„Klimagerechter Städtebau“ – Nimmt die Landeshauptstadt München am Förderprogramm des Freistaats teil?
Anfrage Stadtrat Hans-Peter Mehling (Fraktion ÖDP/FW) vom 19.8.2020
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr. (Univ. Florenz) Elisabeth Merk:
Mit Schreiben vom 19.08.2020 haben Sie gemäß § 68 GeschO folgende Anfrage an Herrn Oberbürgermeister gestellt, die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung wie folgt beantwortet wird:
In Ihrer Anfrage führen Sie Folgendes aus:
„Die Bayerische Staatsregierung hat den Projektaufruf ‚Klimagerechter Städtebau‘ veröffentlicht, in dem städtebauliche Anpassungsmaßnahmen von Kommunen mit bis zu 60% gefördert werden. Die Bewerbungsfrist endet am 31. August 2020. Inhalt der Anfrage ist, ob sich die LHM bewor- ben hat, wie die Entscheidung begründet ist, für welche Projekte der Aufruf geeignet sein könnte und wie sich die LHM positionieren könnte.“
Frage 1:
Hat sich die LHM für dieses Modellvorhaben beworben?
Antwort:
Nein, eine ausführliche Begründung finden Sie bei Frage 2.
Frage 2:
Wenn nein, weshalb nicht?
Antwort:
Der Projektaufruf „Klimagerechter Städtebau“ zeichnete sich durch eine sehr kurze Bewerbungsfrist verbunden mit einer zugleich relativ begrenzten Fördersumme 50.000 Euro aus. Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung hat sich vor dem Hintergrund der momentanen Haushaltslage entschieden, im Sinne einer effizienten Arbeitsweise zunächst auf solche Förderanträge zu fokussieren, bei denen kein oder ein nur sehr geringer Eigenanteil, bspw. durch vorhandenes Personal oder bereits genehmigte Sachmittel, eingebracht werden kann. Das Referat engagiert sich gleichwohl anderweitig intensiv für dieses Thema, das genau den Kern der planerisch-strategischen Bemühungen der Stadt- und Freiraumplanung im Referat für Stadtplanung und Bauordnung trifft, und hat sich deswegen bereits bei zahlreichen weiteren Förderprogrammen aktuell beworben. Eine Übersicht über laufende Förderanträge finden Sie unter Frage 8.
Frage 3:
Wird sich die LHM noch für das Modellvorhaben bewerben?
Antwort:
Nein, da die Bewerbungsfrist bereits abgelaufen ist. Eine ausführliche Begründung finden Sie bei Frage 4.
Frage 4:
Wenn nein, weshalb nicht?
Antwort:
Die Bewerbung war innerhalb der vergleichsweise knappen Ausschreibungsfrist um die begrenzten Fördermittel nicht möglich (siehe hierzu Frage 2).
Um dem Fördergeldgeber (Freistaat Bayern) das große Interesse der Landeshauptstadt München zu bekunden, hat Stadtbaurätin Professorin Dr. (Univ. Florenz) Merk in einem persönlichen Schreiben an Staatsministerin Schreyer (Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr) über die Entscheidung und deren Hintergründe informiert und nochmals gleichzeitig auch ein ausdrückliches Interesse an der Förderkulisse und weiteren Ausschreibungen hierzu bekundet. Auf nochmalige, direkte Nachfrage beim Freistaat stellte dieser dar, dass ein weiterer Aufruf in dieser Förderschiene seitens des Fördergeldgebers zeitnah allerdings nicht vorgesehen ist.
Grundsätzlich bemüht sich die Verwaltung intensiv um die Einwerbung von Förder- und Drittmitteln, gerade in Zeiten angespannter Haushaltslage und begrenzter Personalressourcen.
Frage 5:
Wäre ein solches Modellvorhaben, welches auch noch vom Freistaat gefördert wird, nicht ideal für klimatisch schwierige Bebauungspläne wie z.B. Freiham?
