Bildungs- und Teilhabepaket – Auf aktuelles Urteil reagieren: Bürokratie abbauen, Kosten senken und Leistungszugang verbessern!
Antrag Stadtrats-Mitglieder Roland Hefter, Anne Hübner, Christian Köning, Christian Müller, Cumali Naz, Lena Odell (SPD/Volt-Fraktion) und Anja Berger, Mona Fuchs, Hannah Gerstenkorn, Nimet Gökmenoglu, Sofie Langmeier, Sebastian Weisenburger (Fraktion Die Grünen – Rosa Liste) vom 16.9.2020
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
Sie beantragen eine Darstellung der Verwaltungskosten der Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakets (Anteil der Stellen in allen SBH zzgl. Fachberatungen, Sachkosten usw.) inkl. Schilderung des Kostenanteils der LHM und Anteil Agentur für Arbeit im Jobcenter. Gleichermaßen bitten Sie um eine Stellungnahme, wie viel oder wenig die Einführung des BuT tatsächlich gebracht hat bzw. ob und inwieweit bereits vorher vorhandene freiwillige Leistungen neu strukturiert und ggf. bürokratischer umgesetzt werden und wurden. Sie beantragen zudem zu prüfen, ob und inwieweit es ggf. möglich ist, entstandene Mehrkosten von anderen Kostenträgern (Bund, Agentur für Arbeit) wiederzuerlangen. Gleichzeitig soll dargestellt werden, welche Schritte das Sozialreferat bzw. das Jobcenter München nun angesichts des Urteils plant und ob ggf. für die kommenden Jahre mit Kosteneinsparungen gerechnet werden kann.
Ihr Einverständnis vorausgesetzt, teile ich Ihnen zu Ihrem Antrag vom 16.9.2020 Folgendes mit:
Hintergrund dieser Gerichtsentscheidung ist eine Verfassungsbeschwerde kreisfreier Städte aus Nordrhein-Westfalen, die 2013 bei dem Bundesverfassungsgericht eingereicht wurde.
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde waren die 2012 neu getroffenen Regelungen der Bedarfe für Bildung und Teilhabe.
Die Beschwerdeführerinnen machten im Rahmen der Kommunalverfassungsbeschwerde geltend, dass die angegriffenen Vorschriften gegen das bundesrechtliche Aufgabenübertragungsverbot verstießen, weil die Regelungen, die ihnen als örtliche Träger der Sozialhilfe bereits zugewiesenen Aufgaben wesentlich verändert, erweitert und um neue Aufgaben ergänzt hätten.
Mit der Föderalismusreform wurde zuletzt die Möglichkeit einer Aufgaben-übertragung durch den Bund auf die Kommunen ausgeschlossen. Möglich ist nur eine Aufgabenübertragung durch die Länder, die nach dem Prinzip„Wer bestellt, bezahlt“ aus den neuen, aber auch erweiterten Aufgaben, den Kommunen entstehende Kosten auszugleichen haben.
Das Bundesverfassungsgericht hat mit dieser Entscheidung (Az.: 2 BvR 696/12) zur Übertragung der Aufgaben des Bildungs- und Teilhabepakets für Leistungsberechtigte nach dem SGB XII auf die Kommunen die kommunale Selbstverwaltung gestärkt. Das ist ein großer Erfolg für die Kommunen.
Das Bundesverfassungsgericht stellt nochmals eindeutig klar, dass Aufgabenübertragungen durch die Länder zu erfolgen haben und die den Kommunen dadurch entstehenden Kosten von den Ländern auszugleichen sind. Darüber hinaus dürfen auch bestehende Aufgaben nicht ohne Weiteres erweitert werden. Die Entscheidung bestätigt damit die konsequente Anwendung des im Grundgesetz verankerten Durchgriffsverbotes.
Da diese Entscheidung nur das SGB XII betrifft, gehe ich in den weiteren Ausführungen nur auf diesen betroffenen Rechtskreis ein. Die Agentur für Arbeit oder das Jobcenter sind von diesem Urteil nicht betroffen. Für den Leistungsbereich des Bildungs- und Teilhabepakets sind die Fallzahlen im SGB XII bestimmungsgemäß eher gering und beziffern sich in der Landeshauptstadt München auf ca. 200 Kinder.
Dementsprechend fielen in der Landeshauptstadt München im Jahr 2019 für den Rechtskreis SGB XII Verwaltungskosten i.H.v. 45.281 Euro an.
