Städtebauliche Erhaltungssatzung gem. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Baugesetzbuch (BauGB) für die Münchner Innenstadt
Antrag Stadtrats-Mitglieder Marie Burneleit, Stefan Jagel, Thomas Lechner und Brigitte Wolf (DIE LINKE. / Die PARTEI Stadtratsfraktion) vom 9.11.2020
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr. (Univ. Florenz) Elisabeth Merk:
In o.g. Antrag beauftragen Sie die Verwaltung, für die Münchner Innenstadt eine städtebauliche Erhaltungssatzung zu erarbeiten und zu verabschieden.
Das Instrument der städtebaulichen Erhaltungssatzung, hier für die Münchner Altstadt als Teil der Münchner Innenstadt, wurde bereits in der Bekanntgabe „Ensemble Altstadt München; Leitlinien zum Planen und Bauen“ vom 11.11.2015 (Sitzungsvorlagen Nr. 14-20/V 04365) behandelt.
In der Bekanntgabe wurde ausgeführt, dass „das Referat für Stadtplanung und Bauordnung (...) zu der Auffassung gelangt (ist), dass der Erlass einer Gestaltungssatzung für die gesamte Münchner Altstadt, (...) auf Grund seiner geschichtlichen und (wiederauf-) baulichen Entwicklung und der dadurch bedingten Heterogenität rechtlich keine Aussicht auf Bestand hat.“
Da der Stadtrat inhaltlich bereits mit dem Punkt durch o.g. Bekanntgabe befasst wurde, sehen wir von einer beschlussmäßigen Behandlung ab und teilen Ihnen – Ihr Einverständnis vorausgesetzt – auf diesem Wege zu Ihrem Antrag Folgendes mit:
(Gestaltungs-)Erhaltungssatzungen sind städtebauliche Satzungen. Voraussetzung zum Erlass einer Erhaltungssatzung im Sinne des §172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Baugesetzbuch (BauGB) ist, dass das Gebiet eine (besondere) städtebauliche Eigenart aufweisen muss, und zwar auf Grund seiner städtebaulichen Gestalt.
Ferner muss die bauliche Beschaffenheit des Gebiets das Ortsbild, die Stadtgestalt oder das Landschaftsbild prägen. In diesem Sinne zu verstehen sind z.B. geschlossene Altstadtkerne.
In einer Gestaltungssatzung sind die jeweiligen besonderen und prägenden gestalterischen Kriterien, die durch die Satzung bewahrt werden sollen, aufzuführen. Entscheidend ist hier, dass ausschließlich städtebauliche Belange das Ziel der Erhaltung von baulichen Anlagen sind. Eine positive Gestaltungspflege, d.h. gestaltende Regelungen/Festsetzungen für neue Bauvorhaben, kann hier nicht getroffen werden. Wenn neben einer ästhe-tischen Wirkung auch eine städtebauliche Wirkung eintritt, wie insbesondere ein prägender optischer Einfluss auf den Gebietscharakter, kann § 172 BauGB Anwendung finden.
Prüfung
Die Münchner Innenstadt – so wie im Antrag formuliert – setzt sich aus dem Bereich der vom Altstadtring umfahrenden Altstadt München und Teilen der angrenzenden Gründerzeitviertel außerhalb des Altstadtrings wie südl. Bahnhofsviertel, Lehel und Ludwigs-/Isarvorstadt zusammen. Nachdem der Gegenstand des o.g. Antrag hinsichtlich des Umgriffs nicht konkretisiert ist, legen die weiteren Betrachtungen den Fokus auf den sogenannten Altstadt-Bereich, wie dies auch die „Leitlinie zum Planen und Bauen im Altstadtensemble München“ tun.
Die Münchner Altstadt wird durch vier in ihrer Stadtgestalt und städtebaulichen Grundrisse sehr unterschiedlichen Stadtvierteln geprägt. Der städtebauliche Grundriss der nach dem 2. Weltkrieg wieder aufgebauten Altstadt reicht von großmaßstäblichen Anlagen bis zu kleinteiliger Bebauung. Der Gebäudebestand mit den etwa 450 Einzelbaudenkmälern im Altstadtensemble ist Ergebnis der geschichtlichen und (wiederauf-)baulichen Entwicklung. Die jeweiligen prägenden Elemente sind im architekturgeschichtlichen Kontext zu betrachten und sind in ihrer Summe äußerst heterogen.
Wie oben ausgeführt, ist in einem Bereich zur Anwendung einer Gestaltungssatzung die städtebauliche Eigenart nachzuweisen, und zwar auf Grund seiner besonderen städtebaulichen Gestalt. Ferner muss die bauliche Beschaffenheit des Gebiets das Ortsbild, die Stadtgestalt oder das Landschaftsbild prägen.
Dies trifft auf den Bereich der Altstadt nicht zu. Der städtebauliche Charakter des beantragten Satzungsanwendungsgebietes lässt keinen gestalterisch unverwechselbaren und schützenswerten Gesamtcharakter erkennen. Diese heterogene bauliche und historische Entwicklung stellt eine äußerst hohe und unverwechselbare Qualität der Altstadt dar, ist aber kein Merkmal, der durch eine (Erhaltungs-)Satzung geschützt werden kann. Dies gilt umso mehr auch für den größeren Betrachtungsumgriff Innenstadt.
In Anbetracht der Vielzahl durchgeführter Bauvorhaben in den letzten Jahrzehnten hat sich aber gezeigt, dass eine geordnete bauliche Entwicklung auch im Sinne des Erhalts der städtebaulichen Gestalt mit den vorhandenen planungsrechtlichen Instrumentarien (einfacher Bebauungsplanin Form von Straßenbegrenzungslinien, Baulinien und Baugrenzen), den geltenden bestehenden städtischen Satzungen und Verordnungen und der „Leitlinien zum Planen und Bauen im Altstadtensemble München“ möglich ist. In Verbindung mit den denkmalrechtlichen Belangen (Einzeldenkmäler sowie das Ensemble) ist die städtebauliche Entwicklung des Gebietes auch hinsichtlich der Gestaltung und des Ortsbildes zielgerecht gewährleistet. Jede Baumaßnahme wird als Einzelfall beurteilt. Dabei wird auf Einzelbaudenkmäler, das unmittelbare Umfeld sowie auf Bestandsstrukturen und bauliche Anlagen mit besonderem Aussagewert eingegangen. In intensiver Abstimmung wurden Projekte wie „Fünf Höfe“, „Hofstatt“ und „Alter Hof“, aber auch der Umbau der Alten Akademie umgesetzt.
Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung kommt den vorangegangenen Ausführungen entsprechend zum Ergebnis, dass vom städtebaulichen Instrument der (Gestaltungs-)Erhaltungssatzung gem. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB im Sinne des Antrags kein Gebrauch gemacht wird.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.