Truderinger Acker – Woran scheiterte 2014 der Erwerb durch die Stadt?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Marie Burneleit, Stefan Jagel, Thomas Lechner und Brigitte Wolf (DIE LINKE. / Die PARTEI Stadtratsfraktion) vom 3.11.2020
Antwort Kommunalreferentin Kristina Frank:
In Ihrer Anfrage teilten Sie uns verschiedene Fragestellungen mit, woran ein Erwerb des „Truderinger Ackers“ 2014 durch die Stadt scheiterte.
Zunächst möchten wir uns für die gewährten Fristverlängerungen bedanken.
Sie bitten in diesem Zusammenhang um die Beantwortung der folgenden Fragen:
Frage 1:
2014 hatte der Bezirksausschuss Berg am Laim beantragt, den Truderinger Acker zu kaufen. Dies scheiterte laut Antwort aus dem Jahr 2017 an „unterschiedlichen Preisvorstellungen“. Wie hoch war 2014 der Bodenrichtwert für den Truderinger Acker? In welcher Größenordnung lagen die Preisvorstellungen der Eigentümer*innen? Wie hoch wird der Bodenrichtwert des Truderinger Ackers nach Schaffung des Baurechts voraussichtlich sein?
Antwort:
Bereits Mitte 2012/Anfang 2013 verhandelte das Kommunalreferat (KR) mit den Eigentümer*innen über den Erwerb einer Teilfläche aus dem Grundstück Flst. 424 der Gemarkung Berg am Laim, die für die Freilegung und den naturnahen Ausbau des Hachinger Baches benötigt wurde. Im Zuge der Verhandlungen wurde vom städtischen Bewertungsamt (BewA) ein Bewertungsgutachten erstellt. Bei den für den Erwerb vorgesehenen Flächen im südlichen Bereich des Grundstückes entlang des Bahndammes handelte es sich nach Einschätzung des BewA um Bauerwartungsland unterer Stufe. Für dieses hat das BewA einen Wert von 70 EUR/m² mitgeteilt. Die Flächen entlang der Roßsteinstraße wurden als Bauerwartungsland oberer Stufe mit einem Wert von 200 EUR/m² eingestuft. Für die restliche Fläche wurde keine Bewertung durchgeführt, da hierfür zunächst keine Erwerbsabsichten bestanden.
Da mittlerweile die Durchführung eines Bebauungsplanverfahrens für das gesamte Areal beabsichtigt war, verwiesen die Eigentümer*innen wegen der Bachflächen auf das Baulandmodell der Sozialgerechten Bodennutzung(SoBoN) und boten an, die Abtretung im Städtebaulichen Vertrag zu regeln. Die Kaufverhandlungen für die Bachflächen wurden deshalb vorerst zurückgestellt.
Der Antrag des Bezirksausschusses des 14. Stadtbezirkes vom 25.9.2014 (Antrag Nr. 14-20/B 00464), das gesamte Areal zu erwerben, wurde zum Anlass genommen, mit den Grundstückseigentümer*innen nochmals Kontakt aufzunehmen und die Erwerbsmöglichkeiten der Landeshauptstadt München an der gesamten Fläche abzufragen. In den folgenden Gesprächen stellte sich jedoch schnell heraus, dass sowohl im Hinblick auf den Kaufpreis als auch für eine von den Verkäufer*innen gewünschte partielle Rückkaufoption von realisierten Wohnungen keine Einigung möglich war. Details der Verhandlungen können aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht geschildert werden.
Zur Frage nach dem Bodenrichtwert kann mitgeteilt werden, dass dieser zum Stichtag 31.12.2014 150 EUR/m² betrug. Zum Stichtag 31.12.2018 ist der Bodenrichtwert in der Bodenrichtwertkarte ohne Wert dargestellt. Der Bodenrichtwert zum 31.12.2020 ist weder abgeleitet, noch veröffentlicht und kann deswegen auch nicht vorab mitgeteilt werden.
Frage 2:
Warum griff die Stadtverwaltung für den Erwerb nicht auf das Allgemeine Vorkaufsrecht (§ 24 Baugesetzbuch (BauGB)) zurück? Dort heißt es in (1) 5: „Der Gemeinde steht ein Vorkaufsrecht zu beim Kauf von Grundstücken im Geltungsbereich eines Flächennutzungsplans, soweit es sich um unbebaute Flächen im Außenbereich handelt, für die nach dem Flächennutzungsplan eine Nutzung als Wohnbaufläche oder Wohngebiet dargestellt ist.