Seit Einführung des Bildungs- und Teilhabepakets zum 1.1.2011 gab es seitens des Gesetzgebers, aber auch der Landeshauptstadt München einige Änderungen im Gesetz bzw. im Verwaltungsverfahren, um die Leistungsgewährung transparent und unbürokratisch zu gestalten und die Inanspruchnahme zu erhöhen.
Der Antrag auf BuT-Leistungen beispielsweise umfasst bei der Landeshauptstadt München genau eine DIN-A4-Seite, auf der alle relevanten Sachverhalte vermerkt werden. Es handelt sich also nicht um seitenweises Ausfüllen von schwierigen Anträgen, sondern nur um die Angabe von tatsächlich notwendigen Sachverhalten und die Leistungen können angekreuzt werden. Es gab hier auch immer wieder Verbesserungen, wie z.B. Angabe der Telefonnummer und Verweis auf beizubringende Unterlagen. Der Antrag ist auf der Internetseite der Landeshauptstadt München abrufbar.
Zudem liegen aktuelle Flyer zu den BuT-Leistungen in verschiedenen Sprachen sowohl in den Sozialbürgerhäusern als auch bei vielen Akteur*innen aus und sind ebenfalls im Internet eingestellt.Die letzte umfassende Gesetzesänderung vom 1.8.2019, das sogenannte Starke-Familien-Gesetz, ist insgesamt als positiv zu bewerten und beinhaltete sowohl Vereinfachungen für die Verwaltung als auch den Abbau von Bürokratie bzw. Verbesserungen für die Leistungsbeziehenden. Die Erhöhung der Schulpauschale auf 150 Euro jährlich war längst überfällig und die dynamische Erhöhung ab 1.1.2021 spiegelt das tatsächliche Leben wider.
Der Wegfall der Eigenanteile bei der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung und der Schüler*innenbeförderung bedeutet eine Vereinfachung im Verwaltungsablauf sowie eine deutliche Erleichterung für die Kund*innen und alle Anbieter*innen.
Die Erhöhung der Teilhabeleistung auf monatlich 15 Euro pauschal, sobald eine Aktivität vorliegt, ist sowohl für die Verwaltung eine enorme Arbeitserleichterung als auch für die Kund*innen ein Gewinn. Es muss nur eine Aktivität nachgewiesen werden und die Leistungen gehen auf das eigene Konto, so dass auch keine Stigmatisierung mehr zu befürchten ist. Lernförderung wird nun unabhängig von einer Versetzungsgefährdung bewilligt, da nur mehr ein ausreichendes Leistungsniveau maßgeblich ist. Die Landeshauptstadt München hat auch schon vor der Gesetzesänderung hier nicht restriktiv gehandelt, so dass sich bei dieser Leistung keine Änderungen ergeben haben.
Durch die Streichung der gesonderten Antragstellung für Ausflüge, Schüler*innenbeförderung, gemeinschaftliche Mittagsverpflegung, Teilhabe und mehrtägige Klassenfahrten im SGB II und SGB XII wird eine wesentliche Vereinfachung bei der Umsetzung des Bildungspakets erreicht.
Es ist nur noch ein Extraantrag für Lernförderung notwendig. Entsprechendes gilt für die Einführung der Möglichkeit, die BuT-Leistungen nun auch als Geldleistungen zu erbringen. Durch diese Vereinfachung fallen komplizierte Abrechnungsverfahren weg und die Kund*innen können selbst über ihr Geld verfügen.
Bei der Mittagsverpflegung und eintägigen Ausflügen in Schulen sowie bei ein- und mehrtägigen Ausflügen/Mittagsverpflegung in Kindertageseinrichtungen wird weiterhin direkt mit dem Anbieter, z.B. dem Caterer abgerechnet, um die zweckgerichtete Leistung (Versorgung mit Essen und Teilnahme an Ausflügen) zu sichern.
Alle anderen Leistungen werden nun als Geldleistung an die Kund*innen erbracht.
Das Starke-Familien-Gesetz sah außerdem eine finanzielle Entlastung der Eltern im Bereich der Mittagsverpflegung vor, da der zu zahlende Eigenanteil für Sozialleistungsbeziehende aller Anspruchsgrundlagen mit Kindern inKindertageseinrichtungen und Schulen weggefallen ist. Das volle Verpflegungsgeld wird nun aus BuT-Mitteln finanziert.