Antwort:
Förderprogramme, insbesondere auch die des Freistaats, sind so ausgelegt, dass sie innovative Vorhaben fördern. Hierunter fallen keine Vorhaben bzw. Gutachten, die die Kommune sowieso hätte durchführen müssen. Eine Förderung könnte sich somit nur auf zusätzliche, vertiefende oder flankierende Maßnahmenaspekte zu den im Folgenden ausgeführten Darstellungen beziehen.Für stadtklimatisch sensible Bereiche werden in der LHM inzwischen standardmäßig im Rahmen der Bauleitplanung vertiefende stadtklimatische Gutachten vergeben und erstellt mit dem Ziel, die lokalen und überörtlichen Luftaustauschprozesse bestmöglich zu erhalten und eine angemessene bioklimatische Situation zu gewährleisten. Als Grundlage für die Bewertung stadtklimatisch sensibler Bereiche wird die Klimafunktionskarte herangezogen, ein Fachplan, der erstmalig 2014 vom Referat für Gesundheit und Umwelt veröffentlicht wurde (https://www.muenchen.de/rathaus/Stadtverwaltung/Referat-fuer-Gesundheit-und-Umwelt/Stadtklima/Stadtklimaanalyse.html).
Im Rahmen eines solchen Gutachtens erfolgt zunächst eine modellgestützte Analyse der stadtklimatischen Ausgangssituation. In diesem Schritt werden – abhängig von der Ausgangslage und Aussage der Klimafunktionskarte – i.d.R. insbesondere die Luftaustauschprozesse in einer hohen räumlichen Auflösung analysiert und wichtige Durchlüftungsbereiche identifiziert. Je nach Planungsstand werden darüber hinaus verschiedene Bebauungsvarianten simuliert, um die stadtklimatischen Auswirkungen der Varianten zu untersuchen und sie in dieser Hinsicht zu optimieren. Aufgrund der Ergebnisse dieser stadtklimatischen Modellierungen werden Vorgaben für das entsprechende Planungsgebiet getroffen, die in die anschließenden Planungsphasen, z.B. in den Bebauungsplan, einfließen. Das betrifft bspw. wichtige Durchlüftungsachsen, die von einer Bebauung freizuhalten sind.
Dieses Vorgehen leistet einen wesentlichen Beitrag zu einer stadtklimaverträglichen und klimaangepassten Entwicklung Münchens. Entsprechende Gutachten wurden und werden für den ersten und zweiten Realisierungsabschnitt Freiham und auch für die Eggarten-Siedlung veranlasst und sind somit bereits Teil des aktuellen Verwaltungshandelns im stadtklimatischen Bereich bzw. etablieren sich Zug um Zug. Die Integration stadtklimatischer Belange in die Stadtplanung wird laufend weiterentwickelt und verbessert, dabei unterstützen v.a. die Umsetzung der Klimaanpassungsmaßnahme „Integration der Klimafunktionskarte in die Stadtplanung“ aus der Klimaanpassungskonzeption der Landeshauptstadt München von 2016 (http://www.muenchen.de/rathaus/Stadtverwaltung/Referat-fuer-Gesundheit-und-Umwelt/Stadtklima/Anpassung_an_Klimawandel.html) sowie die Bearbeitung des Forschungsprojekts „Grüne Stadt der Zukunft“ (siehe auch Frage 8). Maßnahme und Projekt werden vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung und vom Referat für Gesundheit und Umwelt gemeinsam bearbeitet.
Auch im Rahmen der Stadterweiterungsmaßnahmen Nordost und Nord sind vertiefende stadtklimatische Gutachten vorgesehen.
Frage 6:
Wäre ein solches Modellvorhaben nicht sinnvoll, um die klimatischen Auswirkungen möglicher zukünftiger Bebauungen wie die Eggarten-Siedlung oder die geplanten Maßnahmen der SEM Nordost bzw. Nord klimatisch zukunftsorientiert beurteilen zu können?
Antwort:
Siehe Antwort zu Frage 5.
Frage 7:
Sind im Modellvorhaben genannten Ziele, wie z.B. der Schutz von Boden, Wasser, Luft, Artenvielfalt und Gesundheit der Menschen nicht auch die erklärten Ziele der LHM?
Antwort:
Ja, Ziele zum Schutz von Boden, Wasser, Luft, Artenvielfalt und Gesundheit der Menschen werden auf vielfältige Weise berücksichtigt, unter anderem in der Leitlinie 10.1 (Ökologische Qualitäten entwickeln) und Leitlinie 10.2 (Ökologie – Klimawandel und Klimaschutz) der Perspektive München (http://www.muenchen.de/rathaus/Stadtverwaltung/Referat-fuer-Stadtplanung-und-Bauordnung/Stadtentwicklung/Perspektive-Muenchen/Thematische-Leitlinien.html). Darüber hinaus wurden im Maßnahmenkonzept „Anpassung an den Klimawandel“ in der Landeshauptstadt München insgesamt acht übergeordnete Ziele zur Anpassung an den Klimawandel in München entwickelt. Das Maßnahmenkonzept wurde 2016 vom Stadtrat beschlossen (siehe Sitzungsvorlagen-Nr. 14-20/V 06919).