Antwort:
Ein Vorkaufsrecht kann – bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen – nur dann ausgeübt werden, wenn der bzw. die Grundstückseigentümer*in das Grundstück an einen Dritten verkauft. Erwerbsverhandlungen bzw. – absichten der öffentlichen Hand können keinen Vorkaufrechtsfall begründen. Der Verwaltung liegen keine Informationen hinsichtlich eines Verkaufs der Flächen an einen Dritten im Jahr 2014 vor. Im Übrigen liegt das Grundstück nur teilweise im Umgriff der Darstellung Allgemeines Wohngebiet des Flächennutzungsplans, ansonsten sind die Flächen als Allgemeine Grünfläche bzw. Sportflächen dargestellt. Daher wären bei einem Vorkaufsrechtsfall die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Satz Nr. 5 BauGB nur teilweise erfüllt.
Frage 3:
Unter welchen Bedingungen kann das Vorkaufsrecht nach § 24 BauGB zum Tragen kommen?
Antwort:
Das gesetzliche Vorkaufsrecht nach § 24 BauGB kommt zum Tragen, wenn ein wirksamer Kaufvertrag über ein Grundstück zwischen Dritten geschlossen wurde, die weiteren Voraussetzungen der einzelnen Vorkaufsrechtstatbestände einschlägig sind, kein gesetzlicher Ausschlussgrund (z.B. Verkauf von Wohnungseigentum oder Erbbaurechten) erfüllt ist und das Wohl der Allgemeinheit die Ausübung rechtfertigt (vgl. § 24 Abs. 3 BauGB). Im Falle des Vorkaufsrechtstatbestands des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BauGB muss das im planrechtlichen Außenbereich liegende Grundstück unbebaut sein und der Flächennutzungsplan eine Nutzung als Wohnbaufläche oder als Wohngebiet darstellen. Dies ist – wie oben bereits ausgeführt – beim Truderinger Acker nur hinsichtlich einer Teilfläche der Fall.
Frage 4:
Wurde auch eine Enteignung lt. Baugesetzbuch geprüft? Dort heißt es in § 85 Enteignungszweck: (1) 2: „Nach diesem Gesetzbuch kann nur enteignet werden, um unbebaute oder geringfügig bebaute Grundstücke, die nicht im Bereich eines Bebauungsplans, aber innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile liegen, insbesondere zur Schließung von Baulücken, entsprechend den baurechtlichen Vorschriften zu nutzen oder einer baulichen Nutzung zuzuführen.“ Unter welchen Umständen kann auf eine Enteignung zurückgegriffen werden?
Antwort:
Eine sogenannte „planakzessorische“ Enteignung (§ 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB) setzt voraus, dass das Grundstück im Umgriff eines Bebauungsplanes liegt. Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben, da für die Flächen im Jahr 2014 noch kein Bebauungsplan aufgestellt war und damit keine planerischen Festsetzungen bestanden.
Auch die sonstigen, in § 85 Abs. 1 Nr. 2 bis Nr. 5 BauGB genannten Voraussetzungen, unter denen die Enteignung von Flächen Privater möglich sein kann, liegen für das Areal des „Truderinger Ackers“ nicht vor. Insbesondere sind die Voraussetzungen des in der Anfrage angesprochenen
§ 85 Abs. 1 Nr. 2 BauGB nicht erfüllt. Der Begriff des „im Zusammenhang bebauten Ortsteils“ ist deckungsgleich mit dem in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB verwendeten Begriff, mit dem der sog. unbeplante Innenbereichdefiniert wird. Auch wenn das Areal des „Truderinger Ackers“ innerhalb des städtischen Siedlungsgebiets liegt, ist es aufgrund seiner Größe nicht Teil des unbeplanten Innenbereichs, sondern stellt einen Fall des sog. „Außenbereichs im Innenbereich“ dar. Dieser bedarf einer gesonderten bauplanerischen Ordnung, wie durch den zur Billigung beschlossenen Bebauungsplan Nr. 2127 (A) dokumentiert wird. Insoweit kann für das Areal auch keine Enteignungsmöglichkeit nach § 85 Abs. 1 Nr. 2 BauGB angenommen werden.
Frage 5:
Laut Zeitungsberichten möchte die GEWOFAG etwa 200 geförderte Wohnungen erwerben, die am „Truderinger Acker“ entstehen sollen. Welcher Bodenpreis wird diesem geplanten Ankauf zugrunde gelegt?
Antwort:
Die GEWOFAG teilt mit, die zugrundeliegenden Bodenwerte entwachsen der SoBoN-Berechnung der Landeshauptstadt München. Zur Höhe der Bodenrichtwerte vgl. bereits Frage 1.
Frage 6:
Wird der geplante Wohnungserwerb preisgünstiger ausfallen als ein Grundstückskauf im Jahr 2014 mitsamt eigenständiger Bebauung durch die GEWOFAG?
Antwort:
Die GEWOFAG teilt mit, dass ein wirtschaftlicher Vergleich, der in die Vergangenheit reicht, schwierig sei. Wohl lagen die Grundstückspreise 2014 unter dem heutigen Niveau, allerdings unterlagen diese zwischenzeitlich auch allgemeinen Preissteigerungen. Zudem seien die damaligen Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten nicht vergleichbar, da das Zinsniveau in 2014 bedeutend höher lag als heute.