In der Kindertageseinrichtungsgebührensatzung des Referates für Bildung und Sport war der zu zahlende Eigenanteil für Eltern mit Kindern in städtischen Kindertageseinrichtungen allerdings noch enthalten. Zwischen den Referaten konnte eine Änderung der Satzung erreicht werden, so dass auch in städtischen Kindertageseinrichtungen die Mittagsverpflegung wieder komplett aus BuT-Mitteln übernommen werden kann. Der Stadtrat hat dieser Satzungsänderung zugestimmt, so dass diese ab dem Kindertageseinrichtungsjahr 2020/2021 umgesetzt werden kann.
Bei diesen zahlreichen Terminen wurde zur wesentlichen Verwaltungsvereinfachung außerdem vereinbart, dass die Zentrale Gebührenstelle des RBS in ihre Anträge für das Besuchsgeld auch die Mittagsverpflegung mit aufnimmt. Das bedeutet, dass die Antragsteller*innen beim RBS das Mittagessen für ihre Kinder mit beantragen und bei Vorliegen der Voraussetzungen (SGB II, SGB XII, KiZ, WG und AsylbLG) die Mittagsverpflegung vom RBS in den Bescheid mit aufgenommen wird. Die Bescheide des RBS decken ein komplettes Kindertageseinrichtungsjahr vom 1.9. eines Jahres bis 31.8. des Folgejahres ab, so dass hier zudem keine Lücken entstehen. Die Bürger*innen müssen somit wegen der Mittagsverpflegung nicht extra in ihrem Sozialbürgerhaus vorsprechen, sondern erhalten bereits beim RBS eine positive Rückmeldung. Dadurch werden die Sachbearbeitungen in den Sozialbürgerhäusern entlastet, da die BuT-Leistung Mittagessen in städtischen Einrichtungen verwaltungstechnisch komplett vom RBS abgedeckt ist. Diese Verfahrensvereinfachung wird durch die erfolgreiche Kooperation mit dem RBS bereits ab der Satzungsänderung 9/20 praktiziert. Die verwaltungsmäßige Übergabe der Mittagsverpflegung in allen städtischen Kindertageseinrichtungen an das RBS stellt eine grundsätzliche Verbesserung für die Bürger*innen und die Verwaltung dar.
Aufgrund der Coronakrise und der daraus folgenden unregelmäßigen Beschulung ist es für das Schuljahr 2020/2021 bereits ab 5.10.2020 möglich, Nachhilfe zu erhalten. Lücken aus dem vorherigen Schuljahr können so bald geschlossen werden, damit der Anschluss an die Klasse gelingt.
Neben den Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket verfügt die Stadt München zusätzlich über verschiedene freiwillige Leistungen und Angebote für Kinder und Jugendliche. Diese Leistungen wurden auch nach Einführung des Bildungs- und Teilhabepakets beibehalten und können weiterhin nach Prüfung des vorrangigen BuT-Anspruches vom berechtigten Personenkreis in Anspruch genommen werden.Die aus Sicht des Sozialreferates beste Lösung zur bundesweiten Verbesserung der BuT-Leistungen wäre eine direkte institutionelle Förderung der Einrichtungen wie Schulen, Kindertageseinrichtungen und außerschulischen Jugendeinrichtungen. So kämen die BuT-Leistungen ohne Vorschaltung eines Verwaltungsverfahrens unmittelbar den Kindern und Jugendlichen zugute. Es wären hierbei passgenaue Lösungen möglich und der direkte Zugang der Kinder und Jugendlichen wäre gesichert.
Eine weitere Alternative wäre natürlich ein Aufschlag auf die Regelleistung. Der Gesetzgeber ist hier noch weiter gefordert.
Ich hoffe, auf Ihr Anliegen hinreichend eingegangen zu sein. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.
Bezüglich der thematisierten Klage hat der Gesetzgeber nun bis Ende 2021 Zeit eine neue Regelung zu treffen. Sobald die ersten Entwürfe dazu vorliegen, wird die Landeshauptstadt München diese prüfen und entsprechende Rückmeldungen geben. Wünschenswert wäre natürlich eine Neuregelung, bei der die Kommunen Kosten einsparen könnten. Ich gehe davon aus, dass die Umsetzung entsprechend zu Gunsten der Kommunen erfolgen wird.