Frage 8:
Sollte gerade die LHM hier nicht ein Vorreiter im Freistaat Bayern bei der Realisierung eines solchen Modellversuchs sein?
Antwort:
Wie in den vorangegangenen Antworten bereits erläutert, sind stadtklimatische Untersuchungen und Modellierungen zur Klimaanpassung bereits Bestandteil von Stadt-(entwicklungs-)planungen der LHM. Die LHM bearbeitet das Thema Klimaanpassung auch unabhängig von Förderungen und ist bestrebt, hierbei stets auf dem aktuellen Stand der Forschung und Technik zu agieren.
Da Förderungen aber zweifelsohne innovative Herangehensweisen vorantreiben, setzt das Referat für Stadtplanung und Bauordnung derzeit die folgenden laufenden Projekte um:
- Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt „Grüne Stadt der Zukunft“ (Herbst 2018-Herbst 2021) thematisiert, wie Maßnahmen der Klimaanpassung wirksam in der Stadtplanung verankert werden können.
- Das vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat geförderte Projekt „Sei mein Schatz“ (März 2020 – November 2021) knüpft an die Resultate des Interreg B Projekts LOS_DAMA! an und stärkt die Entwicklung stadtregionaler Landschaften.
Darüber hinaus ist die Stadt- und Freiraumplanung in drei nationale und internationale Projektanträge derzeit involviert:
- Der Projektantrag „JUSTNAture“ (Forschungs- und Innovationsprogramm HORIZON 2020) mit dem Schwerpunkten Klimaanpassung und naturbasierte Lösungen wurde am 3.9.2020 eingereicht (Sitzungsvorlage Nr. 20-26 V 00431). Bei positiver Förderzusage kann mit einer Förderquote von 100% und einer Fördersumme von über 600.000 Euro für eine Laufzeit von 4,5 Jahren gerechnet werden. Die Vorbereitungszeit für das zweistufige Bewerbungsverfahren gemeinsam mit 20 internationalen Partnern begann hier bereits im November 2019, die Erstellung des Stadtratsbeschlusses umfasste über 3 Monate.
- Der Projektantrag „Parkmeilen – Anger des 21. Jahrhunderts“ (Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat BMI und Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung BBSR) mit dem Schwerpunkt Post-Corona
Stadt – Konzepte für eine resiliente Stadtentwicklung wurde am 2.12.2020 im Ausschuss für Stadtplanung und Bauordnung beschlossen. Bei positiver Förderzusage kann mit einer Förderquote und 65% und einer Fördersumme von ca. 350.000 Euro für eine Laufzeit von 28 Monaten gerechnet werden. Die übrigen 35% stehen durch den Einsatz vorhandenen Personals und als Sachmittel für Parkmeilen mit Beschluss Nr. 14-20/ V 12629 zur Verfügung.
- Der Projektantrag „U-CAKE – Urban Climate Adaptation Knowledge Exchange“ (BMBF) mit dem Schwerpunkt auf einem europaweiten Austausch zur Klimaanpassung in der Stadtplanung wird voraussichtlich am 13.1.2021 im Ausschuss für Stadtplanung und Bauordnung aufgerufen. Bei positiver Förderzusage kann mit einer Förderquote von 100% und einer Fördersumme von knapp 200.000 Euro für eine Laufzeit von 2 Jahren gerechnet werden.
Die Anzahl der laufenden Förderprojekte und -anträge verdeutlicht, dass das Referat für Stadtplanung und Bauordnung (hier insbesondere die Abteilung Grünplanung) bereits vielfältig Fördermöglichkeiten im Bereich klimagerechter Stadtentwicklung zu nutzen versucht. Gleichzeitig ist die Stadt- und Freiraumplanung bestrebt, auch künftig möglichst intensiv innovative Themen eigenständig, aber auch durch das Einwerben von Fördermitteln voranzutreiben.