlichen Erlaubnisbescheid zum privaten Brunnenbau vor dem Verwaltungsgericht geklagt hat.
Die Graphik kann abgerufen werden unter:
https://www.ris-muenchen.de/RII/RII/ris_antrag_dokumente.jsp?risid=6172007