Wird ein fossiles Grosskraftwerk GuD 3 ohne Stadtratsbeteiligung voran getrieben?
Anfrage Stadträte Stefan Jagel (DIE LINKE. / Die PARTEI Stadtratsfraktion) und Tobias Ruff (Fraktion ÖDP/FW) vom 19.3.2021
Antwort Clemens Baumgärtner, Referent für Arbeit und Wirtschaft:
In Ihrer Anfrage vom 19.3.2021 führten Sie als Begründung aus: „Bis heute hat der Stadtrat der Landeshauptstadt München die Stadtwerke München (SWM) durch keinen einzigen Stadtratsbeschluss beauftragt und/ oder bevollmächtigt, ein neues Erdgas-betriebenes Großkraftwerk (GuD3) am Standort HKW Nord genehmigen zu lassen, zu errichten und zu betreiben. Trotzdem haben die SWM Ende letzten Jahres das Genehmigungsverfahren für die GuD3 eingeleitet und die nötigen Unterlagen an die Regierung von Oberbayern übermittelt.
Angesichts der sich immer weiter verschärfenden Klimakrise hat der Stadtrat Ende 2019 den Klimanotstand ausgerufen und beschlossen, dass größere Projekte künftig einer ‚Klimaneutralitätsprüfung‘ zu unterziehen sind. Eine solche Prüfung hat für die geplante GuD3 nicht stattgefunden. Der Stadtrat hat ferner beschlossen, dass die Verwaltung der Stadt (inklusive aller ihrer Beteiligungsgesellschaften) bis 2030 ‚klimaneutral‘ sein werde; dies gilt auch für die SWM als 100%-ige Tochtergesellschaft der LHM. Da das Genehmigungsverfahren zum Bau des neuen Gasgroßkraftwerkes schon eingeleitet wurde und dieses getroffenen Stadtratsbeschlüssen entgegenstehen könnte, müssen offene Fragen schnellstmöglich geklärt und der Stadtrat mit dem Thema befasst werden.“
Die in Ihrer Anfrage gestellten Fragen können wie folgt beantwortet werden:
Frage 1:
Wie ist es zu vertreten, dass die SWM – entgegen einschlägiger Stadtratsbeschlüsse und ohne Prüfung der Klimarelevanz – weiterhin ein fossil befeuertes Großkraftwerk vorantreiben und das Genehmigungsverfahren dafür begonnen haben?
Antwort:
Der Stadtrat wurde am 10. und 19.11.2020 mit dem Konzept für den Ersatz von Block 2 am HKW Nord befasst. In der Stadtratsvorlage wurde ausgeführt, dass die verschiedenen Anforderungen, die an einen Ersatz des Kohleblocks gestellt sind, am besten durch eine GuD-Anlage mit mehreren Gasturbinen und maximal ausgebauter Wärmeauskopplung erfüllt werden können. Es wurde weiterhin ausgeführt, dass die Planungen bereits laufenund dass die Anlage mit Erdgas in Betrieb genommen werden soll. Allerdings soll sie – vorbehaltlich der weiteren technischen Entwicklungen – sukzessive auf grünen Wasserstoff umgestellt werden.
Frage 2:
Wie sollen die SWM mit dem geplanten Bau der Erdgas-GuD3 im HKW Nord bis 2030/2035 „klimaneutral“ werden?
Antwort:
Durch die geplante, sukzessive Umstellung auf grünen Wasserstoff kann Klimaneutralität erreicht werden.
Frage 3:
Inwiefern ist geplant, den Stadtrat in die Debatte zum GuD3 miteinzubeziehen?
Antwort:
Der Stadtrat hat das Thema bereits behandelt (siehe Antwort zu Frage 1).
Frage 4:
Haben die SWM – mündlich oder schriftlich – der Gemeinde Unterföhring tatsächlich ein Angebot unterbreitet, eine mögliche GuD3 nach 20 Betriebsjahren vorzeitig stillzulegen, falls bis dahin keine erneuerbaren Gase zur Verfügung stehen?
Antwort:
Die SWM haben der Gemeinde Unterföhring sowohl mündlich als auch schriftlich im Februar 2021 einen Vorschlag unterbreitet, der es der Gemeinde ermöglicht, den Einsatz von fossilen Brennstoffen in einer neuen GuD-Anlage verbindlich zu begrenzen. Die SWM würden vertraglich zusichern, dass die Anlage spätestens ab einem festgelegten Zeitpunkt (Vorschlag war nach 20 Jahren Laufzeit) entweder vollständig CO2-frei betrieben oder stillgelegt und zurückgebaut wird.
Frage 5:
Wenn Ja: Wer hat die Geschäftsführung der Stadtwerke beauftragt oder bevollmächtigt, der Gemeinde Unterföhring ein solches Angebot zu unterbreiten?
Antwort:
Das Angebot entspricht dem in der Stadtratsvorlage vom 10./19.11.2021 vorgestellten Konzept.
Frage 6:
Falls dies ohne Einbindung der Stadt stattfand: Entspricht das eigenmächtige Vorgehen der SWM-Geschäftsführung in diesem Vorgang den Regularien der Stadt?
Antwort:
Siehe Antwort zu Frage 5.
Frage 7:
Planen die SWM aktuell eine vollständige Umstellung der möglichen GuD3 auf den Betrieb mit erneuerbaren Gasen bis spätestens 2035? Aufgrund welcher Fakten halten es die SWM für wahrscheinlich, dass die GuD3 bis dahin zu 100% CO2-neutral betrieben werden kann?
Antwort:
Die zukünftig CO2-neutrale Erzeugung der Fernwärme der SWM wird umfassend in der derzeit in Bearbeitung befindlichen Wärmestudie München (2035) betrachtet, deren Ergebnisse noch nicht final vorliegen. Zudem sind auch die Wasserstoffstrategien der EU und der Bundesregierung noch nicht finalisiert. Der folgende Abschnitt spiegelt daher nur den Zwischenstand der SWM-internen Überlegungen wider.
Der Betrieb der GuD3 erfolgt zunächst ausschließlich mit Gas als Brennstoff. Aufgrund der Strategie der Bundesregierung und der EU wird zukünftig mit einem steigenden Anteil von CO2-neutralem Gas im Erdgasnetz gerechnet, wie z.B. Wasserstoff aus der Elektrolyse mit Strom aus erneuerbaren Energien („grüner“ Wasserstoff). Dieses Gas kann in der GuD3 verbrannt werden, wenn es lokal im Erdgasnetz tatsächlich vorhanden ist; alternativ kann die GuD3, bei entsprechendem Angebot, auch bilanziell teilweise oder ausschließlich mit CO2-neutralem Gas beliefert werden, wodurch die Wärme und der Strom CO2-neutral erzeugt werden könnten. Auch wurden von den Fernleitungsnetzbetreibern bereits Konzepte für ein separates Wasserstoffnetz in Deutschland vorgestellt. Für einen Anschluss des Standorts Nord an dieses zukünftige Netz werden technische Vorkehrungen getroffen, so dass die Umstellung auf den Betrieb mit reinem Wasserstoff durchgeführt werden könnte.
Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen hiermit zufriedenstellend beantworten konnte.